„Fliegen zwischen Traum und Wirklichkeit: Weibliche Piloten in der Geschichte der Luftfahrt“ – so heißt die neue Ausstellung, die seit dem 7. September 2016 im Haus der Wissenschaft besucht werden kann. Die Ausstellung erzählt anhand der Biografien sehr unterschiedlicher Frauen die Geschichte der deutschen Luftfahrt, stets verbunden mit dem jeweiligen historischen Kontext. So erfährt man zusätzlich auch noch etwas über Geschlechterpolitiken.
„…hoch über allen Sterblichen meine Kreise ziehen.“
Amelie Hedwig Boutard-Beese (1886-1925), bekannt als Melli Beese, ist die erste Frau in Deutschland, die die Prüfung für einen Privatpilotenschein ablegte und 1912 ihre eigene Flugschule gründete. Ihr Weg hin zur Pilotin war gekennzeichnet von neidischen und sabotierenden Männern, auch wenn es bereits andere Pilotinnen im damaligen Europa gab. Der Erste Weltkrieg bedeutete einen Einschnitt für die zivile Luftfahrt und somit auch für Melli Beese. Die männlichen Piloten wurden im Krieg zu Helden stilisiert: Mut, Stärke und Tapferkeit galten als typische Charakteristika von Piloten und diese wurden als bezeichnend männlich beschrieben. Das Fliegen wurde endgültig zur Männerdomäne.
Nach dem Krieg war es noch schwieriger für Frauen, das Fliegen zu erlernen. Der Versailler Vertrag beschränkte die Luftfahrt. Mit den technischen Neuerungen waren vor allem die männlichen Piloten vertraut und das Frauenbild sah die Frau nicht unbedingt im Cockpit, sondern am Herd. Die motorisierte Luftfahrt war außerdem sehr teuer: Ausbildung, Reparaturen und Flugzeug mussten selbst finanziert werden.
Trotzdem gab es auch hier Pilotinnen, wie beispielsweise Elly Beinhorn (1907-2007), die während der späten Weimarer Republik ein neues, modernes Frauenbild verkörperte. Bekannt wurde sie mit ihren Flügen nach Afrika und ihre Weltumrundung, wofür sie die Medien feierten.
Während des Zweiten Weltkriegs durften nur Mitglieder der Luftwaffe motorisiert fliegen – also ausschließlich Männer, denn Frauen war dieser Bereich untersagt. Trotzdem gab es auch hier wieder die ein oder andere Ausnahme. Beate Uhse, später bekannt für Sexshops, Thea Rasche und Hanna Reitsch flogen auch während des Nationalsozialismus. Sie ließen sich auf unterschiedliche Art und Weise politisch instrumentalisieren: Hanna Reitsch setzte sich für die Entwicklung von Selbstopfer-Flugzeugen ein, Beate Uhse war 1944 Teil einer Überführungseinheit der Luftwaffe.
Ausnahmen von der Regel
Fliegen als Chiffre von Glück, Freiheit und Abenteuer, so lässt sich wohl die Motivation der hier exemplarisch vorgestellten Frauen am besten beschreiben. Sie alle waren als Pilotinnen Ausnahmeerscheinungen in der von Männern dominierten Welt des Fliegens. Dabei sahen sie sich selbst nicht als Kämpferinnen für eine Öffnung für Frauen in „Männerberufen“. Sie strebten vor allem nach Selbstverwirklichung. Dabei gingen sie ganz unterschiedliche Wege. Ihnen allen ist gemein, dass sie als Frauen immer Randfiguren in einem von Männern bestimmten Beruf waren. Die klassischen Ausnahmen von der Regel also.
Gleichzeitig wurden sie – die Ausnahmen – frauenstereotyp rezipiert. In den zeitgenössischen Medien wurde vor allem über die Kleidung der Pilotinnen diskutiert oder die Tatsache, dass es fliegende Frauen gab, als „Mode der Frau“ bezeichnet. Im krassen Gegensatz dazu steht die Wahrnehmung des Berufs der männlichen Piloten: Dieser wurde mit Technik, Fortschritt und Naturwissenschaften, später mit Militarismus, Nationalismus und Patriotismus verknüpft. Männer wurden zu Helden der Luft stilisiert.
Die erste Pilotin aus Bremen war übrigens Hanna Kunath (1909-1994), die bis ins Alter von 84 Jahren geflogen ist. Nach ihr ist eine Straße in der Bremer Neustadt benannt.
Ein Blick über den Tellerrand beschert uns diese kleine Anekdote: Sabiha Gökçen (1913-2001), eine Adoptivtochter von Mustafa Kemal Atatürk, war die erste Pilotin der Türkei und die erste Kampfpilotin der Welt. Nach ihr wurde einer der beiden Flughäfen Istanbuls benannt.
Pilotinnen heute oder Barbie wird Pilotin
Die Ausstellung wagt auch den Blick in die Gegenwart. Es hat sich viel verändert, das belegt nicht nur das Vorhandensein von Playmobil- oder Barbie-Figuren als Pilotinnen. Trotzdem sind im Jahr 2016 – genau 30 Jahre nachdem die ersten Pilotinnen bei der Lufthansa ausgebildet wurden – lediglich 6% der Pilot*innen bei Lufthansa weiblich. Das liegt vermutlich nicht zuletzt auch an den gängigen Bestimmungen der Fluggesellschaften, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren.
Die von Dr. Maria Hermes-Wladarsch kuratierte Ausstellung ist noch bis zum 27. Oktober im Haus der Wissenschaft zu sehen. Wer das Haus der Wissenschaft kennt, weiß, dass die Räumlichkeiten nicht allzu groß sind. So kann die Ausstellung in einer entspannten Stunde, beispielsweise während der Mittagspause, besucht werden. Der Eintritt ist frei. Es lohnt sich!
Rieke Bubert
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