Beleidigungen, Cyberstalking, Shitstorms, Digitale Gewalt – Menschen systematisch im Internet anzugreifen wird mit voranschreitender Technik immer einfacher. Jede*r von und kann zu einer Zielscheibe dieser Angriffe werden. Um genau diesem Thema mehr Aufmerksamkeit und Aufklärung zu bieten, veranstaltete HateAid den ersten Digital Awareness Tag in Bremen. Wie du dich schützt und welche Ansprechpartner*innen es gibt, erfährst du hier!
Was ist der „Awareness-Tag“?
Wie reagiere ich, wenn ich mich angreifbar gemacht habe und nun von hunderten an Hass-Kommentaren überspült werde? Wie muss ich handeln, wenn ich selbst oder meine Familie online bedroht wird? Um diese Fragen und weitere zu beantworten, fand am 22. September der erste Bremer „Digital Awareness Tag“ statt – organisiert von HateAid. Es versammelten sich rund 40 Menschen von unterschiedlichster Profession und Erfahrungen mit dem Thema. So waren nicht nur Expert*innen von HateAid, sondern auch Vertreter*innen von Organisationen, Studierende, Betroffene und Interessierte anwesend. Mit dem Awareness Tag wurde eine Plattform für Aufklärung, Austausch und Vernetzung geboten.
Eingeteilt war das Event in eine Vorstellungsrunde, Vorträge, Panel Diskussion, Workshops am Nachmittag und eine abendliche Filmpräsentation – alles kostenfrei.
Schon mal von HateAid gehört?
HateAid – die Austräger des Events – ist eine gemeinnützige Organisation, die Menschenrechte online schützen möchte und sich gegen politische und gesellschaftliche Gewalt einsetzt. Erreichbar ist HateAid per Telefon, Email und Meldeformular. Sie bieten allen Betroffenen Hilfe, Unterstützung und Beratung an, sowohl emotional als auch rechtlich. HateAids Ziel ist die Stärkung der Demokratie im digitalen Raum.
Digitale Gewalt – was ist das?
Diese Frage beantwortete die Leiterin der Beratungsstelle HateAid in einen Vortrag. Digitale Gewalt sei facettenreich, hätte viele Gesichter, auf verschiedenen Plattformen. So kann man beispielsweise Nacktbilder, Cybermobbing, und Hate Speech dazuzählen, aber auch hassvolle Memes, Doxxing und Deepfakes. Einen Artikel von uns zum Thema digitale Gewalt und die vor allem geschlechtsspezifischen Folgen findet ihr hier.
Die Verletzungen der Menschenrechte findet nicht nur auf Social Media statt, sondern auch auf Messenger-Plattformen, bei online Bewertungen von Produkten, dem Gaming Umfeld oder auch auf Ebay Kleinanzeigen. Täter fühlen sich sicher und anonym im Netz, wodurch die Überwindungsschwelle zu hassvollen Äußerungen und Aktionen gegenüber Fremden deutlich niedriger ist als in der offline Welt. Die schwere Gewichtung dieser Themen wird einem besonders bewusst mit dem Wissen, dass die menschliche Psyche nicht zwischen online und offline Gewalt unterscheiden kann.
Die häufigsten Zielgruppen der Angriffe seien Politiker*innen, Journalist*innen, Aktivist*innen – also Menschen die besonders präsent in den Medien vertreten sind. Angehörige von marginalisierten Gruppen haben zudem mit mehrfach Diskriminierung zu kämpfen. Nicht überraschend ist zudem, dass 62% der Betroffenen, die sich bei HateAid melden, weiblich seien.
Wie kannst du dich schützen?
Besonders wichtig ist die IT Sicherheit. So solltest du dir die Zeit nehmen, um Zwei-Faktor Authentifizierungen einzurichten. Des weiteren wird ein Passwort-Manager empfohlen. Mit diesem können komplexe Passwörter auf Plattformen verwendet werden, die nicht einfach zu knacken sind. Auch wichtig ist, dass man sich vor Phishing schützt, also vor dem Versuch, illegal Daten mittels gefälschter Webseiten, E-Mails oder Nachrichten zu erhalten. Hinterfrag immer die Motive der Email! Sind diese glaubhaft? Achte auf die Endungen von Dateien, Beispiele für schädliche Endungen sind “.exe, .cs, .jar, .xlm, .docm …).
Ein weitere Tipp ist es, den eigenen Namen in eine Suchmaschine einzugeben. Willst du die Informationen, die auftauchen, in der Öffentlichkeit haben? Machst du dich durch diese angreifbar? Ist beispielsweise deine Adresse öffentlich verfügbar? Denk daran deine Adresse aus Registerlisten, Wahllisten oder von deiner E-Mail Signatur zu entfernen. Sei vorsichtig mit dem veröffentlichen von Fotos von deiner Straße, Viertel oder Haus. Für weitere Informationen lese gern HateAids Flyer zu dem Thema.
Du kannst dich wehren!
Wenn man im Netz attackiert wird, fühlt man sich meist allein und hilflos. Doch das ist nicht der Fall. Das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Gegen Angriffe kann man sich auch im Internet rechtlich wehren: Der neue “Digital Service Act” soll klare Regeln aufzeigen oder es kann über die Zivil-Strafverfahren gehandelt werden. Für viele ist der rechtliche Wege jedoch kein einfacher: Alleine juristische Dokumente ausfüllen oder mit der Polizei sprechen, kann belastend sein. Dafür gibt es Projekte und Organisationen in Bremen, die den Betroffenen direkt hier vor Ort helfen und Beratung leisten. Der Awareness Tag bot mehreren Organisationen neben HateAid die Möglichkeit, sich vorzustellen.
Eine dieser eingeladenen Organisationen war “soliport”. Sollte man Opfer rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt werden, bietet soliport Beratung und Hilfe für mögliche Handlungen an. Es wird sowohl eine psychologische Beratung geboten als auch Kontaktvermittlung, Begleitung und eine Vor- und Nachbereitung von Gerichtsverfahren. Die Organisation hat ihren Sitz in Bremen und Bremerhaven und bietet ihre Dienste unabhängig von Behörden kostenlos an.
Auch das unabhängige Dokumentations- und Webprojekt von soliport „keine-randnotiz.de“ war durch zwei Mitarbeitende vertreten. keine-randnotiz dokumentiert und verortet rechte, rassistische, queerfeindliche und antisemitistische Gewalt und Vorfälle in Bremen und Bremerhaven auf einer online Karte. Auf der Webseite kann sich durch die Berichte und Tatorte geklickt werden und eigene Erfahrungen melden. Das Ziel des Projektes ist die Gewalt sichtbar zu machen und eine Verharmlosung des Themas nicht zu zulassen. Nach dem Motto: “Hinschauen statt Wegschauen – rechte, rassistische und antisemitische Vorfälle und Angriffe gehen uns alle an!”
Zudem stellte sich das “MBT” vor, das mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus. MBT bietet ebenfalls Beratung, Hilfe, Vernetzung, Recherche- und Bildungsarbeit zu den Themen Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und allen weiteren Formen an Menschenfeindlichkeit an. Das Leitmotiv: Die Förderung und Stärkung der demokratischen Kultur.
Unsere Meinung zur Veranstaltung
Die frauenseiten waren beim Awareness-Tag durch die zwei Freiwilligen Isabella und Vivien vertreten.
Isabella: “Ich war positiv überrascht von der Veranstaltung! Ich dachte, dass ich schon ganz gut über digitale Gewalt Bescheid weiß, aber ich habe wirklich viel Neues gelernt an dem Tag. Besonders gut fand ich, dass HateAid lokale Organisationen und Projekte den Raum geboten hat, sich vorzustellen. Ich kannte vorher keins der Projekte. Durch die verschiedene Programmpunkte wurde es nicht langweilig und viele verschiedene Menschen kamen zu Wort. Wirklich toll organsiert und ich freue mich schon auf den nächsten Awareness-Tag in Bremen!”
Vivi: „Vor der Veranstaltung war ich etwas ratlos, was da auf mich zukommen wird. Geht es wieder nur um Datenschutz? Jetzt im Nachhinein hoffe ich sehr, dass HateAid noch weitere Awareness-Tage organisiert. Es trafen viele verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Umfeldern und Bezügen zum Thema zusammen, was ich besonders spannend fand. Zudem fühle ich mich nun viel sicherer mit dem erworbenen Wissen über digitale Gewalt. Sollte ich nun irgendwann einmal Opfer dieser werden, dann weiß ich, an wen ich mich wenden kann und nicht alles verloren ist.
Redaktion frauenseiten Vivi und Isabella
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