*Pidgeon Pagonis is Non-Binary und benutzt das geschlechtsneutrale Pronomen „they“. Da es in der deutschen Sprache kein allgemein etabliertes geschlechtsneutrales Pronomen gibt, verzichtet dieser Artikel auf Personalpronomen für Pidgeon Pagonis und nennt an deren Stelle den Namen.
Pidgeon Pagonis wuchs intersex auf – wie viele Inter*Menschen, ohne es zu wissen. Trotzdem spürte Pidgeon die Folgen davon, mit einem Körper geboren zu sein, den Ärzt*innen nicht eindeutig männlich oder weiblich einstufen wollen.
„Bloß weil mir niemand die Wahrheit erzählte, hieß nicht, dass ich nicht die Wirkung ihrer Lügen spürte.“ von pidgeonismy.name
Pidgeon Pagonis Eltern versuchten ihr Kind als Mädchen zu erziehen und spannen eine Geschichte davon, dass Pidgeon nach der Geburt Krebs in den Eierstöcken gehabt hätte, weshalb Chirurgen diese entfernten. Die „Eierstöcke“ waren tatsächlich Hoden, die sich nicht ganz entwickelt hatten. Zudem beschnitten Ärzt*innen Pidgeons Klitoris, denn diese fand das Personal für ein vermeintliches Mädchen zu groß.
Nach der Geburt aussortiert und angepasst
Pidgeon Pagonis hat was Mediziner*innen „Androgeninsensitivitätssyndrom“ nennen. Das ist eine Veranlagung, aufgrund derer ein Körper nicht oder nur teilweise auf das Hormon Testosteron und verwandte Hormone reagiert. Deshalb entwickelten sich Pidgeons Hoden und Genitalien im Mutterleib anders. Davon erfuhr Pidgeon erst mit neunzehn. Bis zu dem Zeitpunkt glaubte Pidgeon Pagonis einmal Krebs gehabt zu haben. Das führte auch zu der Angst, der Krebs könnte einmal wiederkehren, obwohl er nur eine Erfindung war.
Als Teenager wurde Pidgeon das Ausbleiben der Periode durch die Lüge über die entfernten Eierstöcke erklärt. Zu derselben Zeit wurde durch dieselbe Lüge eine Operation an Pidgeon Pagonis Genitalien gerechtfertigt. Diese hatte das Ziel, Pidgeons Vagina zu vertiefen damit Pidgeon später Sex mit Männern haben konnte. Außerdem gaben Ärzt*innen Pidgeon Östrogene gegeben, um die Pubertät auszulösen. Dass Pidgeon Pagonis keine Menstruation hatte, hielt Pidgeon aus Scham von Mitschülerinnen geheim und erfand eigene Lügen.
Über Umwege zur Wahrheit
Zum ersten Mal hörte Pidgeon Pagonis von Androgeninsensitivitätssyndrom in einer Vorlesung in Psychologie in der Universität. Schnell erkannte Pidgeon, dass alle Symptome zutrafen. Pidgeons Mutter bestätigte die Vermutung ihres Kindes am Telefon. Zum ersten Mal hörte Pidgeon die Wahrheit.
Zuerst war Pidgeon Pagonis durch die Wahrheit beschämt. Pidgeon wollte bloß normal sein. Aber ein Gespräch mit der Inter*Aktivistin Lynnel Stephani Long, die Pidgeons Dozentin einlud, half Pidgeon, sich selbst als intersex zu akzeptieren. Statt eigene Geschichte geheim zu halten, entschied sich Pidgeon Pagonis selbst für Inter*Rechte zu kämpfen. Dies macht Pidgeon unter anderem durch das Teilen der Erfahrungen als Inter*Mensch im medizinischen System und durch die Kritik an den Ärzt*innen.
Pidgeon Pagonis sieht das Inter*Sein nicht als „Syndrom“ an, sondern will, dass die Vielfalt von Körpern akzeptiert wird. Denn unter dem Vorwand, dass Inter*Sein eine Störung oder ein Syndrom sei, würden Eingriffe an Kindern vorgenommen, die diesen nicht zustimmen können. Dadurch heilt niemand eine Krankheit, sondern normiert bloß einen Körper. Die Rechte von Inter*Menschen werden aber nicht nur durch Operationen verletzt. Pidgeon Pagonis erzählt von Untersuchungen, die Pidgeon fühlten lassen, nicht über den eigenen Körper bestimmen zu dürfen.
„Ich musste ständig zum Arzt und mir die Hose runterziehen und mein Oberteil ausziehen and dann wirst du angeguckt und sie fassen dich an und ich glaub ich lernte schnell, dass mein Körper nicht mein eigener ist.“ von Newcity
https://www.instagram.com/p/BaujIeiAAOu/?tagged=pidgeonpagonis
Kampf für Inter* an allen Fronten
Pidgeon Pagonis sprach sich unter anderem gegen die unrechtmäßigen Eingriffe gegen Inter*Menschen bei Inter-American Commission on Human Rights aus. Pidgeon denkt aber, dass diese Form von Aktivismus wenig erreicht. Als Alternative setzt sich Pidgeon Pagonis vor Ort ein, um die Krankenhäuser und deren Personal selbst davon zu überzeugen, keine Eingriffe an Inter*Kindern mehr vorzunehmen.
Das heißt nicht, dass sich Pidgeon Pagonis nicht um die Medienpräsenz von Inter* Anliegen kümmert. Neben Demonstrationen die Pidgeon gegen das Lurie Hospital in Chicago organisiert, ist Pidgeon für den #Intersexstories Hashtag auf Twitter verantwortlich, der Erfahrungen medizinischer Misshandlung von Inter*Personen ins Licht rückt. In 2014 filmte Pidgeon Pagonis einen eigenen Doku, The Son They Never Had: Growing Up Intersex. Darüber hinaus schreibt Pidgeon Pagonis für verschiedene Veröffentlichungen, wie Everyday Feminism und dem eigenen Blog auf www.pidgeonismy.name. 2016 konnte Pidgeon in der US Fernsehserie Transparent eine Inter*Person darstellen. Seit längerer Zeit ist Pidgeon in der Organisation interACT aktiv, in der Pidgeon Koordinator*in für das Jugendprogramm ist.
Pidgeon Pagonis setzt sich für eine Welt ein, in der wir mehr Verständnis für Körper haben, die die Gesellschaft als unnormal abstempelt. Pidgeon möchte eine Welt, in der Inter*Personen ihre Körper kennenlernen dürften, ohne sich durch ein Dickicht von Lügen zu schlagen. Es ist die Vorstellung von einer Welt, die Gehör verdient.
Kathy Hemken
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