Am Abend des 27. Januars hielt Nils Pickert, Chefredakteur für Pinkstinks, im Bremer Frauenkultur- und Bildungszentrum belladonna einen anschaulichen Vortrag über Vermarktungsstrategien von Firmen und die tatsächlichen Dimensionen von Sexismus.
Wo fängt Sexismus an?
Sprechen wir von Sexismus, so denken wir an Bilder leicht bekleideter oder komplett entblößter Frauen in Verbindung mit wenig geistreichen Sprüchen, wie sie uns im öffentlichen Raum, in Zeitschriften oder im Internet begegnen. Doch Sexismus ist nicht nur das – Sexismus muss nicht immer Haut zeigen, sondern macht sich schon viel früher bemerkbar, auf eine subtilere Art und Weise. Sexismus wird uns in die Wiege gelegt, mit unserem ersten Spielzeug, mit unserer Kleidung und allem, mit was wir in Berührung kommen.
Alles steht und fällt mit der Bestimmung des Geschlechts: Blau oder pink? Cowboy oder Meerjungfrau? Mathegenie oder Ballerina? Dazwischen gibt es nichts! So vermitteln es uns jedenfalls die Firmen, die die Regale mit allem bestücken, was wir für unsere Entwicklung (mehr oder weniger) brauchen. Als Junge schlägst du ganz klar den blauen Weg ein. Du liebst schnelle Autos, die Wissenschaft und hast kein anderes Ziel, als der Boss zu sein, natürlich sportlich und unsentimental. Du bist ein Gewinner. Bist du ein Mädchen, ist der Traum in pink deine Welt. Du bist stets niedlich und sanft, trägst gerne Röcke und Kleider mit viel Rüsche, bist in Mathe völlig unbegabt und widmest dich der Optimierung deines Erscheinungsbildes. Die Zukunft gehört eben nur „echten Rennfahrern“ und „echten Mäuschen“. Wer das nicht sein möchte, schaut in die Röhre.
Gruppendruck bei Kindern verstärkt sich
Dieses Statements vermitteln uns Firmen ganz klar über ihre Produkte und die Werbung, mit der sie uns als Käufer überzeugen wollen. Um hohe Verkaufszahlen zu erreichen, verfolgen sie die Strategie der Limitierung.Genau hieran knüpft Sexismus an. Denn durch die „blau-pink-Zuordnung“ werden schnell Stereotype geschaffen, die zugleich idealisiert werden.
Für Kinder entsteht ein Gruppendruck, da sie sich verpflichtet fühlen, sich diesem Muster zu fügen. Natürlich, so Nils Pickert, sei es völlig in Ordnung, wenn Mädchen sich gerne in rosa kleiden und das Ballette lieben. Doch werden Kindern ihre Wünsche aufgezwungen, lege man ihnen schnell das allbekannte Schubladendenken auf, was neben Sexismus auch Rassismus oder Mobbing begünstige. Als Elternteil kann man diesen Aspekt der kindlichen Entwicklung oft nicht vollständig beeinflussen. Denn auch Eltern, die ihre Kinder nicht geschlechtsstereotyp erziehen wollen, haben beim Kauf von Kinderzubehör häufig keine andere Wahl. Es müssen also verstärkt diejenigen adressiert werden, die für die Vermarktung der Produkte verantwortlich sind.
Sexistische Werbung vermittelt das Bild einer „perfekten“ Frau
Die „perfekten“ Frauen werden meistens plakativ, erniedrigend und leicht bekleidet oder gar ganz nackt präsentiert. Außerdem werden sie oft untergeordnet dargestellt, aber auch auf einen Gegenstand des sexuellen Gebrauchs reduziert. Der Werdegang der Werbung zeigt eine Entpersonalisierung der Frau, die durch Fotobearbeitung zu einer augenscheinlich „perfekten“ Frau gemacht wird. Mädchen und Frauen vergleichen sich mit dieser „perfekten“ Frau und dieses Bild kann Mangelempfindungen auslösen, denn kurvige Frauen sind nur selten in der Werbung zu sehen. Dünn sein, lautet die Devise der Werbemacher. Selten ist auch nicht, dass man gar nicht weiß, um welches Produkt es sich eigentlich handelt, da es nicht die Hauptrolle in der Werbegestaltung spielt. Die Unternehmen wollen eine Identität verkaufen, mit der man den Markenamen in Verbindung bringt. Sexismus verkauft nicht mehr Produkte, weil der Konsument nicht das Produkt im Kopf behält, sondern die Darstellung.
Nicht nur bildliche Vermittlung
Sexismus wird aber nicht bloß bildlich vermittelt. Nicht jedes Werbeplakat zeigt eine nackte Frau. Einige Unternehmen verwenden provozierende Texte, um ihr Produkt zu bewerben. So hat es auch ein Schweizer Uhrenhersteller gemacht.
„Fast so kompliziert wie eine Frau. Aber pünktlich.“ – IWC Werbung
„Häufig auf dem Nachttisch von Stewardessen zu finden.“ – IWC Werbung
Hinzu kommt noch, dass unter jedem Produkt klein gedruckt steht „IWC seit 1868 und solange es noch Männer gibt“. Spätestens hier wird deutlich, dass mit ihren Werbeslogans ganz bewusst gegen Frauen gesprochen wird. Es gibt natürlich auch andere Fälle, in denen der Sexismus unbeabsichtigt passiert und die Slogans unbewusst doppeldeutig verfasst wurden. Männer sind nicht ausgenommen, was sexistische Werbung betrifft. Sie werden allerdings weniger auf ihre Körper reduziert, sondern mehr auf ihre Gefühle. Denn zeigt ein Mann Gefühle, wird es als Schwäche zelebriert.
Sexismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem
Sexismus in der Werbung ist also ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass auf unterschiedliche Weisen dargestellt wird. Die SPD spricht sich bereits dafür aus, Sexismus in der Werbung gesetzlich verbieten zu lassen. Ganz verschwinden wird der Sexismus trotzdem nicht, er wird nur nicht mehr so exzessiv vorkommen, wie es zurzeit der Fall ist.
Julika Wagner, Lena Wahlers
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