„Väterrechte“ – wer könnte etwas dagegen haben? Zumal wir Feminist*innen ja immer fordern, dass Väter ihre „Rechte“ an den Kindern wahrnehmen, sich ihnen zugewandt widmen und endlich die Hälfte der Sorgearbeit übernehmen. Aber bei dieser Veranstaltung ging es um etwas anderes. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe #ERROR – Fehlermeldung bei der Geschlechtergerechtigkeit
hatte die ZGF (Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten) vor der Sommerpause eingeladen zur Veranstaltung Gefährliche Lobby – Väter-Rechte um jeden Preis?
Die Referentin
Als Referentin war Gabriela Keller, Investigativreporterin vom CORRECTIV-Recherche-Netzwerk geladen. Sie arbeitet unter anderem zu den Themen Gewalt gegen Frauen und Neue Rechte und wurde 2022 für ihre #metoo-Recherche zu Frauen von deutschen Fußballspielern als Reporterin des Jahres ausgezeichnet.
Lobbyisten
Der Titel der Veranstaltung sagt es schon: hier ging es um Lobbyisten, die anderes im Sinn haben, als eine gleichberechtigte Übernahme der Verantwortung bei der Kinderbetreuung. Im Gegenteil, so Gabriela Keller, ihr Hauptziel ist Kontrolle. Nämlich die Kontrolle der Ex-Partnerin und Mutter der gemeinsamen Kinder auch nach der Trennung. Der Hebel dafür ist das Sorgerecht. Im Streit mit der Mutter um das Sorgerecht des gemeinsamen Kindes werden immer wieder die gleichen Argumentationsmuster verwendet. So werden Begriffe benutzt, die liberal assoziiert sind. Selbst wenn häusliche Gewalt stattgefunden hat, wird diese negiert, stattdessen ist von einem „Beziehungskonflikt“ die Rede. Es wird so getan, als stehe das Kindeswohl im Fokus. Dann wird behauptet, für Kinder sei es schädlich, hauptsächlich bei einem alleinerziehenden Elternteil (der Mutter) zu leben. Am besten für das Kind sei das Wechselmodell. „Nachtrennugsfamilien“ werden damit als biologische Einheit postuliert, die auch nach der Trennung weiterbestehe. Dafür werden angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse ins Feld geführt. Und schließlich wird eine Benachteiligung von Männern behauptet, wenn die Mutter das alleinige Sorgerecht erhält.
Selbstverständlich trifft ein solches Vorgehen nicht auf alle Männer in Trennungssituationen oder Geschiedene zu.
Hintergrund
Die Väterrechtsbewegung entstand in den 1960er Jahren in den westlichen Ländern, parallel zum Anstieg der Scheidungsraten. Seit den 2000ern gibt es eine zunehmende Schnittmenge mit Maskulinisten. Die Szene ist allerdings schwer zu durchschauen, es gibt eine Fülle von Vereinen und Verbänden, aber wenige zentrale Akteure. Die sind heute vor allem im Internet aktiv und agieren zum Teil sehr aggressiv. Überwiegend sind sie hetero, gehören der Mittelschicht an, sind mittelalt und betroffen von Scheidung. Manche Scheidungsväter, die aufrichtig an ihren Kindern interessiert sind, suchen zunächst lediglich eine Beratung in ihrer schwierigen Situation, und werden dann aber in die Szene hineingezogen. Diese ist durchzogen von Frauenhass. Geredet wird dort zum Beispiel von der „Müttermafia“, einer „feministische Diktatur“, zum Teil gibt es auch Bezüge zum AfD-Milieu.
Vorgehensweisen
Gearbeitet wird mit kommunikativen Tricks, erklärt Gabriela Keller. Vorgeschoben wird eine Haltung der caring masculinity, einem Ideal der feministischen Bewegung in der gleichberechtigten Verteilung der Sorgearbeit. Aber tatsächlich geht es um Verfügungsgewalt und Kontrolle (über die Mütter). So gibt es die politische Forderung, dass grundsätzlich das Wechselmodell eingerichtet werden soll. Und wenn dies nicht erreicht wird, dass das „betreuende Elternteil“ nur innerhalb des Schulbezirks umziehen dürfen soll. Begründet wird das mit umstrittenen Konzepten und fragwürdigen Diagnosen, wie zum Beispiel dem Parental Alienation Syndrome. Danach komme es zu schädlichen Entwicklungsstörungen bei Kindern, die nicht von beiden Elternteilen gleichermaßen betreut werden. Allerdings gibt es keine Studien, die dieses „Syndrom“ bestätigen. Auch die angebliche Bindungsintoleranz, die häufig Müttern unterstellt wird, wenn das Kind den Vater nicht sehen will, findet sich in keinem Diagnosekatalog.
Der Einfluss von Väterrechtlern ist vor allem dann problematisch, wenn er nicht sofort erkannt wird. Das ist bei professionell geführten Kampagnen, in denen gezielt auf Journalisten zugegangen wird, oft der Fall. So sind manche „Experten“, die Fortbildungen für Fachleute und Jugendamtsbeschäftigte anbieten, selbst Väterrechtler und können dort ihre „Theorien“ verbreiten. In diesem Zusammenhang wies die Referentin darauf hin, dass die GREVIO – die EU-Expert*innengruppe zur Umsetzung der Istanbul-Konvention – besorgt sei über die Lage in Deutschland zu häuslicher Gewalt.
In der anschließenden Diskussion wurde die Besorgnis geäußert, dass die Väterrechtler zur Zeit auf offene Türen im FDP-geführten Justizministerium treffen würden.
Hier auch ein Interview zur Veranstaltung mit der Referentin.
Irene Meyer-Herbst
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