Der AK berufliche Perspektiven für Frauen und Mädchen im Portrait:
Auf dem Schreibtisch sieht es nach Arbeit aus: Papierstapel, aufgeschlagene Bücher und Aktenordner, der Rechner schnurrt. Auf dem Besprechungstisch daneben türmen sich Flyer und Broschüren, über einer Stuhllehne hängt eine rote “Equal Pay Day” Tasche. Ich sitze im Büro von Bärbel Reimann, Referentin für Frauen in Arbeit und Wirtschaft in der Bremischen Gleichstellungsstelle (ZGF), und ich spreche mit ihr über einen Teilbereich ihrer Aufgaben, über den “Arbeitskreis berufliche Perspektiven für Frauen und Mädchen”, kurz “AK berufliche Perspektiven”.
Was macht dieser Arbeitskreis und wer mischt da eigentlich mit, frage ich zum Einstieg. “Der AK ist ein lebendiges und kompetentes Netzwerk verschiedener Träger und Institutionen. Im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen, es geht um die Verbesserung ihrer beruflichen Situation”, sagt Bärbel Reimann. Den AK berufliche Perspektiven gibt es mittlerweile seit über 25 Jahren. Ursprünglich aufgebaut von engagierten Frauen aus Trägerinstitutionen, befindet sich die Koordination des Arbeitskreises schon seit längerem unter dem Dach der ZGF, die eine unabhängige Arbeitsweise verfolgt. Mitglieder des AK sind z.B. die Arbeitnehmerkammer, die evangelische Kirche, die Agentur für Arbeit, das Jobcenter, Vereine wie belladonna oder die Mütterzentren Huchting und Tenever. Dazu kommen Bildungs- und Beschäftigungsträger und die Beratungsstelle “Frauen in Arbeit und Wirtschaft”. Eine vollständige Liste mit allen Mitgliedern kann man auf den Internetseiten der ZGF einsehen.
Das Netzwerk bündelt, verzahnt und bringt zusammen.
Allesamt bringen sie Expertise aus verschiedenen Richtungen mit und wollen im Sinne der Chancengleichheit die Bedingungen für Frauen und Mädchen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Der AK ist dabei nicht als ein Sammelbecken von Trägern zu verstehen, die nur jeweils ihre Angebote an die Frau bringen möchten. Das Netzwerk bündelt, verzahnt und bringt zusammen. Erfolgreiche Gemeinschaftsprojekte sind z.B. Angebote wie “Perspektive Wiedereinstieg” für Frauen in der Übergangsphase von Familie und Beruf oder der jährlich bei der Agentur für Arbeit stattfindende “FrauenBerufsMarkt”, der sich im Stil einer Jobbörse speziell an eine weibliche Zielgruppe richtet.
Der Informationsfluss funktioniere aber auch in der entgegengesetzten Richtung, von der Basis nach oben sozusagen, bemerkt Bärbel Reimann. Da die Mitarbeiter_innen der Träger ganz nah an der Alltagsrealität von Frauen und Mädchen dran sind, kennen sie aktuelle Problemfelder und Schwachstellen auf dem Arbeitsmarkt. Der Arbeitskreis bietet dann eine Plattform, in der dies unmittelbar diskutiert werden kann und Informationen an vielzählige Empfänger_innen weitergereicht werden können. Im letzten Jahr trat der AK z.B. mit der Senatorin für Bildung und Wissenschaft in den Dialog und nahm das Thema Bildungspolitik aus Geschlechterperspektive schwerpunktmäßig ins Visier.
Das klingt ja alles ausgenommen positiv, finde ich, aber gibt es auch Dinge, die nicht so gut laufen, möchte ich wissen. Bärbel Reimann zögert nicht lange: Bedauerlich sei es immer, wenn Projekte eingestampft werden oder Mitglieder wegfallen, antwortet sie. So gibt es leider die Frauenbetriebe quirl nicht mehr, die langzeitarbeitslosen Frauen Tagesstruktur und eine geschützte Atmosphäre bieten konnten. Außerdem wurde letztes Jahr das Expertinnen-Beratungsnetz Bremen (ebn) aufgegeben, das mit einem Pool aus berufstätigen Frauen verschiedener Branchen berufsbezogene Beratung und ehrenamtliches Mentoring miteinander kombiniert hatte. Schade, geht es mir durch den Kopf, das ebn gibt es nicht mehr! Noch vor einigen Jahren war ich nämlich zum ebn gelangt. Ich stand beruflich gesehen an einer Weggabelung und suchte Orientierung und Rat. Ich ließ mich vom ebn beraten und konnte im Rahmen des Mentorings Kontakte zu Expertinnen knüpfen. Es ergaben sich daraus sehr freundliche Gespräche, die mir bei der Beantwortung meiner Fragen äußerst hilfreich waren.
Aber schauen wir nach vorn. Was plant der Arbeitskreis in diesem Jahr?
2015 liegt der inhaltliche Fokus des Arbeitskreises auf der Situation von Alleinerziehenden, die die Doppelbelastung von Job und Familie allein managen müssen oder die gerade aufgrund der hohen Belastung keinen Job finden. Die bundesweite Statistik zeigt, dass es in Bremen die höchste Rate Alleinerziehender gibt. Bärbel Reimann seufzt: “Man weiß gar nicht, wie manche Frauen das alles alleine schaffen. Unter allen Familien mit Kindern unter 18 Jahren, sind in Bremen ein Drittel alleinerziehend.” Grund genug im Arbeitskreis diverse unterstützende Projekte und Angebote aufzugreifen oder weiterzuentwickeln.
Aber nicht nur das. Mit stets kritischem Auge verfolgt der Arbeitskreis ständig aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und analysiert politische Entscheidungen. Als Beobachtungsinstrument registriert der AK den Wandel des Arbeitsmarktes, reflektiert die Situation aus Geschlechterperspektive und nimmt zu Beschlüssen offiziell Stellung. “Der Arbeitsmarkt ist sehr dynamisch”, sagt Bärbel Reimann und so sei es eine Daueraufgabe des AK, auf die wechselnden Veränderungen zu reagieren.
In der Broschüre des AK lese ich, dass per Gesetz noch bis 1977 Frauen nur dann erwerbstätig sein durften, wenn dies mit den Aufgaben als Haus- und Ehefrau vereinbar schien. Okay, das erscheint heute schier unglaublich und unendlich weit weg. Es hat sich sicherlich viel getan auf dem Weg der beruflichen Chancengleichheit. Aber dann fällt mein Blick wieder auf die rote “Equal Pay Day” Tasche über der Stuhllehne und es ist klar, dass der Weg noch ziemlich lang ist.
Sylvia Noll
Heidemarie meint
Auch ich gehörte dem AK über viele Jahre an. Wie gut, dass es ihn immer noch gibt, wo so viel abgeschafft worden ist. Hier finden Frauen zusammen, die für die Bremerinnen viel geleistet haben bzw. noch leisten.
Ich wünsche, dass es den AK trotz aller Schwierigkeiten noch lange geben wird.