Schlagwort-Archive: Geschichte

Liebe in Zeiten der Besatzung

Randi Crott, Lillian Crott Berthung:
Erzähl es niemandem!

2009 reist Randi Crott nach Nordnorwegen, wie schon oft in ihrem Leben. Diesmal hat sie jedoch etwas Besonderes im Gepäck: die Urne mit der Asche ihres Vaters. Erst als junge Frau hat sie von den jüdischen Wurzeln ihrer Familie erfahren und sich auf Spurensuche begeben.

Das ist der Beginn dieses dokumentarischen Buchs, das im Untertitel heißt: „Die Liebesgeschichte meiner Eltern“. Und diese Geschichte beginnt 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg. 1940 hat die deutsche Wehrmacht Norwegen unter Verletzung von dessen Neutralität überfallen, um England am Eingreifen durch See- und Luftstreitkräfte zu hindern. Dennoch werden die deutschen Besatzungstruppen zunächst zwar als ungebetene Eindringlinge, aber nicht als solche brutalen Besatzer wahrgenommen, wie es an der Ostfront der Fall war. So lässt sich vielleicht auch erklären, dass es zu einer Einladung von zwei deutschen Soldaten auf die Hütte der Familie Berthung gekommen ist, Lillians Familie. Weiterlesen

Zwei Künstlerbiografien

Buchcover, gemaltes Frauenportrait

(c) Penguin Verlag

David Foenkinos, Charlotte
Hans Joachim Schädlich, Felix und Felka

Nein, eine amüsante und entspannende Lektüre versprechen die Bücher nicht, weder das eine noch das andere. Von allem Anfang ist klar, dass sie nicht gut ausgehen, auch nicht ein bisschen, ihr Ende ist Auschwitz.

Aber es gibt noch anderes, das die Bücher verbindet: Bei beiden ist die Hauptfigur ein*e Künstler*in, es handelt sich um eine Form der Künstlerbiografie. Weiterlesen

Die langen Schatten der Franco-Diktatur

Buchcover mit Apfelsinen

(c) Aufbau Taschenbuch Verlag

Verena Boos, Blutorangen

Es beginnt im Jahr 2004 mit einem kurzen Kapitel, in dem Vieles im Unklaren bleibt und das uns doch in eine abgründige Geschichte hineinzieht: Ermordete werden – nach 65 Jahren – aus einer Grube geborgen, eine Frau noch ohne Namen nimmt an der Ausgrabung teil und wird zu einem anderen bedeutungsvollen Ereignis gerufen. Dann werden wir uns als LeserInnen nach und nach in eine verschlungene Geschichte hineinfinden, die über vier Generationen geht und ihren Anfang im faschistischen Spanien nimmt: im Jahr 1939, als die Rache des Franco-Regimes gnadenlos über die Reste des republikanischen Widerstands hereinbrach. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Maite oder Maria Teresa – der Name, den ihr die Eltern gaben. Ihr Vater war sein Leben lang strammer Franco-Anhänger, Soldat und Mitglied der berüchtigten Guardia Civil, ihre Mutter Isabel, die zu ihm hält und doch ihr Leben lang ihre eigenen Geheimnisse bewahrt. Weiterlesen

Kakophonie

Buchcover mit Mann mit Aktentasche

(c) Kiepenheuer und Witsch

Julian Barnes, Der Lärm der Zeit

Wie eine Partitur blättert Barnes das Leben des Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch (1906-1975) auf, vom jungen Mann, der „Auf der Treppe“ steht, zu dem erfolgreichen Vertreter seines Staates „Im Flugzeug“ bis zu dem alten Mann „Im Auto“.

Als er „Auf der Treppe“ steht, ist Schostakowitsch schon ein erfolgreicher Komponist, dessen Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ im In- und Ausland bejubelt wird. 1936, in einem Schaltjahr, besucht Stalin die Oper, zusammen mit Molotow,Mikojan und Schdanow. Stalin verbirgt sein Gesicht hinter einem Vorhang, die Regierungsloge liegt über dem Schlagzeug und den Blechbläsern, und die sind die Anführer einer infernalisch lauten Musik. Stalin verlässt die Oper. Am übernächsten Tag erscheint in der Prawda der Artikel „Chaos statt Musik“, er wird Stalin zugeschrieben. In dem Artikel wird die Musik scharf abgelehnt, vor allem aber wird sie dem „Formalismus“ und „Linksabweichlertum“ zugerechnet. Das sowjetische Publikum erwarte eine melodiöse, romantische Musik. Schostakowitsch wird aus dem Komponistenverband ausgeschlossen, seine Oper darf nicht mehr gespielt werden, Weiterlesen

Wenn Dinge ins Erzählen kommen

Museumsbuch auf Tisch

Schön anzuschauen und zu lesen

Roland Albrecht: Museum der Unerhörten Dinge

Was hat ein Museumsbesuch in Berlin auf einem Literaturblog zu suchen? Ganz einfach: Das „Museum der unerhörten Dinge“ besteht nicht nur aus ungewöhnlichen Gegenständen, sondern aus den Geschichten, die diese Dinge erzählen und die es dort zu lesen gibt. Und die sind Literatur vom Feinsten!

Ich lernte das „Museum der unerhörten Dinge“ vor einigen Jahren bei der Kulturellen Landpartie im Wendland kennen. In dem Dorf mit dem unvergleichlichen Namen Kröte gab es einen ganzen Raum voller kleiner und kleinster Dinge und einem dazu gehörenden Text, auf dem stand, was diese Gegenstände zu erzählen hatten. Weiterlesen