Schlagwort-Archive: Familie

Selbst schuld?

Buchcover mit einem weißen Heizkörper

(c) Verbrecher Verlag

Anke Stelling, Schäfchen im Trockenen

Resis Lage ist prekär: Schriftstellerin ohne festes Einkommen, vier Kinder, davon zwei schwer pubertierend, der Mann Sven ebenfalls brotloser Künstler, finanziell ständig am Limit, eine gekündigte Wohnung und eine gescheiterte Freundschaft mit ihrer langjährigen Freundesclique. Sie selbst schreibt an einem Buch – genau an diesem Buch, das ich gerade lese, wie mir scheint. Ein „generationsübergreifendes Überforderungsprojekt“, das Resi und Sven sehendes Auges angezettelt haben, mit dem Resi hadert und zu dem sie dennoch steht – selbst Schuld eben. Schon der erste Teil des Buchs vermittelt den Alltag dieser Mutter, ohne sich und uns Lesenden die Entscheidung zwischen Heulen und Lachen zu erlauben, denn es ist immer beides. Abends, wenn die letzten Schulbrote mit der ungesunden Erdnussbutter geschmiert sind, wird Resi in ihrem kleinen Kabuff – die Abstellkammer, wo sonst immer die Waschmaschinen stehen – genau über den Wahnsinn des Familienlebens schreiben und sich fragen, warum sie dieses Leben führt. Weiterlesen

Was macht die Nanny?

Buchcover mit Kindern auf Karussell

(c) Luchterhand Verlag

Leila Slimani, Dann schlaf auch du

„Das Baby ist tot. Wenige Sekunden haben genügt. Der Arzt hat versichert, dass es nicht leiden musste. (…..) Die Kleine dagegen war noch am Leben, als die Sanitäter kamen. Sie hatte sich gewehrt wie eine Wilde. (……) Adam ist tot. Mila wird ihren Verletzungen erliegen.“ So beginnt der Roman, und er benennt auch gleich die Täterin: Es ist die Nanny. Es ist also kein Krimi im klassischen Sinn, bei dem es um die Fahndung nach dem Täter geht. Wohl aber geht es um das Verständnis der Tat. Weiterlesen

Ein Dorf voller Witz und Menschlichkeit

Buchcover mit Okapi und Apfel

(c) DuMont Verlag

Mariana Leky, Was man von hier aus sehen kann

 Luise ist zehn und lebt in einem kleinen Dorf im Westerwald, wo die Menschen recht kurz angebunden sind, „weil sie das Sprechen gern schnell hinter sich bringen“. Ihre Großmutter Selma ist eine resolute und freundliche Person, aber alle paar Jahre jagt sie dem Dorf einen Riesenschrecken ein: Wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt innerhalb von 24 Stunden oder kurz danach jemand. Wie bereits mehrmals vorgekommen. Die Handvoll Dorfbewohner sind beunruhigt, auch wenn sie eigentlich behaupten, nicht abergläubisch zu sein: Wen würde es treffen? Viele finden es an der Zeit, reinen Tisch zu machen und mit lang verschwiegenen Wahrheiten herauszurücken. Geständnisse werden formuliert, Briefe geschrieben… Weiterlesen

Lebenslügen

 

Buchcover mit aufragenden Halmen

(c) dtv

Celeste Ng, Was ich euch nicht erzählte

Erzählt wird die Geschichte einer Familie in der Jetztzeit und in Rückblenden. Die Familie, das sind: James und Marylin Lee und die Kinder Nath, Lydia, Hannah. Jedes der Familienmitglieder bekommt Passagen, in denen nur es im Mittelpunkt steht. Diese Familie leidet an dem weit verbreiteten Übel: Sie sprechen nicht über die wesentlichen Dinge miteinander. Das müssen sie mühsam begreifen, als ihre Tochter und Schwester aus dem See gezogen wird, der in der Mitte der Kleinstadt liegt. „Lydia ist tot.“, heißt der erste Satz des Buches, und wir erfahren zum Schluss, wie es dazu gekommen ist. Weiterlesen

Wörter mit Eigenleben

Arabische Muster in Lila

(c) Random House btb

Nava Ebrahimi:  Sechzehn Wörter

Sechzehn Wörter erinnern Mona immer wieder daran, dass die deutsche Sprache, in der sie ihr Leben in Deutschland gestaltet, nicht ihre Muttersprache ist. Sie überfallen die junge Deutsch-Iranerin  hinterrücks, sie ist ihnen ausgeliefert – bis sie anfängt, eins nach dem anderen zu übersetzen und sich damit ihrer Geschichte zu stellen. Und so betrachten wir zu Beginn jedes Kapitels eines dieser eleganten, verschnörkelten und auf uns so geheimnisvoll wirkenden arabischen Zeichen. Darunter eine Darstellung der Wörter in lateinischer Schrift, die jedoch auch zunächst rätselhaft bleiben und die im Laufe des Kapitels und schließlich im Laufe der ganzen Geschichte ihren Zusammenhang enthüllen. Weiterlesen

Gutsituiertes Elend

Cover mit rot-blau-gelben Mustern

(c) Droschl Verlag

Gertraud Klemm: Aberland

Zwei Frauen in gutbürgerlichen Verhältnissen beschreiben ihr Leben: Ich-Erzählerin Elisabeth und ihre Tochter Franziska. In abwechselnden Kapiteln kommen sie zu Wort und setzen das Bild ihres Alltagslebens zusammen.

Die Mutter…

Elisabeth ist Ende 50, verheiratet mit Kurt, zwei Kinder – es könnte auf einen geruhsamen Lebensabend hinauslaufen.  Stattdessen hadert Elisabeth mit dem Altern, mit ihrer erkalteten Ehe, ihrer angespannten Beziehung zu ihrer Tochter Franziska, mit der Pflege der ungeliebten dementen Schwiegermutter, und nicht zuletzt mit ihrem verhinderten Seitensprung mit dem Maler Jakob. Weiterlesen

Von Bienen und Menschen

Buchcover mit toter Biene

(c) btb

Lunde, Maja: Die Geschichte der Bienen

England 1852, Ohio, USA 2007, China 2098 – das sind die Schauplätze dieses Romans. Und, wie der Titel naheliegt, geht es in jedem dieser Teile um Bienen und die Menschen, die ohne sie nicht leben können.

Im England des 19 Jahrhunderts versucht William seine enttäuschten wissenschaftlichen Ambitionen zu überwinden. Sein Mentor hat sich auf gehässige Weise von ihm zurückgezogen, er muss seine umfangreiche Familie mit sieben Töchtern und dem schwierigen Sohn Edmund mittels eines Ladens ernähren, seine Ehe mit Thilda ist frustrierend. Einer tiefen Depression entkommt er durch ein Buch über Bienen, das ihn mit neuem wissenschaftlichem Eifer erfüllt. Er will eine neuartige Bienenbehausung konstruieren, die das Arbeiten mit Bienenvölkern einfacher macht. Weiterlesen

Warschau / Holland

Cover in rot und orange

(c) Wallstein Verlag

Lot Vekemans, Ein Brautkleid aus Warschau

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt: der von Marlena, der von Andries, der von Szymon. Das sind auch die wichtigsten Personen des Romans.

Marlena ist 25, sie lebt bei ihren Eltern, denen ein kleiner Hof eine Stunde von Warschau gehört. Sie verträgt sich nicht mit ihrer Mutter. Auf der Rückfahrt vom Besuch des Papstes trifft sie zufällig in einem Restaurant Natan, einen Amerikaner, der in Polen die Geschichte seiner im Holocaust ermordeten Familie rekonstruiert. Marlena verliebt sich unsterblich in Natan und er wohl auch in sie. Drei Monate sind sie zusammen, dann muss er zurück in die USA. Weiterlesen

Vietnam erobert den Prenzlauer Berg

Buchcover mit Bambusbrücke vor blauem Himmel

(c) C.H.Beck Verlag

Karin Kalisa: Sungs Laden

 Ein kleiner unscheinbarer Obst- und Gemüseladen am Prenzlauer Berg in Berlin wird zum Kristallisationspunkt für eine Bewegung, die den ganzen Stadtteil erfasst. Unmöglich?! Nicht bei Karin Kalisa.

Ihre Zutaten: Eine Grundschule in Berlin, die auf Anordnung von oben eine „Woche der Verständigung“ gestalten soll – ausgerechnet in der stressigen Vorweihnachtszeit; eine vietnamesische Familie, deren Mitglieder in der ehemaligen DDR als VertragsarbeiterInnen für das „Bruderland“ gearbeitet haben und geblieben sind; eine Großmutter, die eine schmerzliche Vergangenheit mit sich trägt. Weiterlesen

Familiengeschichten

 Adriana Altaras, Titos Brille. Die Geschichte meiner strapaziösen Familie

 Adriana_Altaras_Titos_BrilleTrug Marschall Tito – ja, um den handelt es sich – überhaupt eine Brille? Jedenfalls hat der Vater sie ihm repariert und Anlass für ihr Erzählen ist der Tod ihrer Eltern. Sie ist mit der Nachlassverwaltung betraut, eine Mammutaufgabe, da die Eltern seit ungefähr 40 Jahren kein Zettelchen weggeworfen haben. Für Altaras Zeit zum Sinnieren, für Wutausbrüche, für Tränen, zum Selbstmitleid und zum Aufblühen ihrer Stauballergie. Weiterlesen