Die Mädchen haben getanzt! Eine Eröffnungsszene! Unheimlich stark. Es ist turbulent. Viel Freude kommt auf. Die Mädchen schaukeln sich gegenseitig hoch und lassen los und sind ungebändigt. Sie sind verschiedenen Alters und bilden in ihrer Ausgelassenheit eine freudige Einheit. Trotzdem. Sie sind nachts im Wald, leichtbekleidet. Es nimmt eine jähe Wendung.
Small Town Girls
Oh ja. Wir sind in einer Kleinstadt. Dieses Nest namens Salem wird durch eine seltsame Boulevard-Frommheit beherrscht. Der neue Pastor ist ein von Frustration und Minderwertigkeit durchströmter und daher auf seine Art gefährlicher Mensch. Ausgerechnet Reverend Parris’ Haushälterin, die junge Abigail Williams, scheint die Anführerin der Mädchen zu sein. Schnell steht das Wort Hexerei im Raum. Der Reverend versucht noch kurz es einzudämmen, schickt aber gleich nach Jon Hale, dem Pastor des Nachbardorfes, der sich auch in Sachen Hexenaustreibung auskennt. Der Tatsache, dass die Mädchen eigentlich nur getanzt haben, wird nicht geglaubt. Der Hexereivorwurf wird immer stärker. Nun entpuppt sich Abigail tatsächlich als Anführerin und beschuldigt eine andere Haushälterin, sie verhext zu haben. Die Wahrheit wird nicht akzeptiert. Jetzt kommt das Lügengebäude mit einem Fundament daher. Die Verfolgung nimmt ihren Lauf. Ein Hexenprozess wird lanciert. Plötzlich sind unzählige Frauen verdächtig. Wer gesteht, wird nicht gehängt. Gerade dieser Konflikt von falschen Tatsachen, die gestanden werden müssen damit man dem Tod entrinnt, wird der zentrale Konflikt zum Ende des Stückes.
Schon Zitate wie Es gibt keinen Makel in meinem Leben von Mrs. Proctor, der betrogenen Ehefrau und Abigails Eifersuchtszielscheibe zeugen von jener Gruppendynamik der Verfolgung. Oder ein Zitat vom betagten Giles Corey sollte uns zu denken geben: Ich habe nie gesagt, dass meine Frau eine Hexe ist, ich habe gesagt, sie liest Bücher. .
Ende gut?
Die Antwort kann nicht gegeben werden. Ist die erfüllte Ordnungsliebe ein gutes Ende? Oder, dass weniger gestorben wären? Drastisch ist wohl, dass die Ansichten bleiben. Salem bleibt fromm in seiner ungehobelt fatalistischen Art. Auch wenn die Hinrichtung einiger Personen Erkenntnismomente gegeben hat. Es wird nichts ändern. Es bleibt dabei. Die Frauen dürfen nicht tanzen. Lesende Frauen sind verdächtig.
Hysterie, Requiem, Verfolgung und Mobbing
Es klingt abgegriffen, aber tatsächlich ist die Beschäftigung mit dem Stoff mehr als aktuell. Wird solange es Menschen gibt, immer aktuell bleiben. Wir erinnern uns an neuere Beispiele, wie die ärztliche Behandlung von Hysterie im Film „In guten Händen“ beziehungsweise „Hysteria“. Oder an “Requiem”, in dem Hexenaustreibung eine Rolle spielt. Hier verhalten sich Frauen nicht normkonform oder sind vermeintlich krank, obwohl ihre Reaktionen Symptome ihrer gesellschaftlichen Position und des jeweiligen Rollen/Familienmodells sind.
Andererseits weden uns die Themen Verfolgung und Mobbing auch nicht verlassen. Alle wissen über Religionen und deren Regeln Bescheid, kommt es jedoch zu konkreten Fragen, da offenbart sich die große Unwissenheit der einzelnen Personen. Im Stück ist es die Frage nach den zehn Geboten, bei denen alle mehr oder weniger ins Stocken geraten.
Gerade die Besetzung aus erfahrenen Schauspielern und den vielen jungen Mädchen – wobei hier besonders Coco Buchwald zu nennen ist, die das ohnmächtige Mädchen am Anfang spielt – gibt dem Stück eine besondere Energie. Manchmal lösen die Szenen diese wütende Beklemmung aus, die ich aus Lars von Triers Filmen kenne.
Die Leidenschaft, die dieses Stück erfüllt, ist von anderer Art als die, die zu Tränen rührt und zu simplen Identifikationen einlädt. Und genau das war meine Absicht.
Arthur Miller 1958 „In Hexensud gebraut“.
Besetzung
Matthieu Svetchine, Lotte Rudhart, Annemaaike Bakker, Irene Kleinschmidt, Lisa Guth, Frank Seppeler, Gabriele Möller-Lukasz, Benno Ifland, Johannes Nehlsen, Susanne Schrader, Peter Fasching, Guido Gallmann.
Regie: Klaus Schumacher
Bühne: Karin Plötzky
Kostüme: Karen Simon
Licht: Christopher Moos
Dramaturgie: Simone Sterr
Termine
HEXENJAGD (The Crucible), von Athur Miller, Deutsch von Hannelene Limpach und Dietrich Hilsdorf. Im Theater Bremen.
Dienstag, 06. Dezember, 19:30 Uhr
Dienstag, 01. Januar, 19:30 Uhr
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