Kennt ihr das noch aus der Schule? „Mein schönstes Ferien-Erlebnis“, so hieß das Thema des Aufsatzes, der zu schreiben war, wenn die Ferien vorbei waren. Also berichten auch wir aus unserer Sommerpause. Nun ist es zwar nicht unbedingt das schönste Ferien-Erlebnis, der Besuch bei Barbie, aber doch eins, das der Erwähnung wert ist.
Ich selbst hatte nie eine. Wollte auch nie eine. Und gehöre der Generation an, die ihren Töchtern die Barbie am liebsten verboten hätte – wenn auch nicht immer erfolgreich. Aus den bekannten Gründen: blond, weiß, reich, vollkommen unrealistischer Körperbau – sie kann nicht mal alleine stehen – auf Äußerlichkeiten fixiert, verstärkt ein traditionelles Frauenbild und hergebrachte Rollenklischees und ist geradezu ein Symbol für die Oberflächlichkeit der Konsumgesellschaft. Denn für die vielen unterschiedlichen Figuren und Szenarien muss sehr viel Geld ausgegeben werden. Also eindeutig unfeministisch. Absolut abzulehnen.
Die Ausstellung
Nun läuft in Emden im Ostfriesischen Landesmuseum die Ausstellung Busy Girl – Barbie macht Karriere. Das wollte ich mir doch mal ansehen. Ein nicht ganz ernst gemeinter Ausflug in der Sommerpause. Also fuhr ich nach Emden, um meine (Vor-) Urteile bestätigen zu lassen – oder aber vielleicht zu revidieren. Mit dabei: zwei feministische Freundinnen. Wie erwartet empfing uns in verschiedenen Schaukästen: Glitzer, rosa, pink und viele viele verschiedene Barbie-Puppen aus unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichsten Ausführungen. Wir bewunderten die Raffinesse der Kleidung und Ausstattung. Zwar schien die Stichgröße der Nähte etwas grob im Verhältnis zur Größe der Kleider. Aber es gab auch feinste Strickwaren. Selbst Mini-Reißverschlüsse, die so aussahen, als seien sie tatsächlich funktionstüchtig, also auf- und zuzumachen. In den frühen Ausfertigungen die Szenerie aus Pappe – heute würden wir lobend sagen: umweltfreundlich. Später dann viel Plastik. Barbie zunächst als nicht berufstätige Mittelstands-Hausfrau mit schicker Garderobe. Bald dann aber auch in unterschiedlichsten Berufen, gar Vorzeige-Tätigkeiten: Barbie als Ärztin, Business-Frau, sogar Astronautin.
Aber: stehen kann sie immer noch nicht alleine. Die Figuren waren auf – teilweise gut verborgenen – Ständern fixiert. Und wenn frau genau hinguckte, entdeckte sie, dass die Puppenbeine in der Regel für High Heels konzipiert waren. Selbst die Barbie in der Berufskleidung einer Krankenschwester trug zwar Sneakers an den Füßen, diese hatten aber bei genauem Hinsehen hohe Absätze. Ob die reale Pflegekraft damit eine Acht-Stunden-Schicht durchhalten würde?
Die reale Welt
Dagegengesetzt Zeittafeln mit Daten und Erklärungen zur Geschichte der Emanzipation. So gab es die erste Barbie-Raumfahrerin bereits zwei Jahre, nachdem die Russin Walentina Tereschkowa als erste Frau ins Weltall geflogen war – aber 18 (!) Jahre, bevor die erste Amerikanerin, Barbies Landsfrau Sally Kirsten Ride, in den Orbit aufbrechen durfte.
Und – das war das eigentlich Interessante für uns: eine Zusammenstellung der einschlägigen Daten der (bundes-) deutschen Frauenbewegung im Kampf gegen patriarchale Zumutungen. Wir werden daran erinnert, dass in der Bundesrepublik Deutschland bis 1958 ein Mann das Arbeitsverhältnis seiner Ehefrau kündigen, über ihr Vermögen verfügen, den Wohnort bestimmen konnte und sie seine Erlaubnis oder die ihres Vaters brauchte, um einen Führerschein machen zu können. Barbie dagegen war 1959 als Mannequin – heute würden wir sagen: Model – beruflich etabliert, ohne dass es einen Vater oder Ehemann gegeben hätte, der es ihr erlaubten musste.
Und seit 1961 reiste sie als Flugbegleiterin um die Welt. Dann folgten weit über hundert andere Berufe. (Seit 1999 besitzt sie einen Pilotenschein und eine eigene Airline…) Und während Barbie bereits 1973 als Astronautin unterwegs war, war die bundesdeutsche Ehefrau bis 1976 gesetzlich verpflichtet, den ehelichen Haushalt zu führen. Das hieß natürlich: ohne die Beteiligung des Mannes. Wie das wohl vom Weltraum aus zu bewerkstelligen gewesen wäre?
Fazit dieser Exkursion
Barbie bleibt auf jeden Fall eine schillernde „Persönlichkeit“ und die Ausstellung liefert eine ganze Reihe von aufschlussreichen Informationen über die Entwicklung der Figur und der realen Geschichte, auf deren Hintergrund sie entstand und sich veränderte. Wenn ihr in der Nähe seid oder hinfahren mögt, könnt ihr euch selbst ein Bild machen: die Ausstellung ist mehrfach verlängert worden und läuft noch bis zum 23. Oktober 2022.
Irene Meyer-Herbst
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