10 Tipps, wie Du „Straight Ally“ wirst
Dieser Beitrag richtet sich vor allem an heterosexuelle Menschen, die sich mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren (also cis sind, im nachfolgenden Text als cisHeten bezeichnet). Die Autor*in dieses Textes schreibt aus der Perspektive einer nicht-binären Lesbe, die nicht stellvertretend für die gesamte Community gilt. Andere Queers können ganz andere Perspektiven haben. Unsere Erfahungen und erlebten Diskriminierungen sind unterschiedlich – viele sind auch von Mehrfachdiskriminierung betroffen, etwa weil sie transident und lesbisch/schwul sind oder auch noch Rassismus erfahren. Dazu sind viele der genannten Punkte stark vereinfacht, damit auch cisHeten sie verstehen.
Schön, dass Du da bist! Dass Du diesen Artikel angeklickt hast, zeigt zumindest: Dir ist bewusst, dass Dir Skills fehlen. Und das willst Du ändern, um Dich zu ändern – und den queeren Personen in Deinem Umfeld nicht weiter Aufklärungsarbeit abzuverlangen. Denn ja, das ist für uns anstrengend. Ja, auch für Deine beste, lesbische Freundin.
Aber lies selbst.
1. Informiere Dich.
Nicht bei uns, sondern selbstständig. Setze Dich mit den Lebensrealitäten von queeren Menschen auseinander und auch mit den Herausforderungen und Problemen, die es mit sich bringt, in einer heternonormativen Gesellschaft mit binärem Geschlechtersystem, (hier gibt es nur die beiden Kategorien Frau und Mann) aufzuwachsen. Es gibt genug Organisationen, informative Websites, Bücher, Dokumentationen, Podcasts, Bildungsmaterial, Glossare und sogar Workshops. Wenn du schon dabei bist, schau Dir doch auch mal die Rechtslage an – queere Menschen werden in Deutschland auch juristisch diskriminiert. Das Transsexuellengesetz oder das Abstammungsgesetz sind nur Beispiele.
2. Stell’ Fragen.
Aber bitte nur solche, die Du nicht auch selbst googlen oder ecosianen kannst. Frag (queere) Menschen, mit welchen Pronomen sie angesprochen werden möchten und benutze sie. Wenn Du mitbekommst, dass andere cisStraights deine queeren Freund*innen misgendern (also falsche Pronomen benutzen) korrigiere sie. Frage außerdem queere Menschen in deinem Umfeld, wie Du sie supporten kannst.
3. Hör auf, Fremden Fragen zu stellen.
Im Zweifel heißen sie so, wie sie sich Dir vorstellen. Frag niemals unter keinen Umständen, wie sie „früher“ oder „richtig“ heißen. Trans, inter und nicht-binäre Menschen sind Dir keine Erklärung ihrer Lebensgeschichte schuldig und haben keine Lust, von Deinen Fragen auf einer Party verletzt zu werden. Auch Schwule, Lesben, Bisexuelle, Pansexuelle und andere nicht-Heten haben besseres zu tun, als Dir von ihrem Outing zu erzählen. Oder Dir zu erklären, wie queerer Sex geht. Oder Dir detailliert zu schildern „wie sie es gemerkt“ haben.
4. Erkenne, dass Deine Zustimmung nicht gefragt ist.
Queere Menschen brauchen weder Dein „OK“ noch Deine Anerkennung, queer zu sein. Mir ist egal, ob Dein Onkel auch schwul ist oder dass Du viel lieber auf queere Parties gehst, weil Du dort nicht angemacht wirst. Wenn Du’s mir trotzdem erzählst, weiß ich, dass Du insgeheim heteronormativ und binär denkst. Warum sonst denkst Du, dass Du mir davon erzählen musst?
Und wenn wir gerade bei queeren Parties sind: Du bist hier zu Gast und kein Teil der Community. Dränge Dich nicht in den Vordergrund und informiere Dich vorher entsprechend (Punkt 1). Falls Du hier zufällig Menschen triffst, die Du kennst, erzähle es nicht weiter. Vielleicht sind sie noch nicht geoutet.
5. Oute keine Menschen.
Es ist allen queeren Menschen selbst überlassen, ob, wann, wie und als was sie sich outen. Unterstütze sie, wenn sie Dich darum bitten. Aber halte Dich ansonsten im Hintergrund. Es ist unter keinen Umständen okay, andere zu outen – auch nicht bei anderen queeren Personen.
6. Setze Dich aktiv gegen Diskriminierung ein.
Es ist schön, wenn Du schon eine supportende innere Haltung hast. Davon ändert sich für queere Menschen aber nichts. Arbeite mit daran, dass queere Menschen die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen erhalten. Das kannst Du tun, indem Du andere cisHeten informierst und bildest, aber auch, indem Du bei Beschimpfungen, dummen Sprüchen (z.B. „das ist schwul“) und Vorurteilen dagegen hältst – gegenüber Freund*innen, Bekannten und Deiner Familie. Schreite außerdem direkt aktiv ein, wenn queere Menschen angefeindet werden. Wenn Du in sozialen Medien unterwegs bist, könntest Du deine Pronomen in deine Bio schreiben – das trägt dazu bei, zu etablieren, dass über Pronomen gesprochen wird. Hinterfrage außerdem Dein eigenes Handeln – benutzt Du vielleicht selbst queerfeindliche Schimpfwörter? Wie denkst oder sprichst du über queere Menschen? Hältst Du Dich und andere cisHeten für die Norm?
7. Erwarte nicht, dass Menschen heterosexuell sind.
Frag andere nicht, ob sie einen Freund oder eine Freundin haben, sondern lieber, ob sie verliebt sind oder derzeit daten. Das macht es uns einfacher, uns zu öffnen. Wenn Du neben einem Haufen cisHeten nur eine queere Person zu deinem Raclette-Abend einlädst (klingt langweilig!), achte darauf, dass eure Unterhaltungen über heternonormatives Dating sie nicht ausschließen. Setze dich außerdem mit Asexualität und Aromantik auseinander – nicht alle Menschen daten, verlieben sich, oder haben Sex.
8. Hab Respekt vor unserem Outing.
Nimm das Outing von queeren Menschen sehr ernst und streiche Deadnames und eventuell auch alte Dating-Geschichten aus Deinem Hirn. Ich möchte etwa von meinen Schulfreund*innen nicht mehr an Sex mit cisMännern erinnert werden (nicht nur, weil er schlecht war). Die Verwendung falscher Pronomen, des Deadnames oder das Erzählen alter Geschichten kann stark verletzend und traumatisch sein. Erkenne, dass jede queere Person, die Du kennst, ein mehr oder minder schweres inneres und äußeres Coming Out durchlaufen ist, das sie viele Nerven gekostet hat. Dazu muss sich jede queere Person, die Du kennst, regelmäßig erneut outen und erfährt noch immer regelmäßig Diskriminierung. Viele queere Menschen verlieren nach ihrem Outing den Kontakt zu Familienmitglieder und Freund*innen oder wurden sogar zuhause rausgeworfen.
Spare Dir Aussagen wie „Ich wäre auch gerne lesbisch“ oder „meine heteronormative Beziehung nervt mich“. Du genießt als heterosexueller cisMensch viele Privilegien – beispielsweise läufst Du seltener Gefahr, beim Händchen halten belästigt, verfolgt und bedroht zu werden oder gar Gewalt zu erfahren, oder?
9. Hör auf, queere Menschen zu fetischisieren.
Dein Bekannter will sicher nicht Dein “schwuler bester Freund” sein und träumt nicht davon, mit Dir Klamotten aussuchen zu gehen.
Du brauchst Deiner ehemaligen, lesbischen Klassenkameradin auch nicht spontan auf Instagram zu schreiben, weil Du auch gerade auf dem CSD bist. Du hast früher queere Menschen in der Schule gemobbt, willst jetzt aber Deinen langweiligen cisHeten-Freund*innen zeigen, dass Du auch jemanden kennst? Stop trying to make it happen, Svea. Und steck die Pride Flagge weg, Du bist nur zu Gast da, remember?
Lesbische, bisexuelle und pansexuelle Frauen und Queers finden es nicht aufregend, tagelang mit Dir auf OkCupid, Tinder oder Bumble zu chatten, um dann zu erfahren, dass Dein Boyfriend “mitmachen” will. Außerdem: Dein Boyfriend, der totaaal offen ist, aber irgendwie nur, wenn Du was mit anderen Frauen haben willst, fetischisiert Lesben und hat keinen Respekt vor uns. Ja, echt.
Hör auf, Dir queere Kultur und Mode anzueignen, das ist respektlos gegenüber der Geschichte der queeren Communities (mit der Du Dich beschäftigen solltest, Punkt 1). Verwende keinen Slang oder Begriffe, die Du auf queeren Veranstaltungen aufgeschnappt hast und höre verdammt nochmal auf, mich als “Queen” zu bezeichnen und mit den Fingern zu schnipsen.
10. Setz Dich mit dem Genderstern auseinander.
Viele cisHeten denken, der Genderstern wäre nur dazu da, etwas für die Gleichberechtigung zu tun. Was genau, wisst ihr oft auch nicht, aber Frauen sollen irgendwie mitgemeint sein. Manchmal gendert ihr auch nur mit dem Binnen-I (z.B. FreundInnen), weil euch das irgendwie leichter vorkommt. Oder ihr schreibt Eure Hausarbeit im generischen Femininum. Wenn ihr es besonders gut machen wollt, schreibt Ihr sogar von Frauen*. Das Sternchen sieht ja igendwie auch süß aus, da kann ja kein Mensch böse sein…?
Falsch gedacht. Beim Genderstern geht es auch darum, ALLE Geschlechtsidentitäten mit einzuschließen. Wenn Du von Freundinnen oder FreundInnen schreibst, machst Du z.B. nicht-binäre, inter oder agender Personen unsichtbar. Der Begriff Frauen* ist schlichtweg transfeindlich und missverständlich.
Frauen* wird häufig benutzt, wenn neben cis Frauen auch “alle Anderen” sich mit angesprochen fühlen sollen. Wer genau “alle Anderen” sein sollen, bleibt meist offen (Hauptsache, kein Mensch beschwert sich später bei Dir, was?). Wenn Du jedenfalls neben cis Frauen auch trans Frauen ansprechen willst, kannst du Dir das * sparen – trans Frauen sind Frauen und benötigen kein extra Sternchen. Nicht-binäre und abinäre Personen sind weder Frauen noch Frauen*. Wenn Du uns mitmeinen willst, benenne uns auch konkret und mach uns nicht unsichtbar. Wenn Du trans Männer ansprechen willst, bezeichne sie auch nicht als Frauen*! Sie sind Männer (!!!).
Großartig, Du hast es geschafft. Jetzt kannst Du losziehen und daran arbeiten, ein*e gute*r Straight Ally zu sein. Aber denk immer dran: Es geht hier nicht um Dich. Schmücke Dich nicht damit, solidarisch zu sein – es sollte eine verdammte Selbstverständlichkeit sein, sich nicht menschenverachtend zu verhalten. Und: Ob Du gute*r Straight Ally bist, entscheiden queere Personen selbst. Höre zu, lerne aus Fehlern und gib sie zu. Was Dein einer queerer Kumpel Dir erlaubt, gilt nicht für alle anderen Menschen.
Anael Dzubilla
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