Sibel Schick wurde 1985 in Antalya in der Türkei geboren und lebt seit 2009 in Deutschland. Die 38-Jährige ist freie Autorin und Journalistin, Kolumnistin, Podcasterin, Speakerin und Social-Media-Redakteurin.Bislang schrieb sie unter anderem für die taz, für das Missy Magazine und für die unabhängige, linke Tageszeitung nd. Außerdem ist sie Herausgeberindes monatlich erscheinenden Newsletters „Saure Zeiten“, in dem sie Autor*innen eine Bühne für Kolumnen gibt und diese kommentiert. Schick postet regelmäßig auf Instagram und X. Mit ihrem Buch „Weißen Feminismus canceln – Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ hält sie im März deutschlandweit Lesungen. Heute, am 13. März 2024 um 20.00 Uhr, liest sie im Kukoon in Bremen.
Worüber schreibt Sibel Schick?
Sibel Schick schreibt hauptsächlich zu den Themen Türkei, Sexismus, Feminismus und den Rechten von Minderheiten. „Weißen Feminismus canceln“ fügt sich daher gut in ihr bisheriges Repertoire ein. Das Leseheft „Deutschland schaff’ ich ab. Ein Kartoffelgericht“ (2019, Sukultur) befasst sich beispielsweise mit den eigenen Rassismuserfahrungen von Schick. 2018 erhielt sie aufgrund eines FAZ-Blogbeitrags und einer von ihr im April 2019 veröffentlichten Tweet-Reihe über Deutschland Drohungen und ihre private Adresse wurde veröffentlicht. Sie wurde so zu einer Betroffenen von Doxing. Mit der Kolumnensammlung „Hallo, hört mich jemand?“ (2020, Edition Assemblage) übt Schick Rassismuskritik und beschreibt diese aus einem feministischen Blickwinkel.
In „Weißen Feminismus canceln“ geht es um die Kreuzung zwischen Rassismus- und Feminismusbegriff. Sibel Schick sieht ein großes Problem darin, dass Feminismus größtenteils die Lebensrealitäten von weißen „Normfrauen“ widerspiegelt. Diese Frauen sind cis-geschlechtlich, heterosexuell, gut situiert, akademisch ausgebildet, haben keine körperlichen Beeinträchtigungen und sind christlich sozialisiert. Darüber redet sie zum Beispiel mit Valerie Eiseler von der Frankfurter Zeitung in einem Interview.
Schick erzählt im Interview etwa von der Grundidee des Feminismus, Gleichberechtigung herzustellen. Wenn weißer Feminismus allerdings nur der weißen „Normfrau“ eine Bühne bietet, baut er weitere Asymmetrien im Machtgefüge auf, indem er nur weiße Frauen auf eine Ebene mit Männern heben will. Dabei werden andere Formen der Diskriminierung ignoriert und marginalisierte Gruppen werden weiterhin verdrängt. Auch die Medien tragen laut Sibel Schick zur Ungleichbehandlung bei. Sie stellt fest, dass viele Medienanstalten vornehmlich privilegierte Sichtweisen wiedergeben. Sibel Schick zufolge halten sie konfrontative Stimmen klein, da diese den Status Quo ändern wollen, von dem Privilegierte profitieren.
Das Problem mit weißem Feminismus
Um zu wissen, wie weißer Feminismus bekämpft werden kann, muss der*die Leser*in zunächst wissen, was es mit dem Begriff „weißer Feminismus“ wirklich auf sich hat. Dazu führt Sibel Schick zunächst mit Definitionen in ihr Buch ein. Einleitend stellt sie klar, dass weißer Feminismus unabhängig von der Hautfarbe betrieben wird. Denn „weiß“ beziehe sich auf das darauf folgende Wort „Feminismus“, was eine feministische Strömung beschreibt, die Diskriminierung nur auf Grundlage des Geschlechts betrachtet. „Weiß“ stehe also nicht für das Äußere eines Menschen, sondern vielmehr für die privilegierte Position in der Gesellschaft, die eine weiße Person durch ihre Hautfarbe einnimmt.
Patriarchale Strukturen in unserer Gesellschaft ermöglichen es Männern, Machtpositionen einzunehmen und somit Hierarchien aufzubauen. Weißer Feminismus befasst sich hauptsächlich mit diesen Hierarchien und weniger mit den Strukturen, die die Hierarchien schaffen. Sibel Schick kritisiert an dieser Form des Feminismus, das Konzept von „Macht“ nicht in Frage zu stellen und die Teilhabe von weißen Frauen an einem ausbeuterischen System zu fordern. „Demnach sollen Frauen einfach lernen, genauso hart zu sein wie jene Menschen, die sie systematisch ausbeuten, und auf ihrem Weg nach oben scheint es legitim zu sein, andere Frauen und mehrfach marginalisierte Menschen auszubeuten und betroffen zu machen“, schreibt sie in ihrem Buch.
Damit sich die weiße „Normfrau“ einen gesellschaftlichen Aufstieg überhaupt leisten kann, ist sie also auf die Ausbeutung marginalisierter Frauen angewiesen. Vornehmlich sind das Reinigungs- und Pflegekräfte im Privaten sowie günstige Arbeitskräfte in den Unternehmen. Da vor allem marginalisierte Frauen in solchen geringfügigen und Teilzeitbeschäftigungen arbeiten, leiden sie weiterhin unter dem System. Weiße Frauen hingegen profitieren laut Schick vom System, weshalb sie es aufrechterhalten wollen. Es liege keine wirkliche Gleichberechtigung vor, was sich in der Abhängigkeit von Privilegien bemerkbar mache. Weißer Feminismus übe keine Systemkritik aus, sondern wolle nur Teil des ausbeuterischen, kapitalistischen Systems werden.
Wie Sibel Schick weißen Feminismus canceln will
Sibel Schick sieht sich selbst als intersektionale Feministin. Der Begriff „Intersektionalität“ wurde Ende der 1980er Jahre von der Juristin Kimberlé Crenshaw geprägt. Er beschreibt die Verschränkung verschiedener Diskriminierungsformen wie auf einer Straßenkreuzung (engl. „intersection“). So ist eine Schwarze Frau beispielsweise nicht nur von Rassismus aufgrund ihrer Hautfarbe und von Sexismus aufgrund ihres Geschlechts betroffen. Da beide Merkmale gleichzeitig bei ihr vorliegen, erfährt sie zudem sexistischen Rassismus und rassistischen Sexismus. Die Kreuzung wird immer größer, je mehr Formen der Diskriminierung hinzukommen. Intersektionaler Feminismus bedeutet laut Sibel Schick, „verschiedene Diskriminierungsformen gleichzeitig zu betrachten und ihre Wirkung auf Betroffene in [die] Lösungsansätze einfließen zu lassen“. Das Ziel von Feminismus müsse sein, diskriminierende Strukturen zu identifizieren, sie zu zerstören, gerechtere Systeme zu entwickeln und damit wirklich alle Menschen gleichzustellen.
Karoline N.
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