Zur Ausstellung Beate Kortkamp: In Sichtweite
In Sichtweite: das heißt: Nicht in die Ferne schweifen Blick und Gedanken, sondern die Nähe, das Naheliegende wird hier in den Fokus genommen. Erstaunlicherweise stellt man dabei oft und immer wieder fest, dass man da etwas übersehen hat. Dies hat Beate Kortkamp zum Anlass genommen, etwas genauer hinzuschauen.
Was sehen wir nun? Beim Betrachten der Bilder sind wir wohl zunächst irritiert und verunsichert. Das, was wir zu sehen meinen – ist es irgendwie nicht, oder nicht ganz – und dann ist da noch etwas anderes, was da gar nicht hingehört – oder doch? Oder umgekehrt?
Das macht uns neugierig.
Wir erkennen nichts Genaues, nichts Ganzes, keine realen Räume. Wir erkennen Teile, einzelne Dinge, die miteinander verwoben sind: Türen, Fenster, Bäume, Dächer, Möbel, Wohnaccessoires. Wir erkennen ein davor oder dahinter, Vordergrund und Hintergrund wechseln. Nichts ist klar.
Es sind Spiegelungen, die Beate Kortkamp in ihrer Wohnung entdeckt, fotografiert, um sie dann mit Acrylfarbe in Malerei umzusetzen. Dabei werden Farben fein moduliert, verfremdet oder intensiviert, Formen zusammengefasst, Details herausgehoben, die dann durch markante Fenster- und Türrahmen umfangen werden und den Blick auf eine vermeintliche Ferne lenken. Spiegelungen, die von der Künstlerin malerisch aufgenommen und gestaltet werden: Innen und Außen, Nahes und Fernes durchdringen sich, lassen Einblicke und scheinbare Perspektiven, Raumillusionen entstehen und schaffen immer neue Bildräume. Spiegelungen in vielen Variationen, die ein genaues Erkennen verhindern und ein genaueres Hinsehen herausfordern. Spiegelungen werden zum Ausgangpunkt für Spiegelbilder.
Nun geht es in der Malerei schon lange nicht mehr um ein Abbilden von Realität. Auch Sinneseindrücke, Imaginationen werden Gegenstand der Darstellung: wie der flüchtige Augenblick einer Spiegelung, der im nächsten Augenblick wieder ausgelöscht sein kann. Sonneneinstrahlung oder anderer Lichteinfall verstärkt den Effekt, Schatten verändern ihn oder lassen ihn verschwinden.
Im Spiegelbild sehen wir Reales, aber nicht die Realität; allemal zeigt es uns die Gegenstände, die Szenen, die Welt seitenverkehrt. Es zeigt nicht ein Ganzes, sondern einen Ausschnitt, und diesen Ausschnitt auch nur teilweise, bruchstückhaft; denn dadurch, dass sich andere Ebenen, Gegenstände, Zimmerwinkel, das Draußen oder Drinnen mit hinein mischen, wird Getrenntes und sogar Entferntes zusammengesehen. Das, was wir sehen ist ein Trugbild, es sind Täuschungen. Das reflektierte Spiegelbild erscheint gleichzeitig als Ansicht und Durchsicht und Aussicht: Einblick – Ausblick – Durchblick – um den wir uns immer bemühen und der ebenfalls durch Einwirkungen erhellt oder getrübt wird.
Der Blick – und die Gedanken – wandern. Das „in Sichtweite“ entpuppt sich als scheinbar, denn die Wahrnehmung geht durch das Bild und über es hinaus und öffnet wieder neue Räume – Phantasieräume. Die so ausgelöste Kommunikation mit den Bildern ist wie ein intelligentes Spiel und führt zu immer neuen Fragen, Assoziationen und Gedankengängen.
Der Künstlerin ist es gelungen, uns über die zunächst banale Wahrnehmung einer Spiegelung ein äußerst reizvolles Rätsel und Suchspiel zu präsentieren, das unendliche Phantasien und Gedankenketten auslösen kann – und damit zeigt, dass sich Wahrnehmungen auch als brüchige Behauptungen entpuppen können, die so vielleicht nicht stimmen und ein Hinterfragen, einer kritischen Reflexion, eines Perspektivwechsels bedürfen.
Regina Contzen
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