Sport scheint innerhalb der letztzen Jahre wieder an Anhänger*innen zu gewinnen. Gerade durch die Einschränkungen aufgrund von Corona haben viele Menschen ihre Freude an der Bewegung nach dem Lockdown (wieder) gefunden. Gerade aufgrund dessen sollte der Bereich der Bodypositivity im Sport einmal genau betrachtet werden. Ein Thema, welches für einige Menschen sehr präsent, für andere kaum greifbar ist.
Was ist Body-Positivity?
Body-Positivity ist ein Begriff, der in den letzten Jahren immer wieder in den Medien auftaucht. Mit diesem ist gemeint, dass man jedem Körper mit Respekt begegnet. Alle Körper sind demnach als wertvoll zu erachten, unabhängig von Form und Gewicht. Den momentanen Zustand seines Körpers ebenso zu akzeptieren, wie die Veränderungen, die er durchlaufen wird.
“Body Positivity bedeutet, jedem Körper mit Respekt zu begegnen. Wobei eine Grundlage dafür die Erkenntnis ist, dass alle Körper gleich wertvoll sind, d. h., von Körperformen kann man nicht auf die Persönlichkeit eines Menschen schließen. Body Positivity wirkt dabei auf zwei Ebenen: der personalen (individuell) und der sozialen (systemisch), wobei diese Wirkebenen ineinander greifen.” (Stangl, 2022).
Die beiden Ebenen sind nicht klar voneinander zu trennen, sie greifen ineinander über. Beim personalen Aspekt geht es darum, dass die Person sich selbst, in dem jetzigen Zustand respektiert und akzeptiert. Die soziale Ebene bezieht sich auf die gesellschaftliche Ansicht. Hierbei liegt der Fokus darauf, dass nicht vom Körper auf den Charakter und die Person geschlossen werden soll. Außerdem soll daran erinnert werden, dass alle Körper gleichwertig sind.
Der Fokus liegt bei dieser Bewegung nicht alleine auf den Menschen, die übergewichtig sind. Vielmehr geht es darum, nicht von der Körperform und dem Gewicht auf Charakter, Gewohnheiten und Lebensstil zu schließen.
2012 veröffentlichte das Forscherteam des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas Erkrankungen in Leipzig eine Studie zum Thema Vorurteile gegenüber übergewichtigen Menschen. Bewegungsfaul, übermäßiges Essen, faul und langsam waren laut dieser Studie Eigenschaften, mit denen Übergewichtige in Verbindung gebracht werden.
Sport zum Abnehmen
Ob auf Social Media oder im Alltag, oftmals umgibt einen die Erwartung, Sport sei vorrangig zum abnehmen gedacht. Gerade FLINTA* im Sportstudio, die nicht dem Schönheitsideal der Medien entsprechen, bemerken dieses sehr häufig. Ihnen werden beim Erstellen eines Trainingsplans intuitiv Abläufe erstellt, die die Abnahme fördern sollen. Von Mittrainierenden werden übergwichtige Menschen oft komisch/kritisch angeschaut, sollten diese sich im Freihantel Bereich befinden. Und nicht wie von ihnen erwartet in der Cardio Ecke. Die Frage nach einer Abnahme scheint ein häufiger Begleiter im Sportstudio zu sein.
Dabei liegt der Fokus nicht bei jedem Menschen darauf, Gewicht zu verlieren. Das generell davon ausgegangen wird, man trainiere um abzunehmen sobald man übergewichtig ist, sehe ich als einen starken Kritikpunkt in unserer Gesellschaft.
Die Gründe für Sport und Bewegung sind vielfältig: Muskelaufbau, medizinische Gründe, den Wunsch, sich in einer Gruppe aktiv zu beteiligen oder aber auch abnehmen. Sport hilft bei vielen Krankheiten und ist auch für die psychische Gesundheit des Menschen wichtig. MS Betroffenen wird geraten, sich regelmäßig sportlich zu betätigen um die Muskulatur zu stärken. Bei Depressionen wird ebenfalls zu Sport geraten. Da man unter anderem von seinen negativen Gedanken abgelenkt wird. Zum anderen kann das “sich selber spüren” dabei helfen, das Selbstwertgefühl zu stärken.
Sportliche Aktivitäten sollten bezüglich ihres Zwecks nicht verallgemeinert werden. Jeder Mensch hat eine individuelle Motivation, Sport zu betreiben. Es sollte demnach nicht aufgrund der Körperform auf den Grund für den Sport geschlossen werden.
Erfahrungen
Als übergewichtige Frau, habe ich schon viele Erfahrungen bezüglich der Reaktion auf meine sportliche Aktivität von anderen Menschen gesammelt. Ich war bereits als Kind “moppelig”, habe mich aber stets gerne und viel bewegt.
Beim Handball
Spätestens im Teenageralter wurde dieser Spaß an der Bewegung jedoch mit dem Ziel, dass ich abnehmen wolle, verbunden. Gleichzeitig bekam ich schiefe Blicke, wurde kritisch beobachtet und meine Leistung wurde von Anfang an angezweifelt, bevor man diese sah. Besonders als ich Handball spielte, und das mit beginnenden Fokus auf Leistungssport, wurde dies deutlich. Mein Team stand hinter mir, sie wussten bereits was ich leisten konnte. Bekamen wir jedoch neue Zuschauer*innen, FLINTA*, die sich unser Team anschauen wollten oder brachte jemand eine Freundin mit, kamen die kritischen Blicke wieder zum Vorschein. Man ging automatisch davon aus, dass ich im Tor spielen würde. Da dies die Position mit der wenigsten Bewegung und gleichzeitig dem größten Vorteil, aufgrund meiner Breite sei. Mehrmals kam ein “wirklich?” als Zwischenruf, sobald deutlich wurde, dass ich stattdessen eine sehr aktive Position spielte.
Im Fitnessstudio
Auch im Fitnesstudio bekomme ich bis heute gemischte Reaktionen. Schiefe Blicke, sobald ich im Freihantelbereich bin, gehören für mich zum Alltag. Auch habe ich aufgehört, mir von den studioeigenen Trainer*innen Pläne erstellen zu lassen. Es kam mehrfach vor, dass diese einzig auf eine schnelle Gewichtsabnahme zielten und nicht auf den Muskelaufbau, wie es mein Wunsch ist. Auch als ich die Trainer*innen darauf hinwies, was mein Ziel ist, wurde ich nicht ernst genommen. Stattdessen wurde mir versucht einzureden, dass Abnahme das einzig Wichtige für jemanden mit meinem Gewicht sein sollte.
Mir wird bis heute nicht geglaubt, dass ich bereits seit Jahren Sport treibe und wie oft ich wöchentliche sportlich aktiv bin. All das aus dem Grund, dass ich eine überwichtige Person bin. Sich bis heute die Vorurteile halten, dass ich alleine zum abnehmen Sport betreibe, generell faul bin und wenig Ahnung vom Sport habe.
Bodypositivity in den Medien
In den Medien scheint sich über die letzten Jahre der Trend zu zeigen, auch übergewichtige Personen zu integrieren. Besonders bekannt wurde in diesem Sinne die Kleidermarke “Nike” als sie eine Schaufensterpuppe ausstellte, welche nicht wie die Sonstigen eine dünne Silhouette hatte, sondern offenkundig eine übergewichtige Person darstellen sollte. Für diese Aktion bekam Nike Kritik, sowohl negative als auch positive. Vor allem das Argument, dass Nike damit für Übergewicht werben würde, war ein großer Punkt. Ein Beispiel hierfür ist die britische Zeitung “The Telegraph”, die als Kritik an der Aktion von Nike einen Online-Artikel veröffentlichte. In diesem wird darauf eingegangen, dass Nike Übergewicht als etwas Positives anpreisen würde, ebenso dass überwichtige Menschen keinen Sport betreiben würden und somit diese Werbung eine Lüge sei. Der Artikel bekam viel Kritik auf Social Media.
Meiner Meinung nach, zeigte diese Aktion von Nike jedoch genau das, was Sport sein soll: für alle Menschen, unabhängig von ihrem Gewicht zugänglich. Dies beinhaltet auch die Kleidung.
Plus-Size Sportkleidung
Verschiedene Marken wie fabletics und POPFLEX zeigen ihre angebotene Kleidung an unterschiedlichen Körperformen und zeigen somit eindeutig auf, dass Sport für alle Körpertypen geeignet ist. Hierbei ist erneut zu beobachten, dass die Outfits nicht die Intention zu verfolgen scheinen, die Körperform zu verstecken. Vielmehr scheint bei diesen Beispielen das Hervorheben der individuellen Körperform im Vordergrund zu stehen.
“Always” Werbespot
Auch die Bindenmake “Always” zeigt in ihrem neusten Werbespot auf, dass Sport nicht nur für idealgewichtige Menschen zugänglich ist. Idealgewicht meint in diesem Zusammenhang die Richtlinien der WHO, welche einen BMI zwischen 18,5 und 24,9 meint. Ab einem BMI von 25 gilt man als Überwichtig. In diesem sieht man eine Frau, welche eisläuft und davon erzählt, dass ihre Periode sie dabei nicht aufhalten wird. Dieser Werbespot ist aus mehreren Gründen gelungen. Zum einen zeigt er eine übergewichtige Person, die Spaß an einer Sportart hat, ohne zu erwähnen, dass diese zum Abnehmen betrieben wird. Außerdem sieht man dort, dass sie andere Menschen auch unterrichtet. Dies zeigt auf, dass Menschen ohne ein Idealgewicht als Vorbild im Sport dienen können. Als letztes trägt die Frau im Werbespot keine weiten Klamotten, um ihre Figur zu kaschieren, sondern typische Kleidung beim Eislaufen: Eng anliegend und wärmend. Somit versteckt sie ihre Figur nicht, wie es oft in der Klamottenindustrie gezeigt wird, sondern zeigt ihren Körper, in dem sie sich offensichtlich wohlfühlt, fit ist und glücklich. Außerdem ist dies die erste Werbung, in der Periodenblut farbgetreu gezeigt wird. Auch dies ist wichtig in Hinblick auf Enttabuisierung und Sichtbarkeit von der Periode in der Gesellschaft.
Medienfokus
In den Medien hält sich aber auch weiterhin der Fokus der Abnahme. In vielen Magazinen gibt es sportliche Übungen, die genau darauf den Fokus legen. Personaltrainer*innen werben damit, dass man mir ihrem Programm am effizientesten Abnehmen kann. Den Körper zu definieren, bestimmte Bereiche zu trainieren und sich wohl zu fühlen, diesen Fokus findet man selten, auch wenn der Trend tendenziell dahin führt. Auch Übungen, mit denen man gezielt an bestimmten Bereichen abnehmen kann, halten sich hartnäckig. Youtuber*innen wie Pamela Reif und Chloe Ting werben in ihren Videos vermehrt damit, bestimmte Körperregionen zu trainieren und gezielt in diesen abzunehmen.
Medizinischer Aspekt
Sport ist gut für den Menschen. Er regt den Kreislauf an, stärkt die Muskulatur und sorgt für das Ausschütten von Glückshormonen. Außerdem fördert regelmäßige Bewegung die Konzentrationsfähigkeit, da die Durchblutung in verschiedenen Hirnarealen steigt. Das Immunsystem kann ebenfalls gestärkt werden und auch ein besserer und erholsamerer Schlaf kann durch regelmäßige sportliche Aktivität verbessert werden.
Jedoch gibt es durchaus Nachteile. Diese sind allgemein, können jedoch bei übergewichtigen Menschen verstärkt auftreten. Greade wenn falsch trainiert wird, kann der Körper zu schaden kommen.
Joggen ist eine beliebte Art, den Körper in Schwung zu bringen und seine Ausdauer zu verbessern. Jedoch sorgt der Bewegungsablauf beim Laufen dafür, dass sich Knorpel und Gelenke schneller abnutzen. Die Gefahr von Arthrose ist erhöht. Ähnlich verhält es sich mit Eiskunstlauf. Bei den Sprüngen und Figuren werden die Knorpel und Gelenke sehr stark belastet, für den Körper ist es demnach nicht förderlich dies oft zu tun.
Sport bei Übergewicht
Sobald man als übergewichtige Person diese Sportarten ausübt, erhöht sich verständlicherweise das Risiko für Verletzungen und Abnutzung, da das Gewicht dementsprechend höher ist. Jedoch bedeutet dies nicht, dass man diesen Sport deswegen nicht ausüben kann. Die Abläufe können an das Gewicht angepasst werden, wodurch das Risiko gesenkt wird. Anstatt 30 Minuten am Stück zu joggen, können kleinere Intervalle gelaufen und andere gejoggt werden. Auch das richtige Schuhwerk und der richtige Untergrund kann helfen, die Belastung zu reduzieren.
Ein weiterer wichtiger Schritt kann sein, seinen Arzt oder seine Ärztin zu konsultieren. Wenn diese*r mit dem gesundheitlichen Zustand vertraut ist, kann geschaut werden, wie der angestrebte Sport am besten und risikoärmsten ausgeführt werden kann. Jede Person, unabhängig vom Gewicht, sollte bei regelmäßigem Sport mit seinem Arzt oder seiner Ärztin im Gespräch sein, um mögliche Schäden zu reduzieren. Die Schäden durch den Sport müssen nicht unbedingt mit dem Gewicht zusammen hängen.
Bekannte Plus-Size FLINTA*
In den letzten Jahren wurden auf Social Media verschiedenen Personen bekannt, die aus der Norm ihrer Sportart ausbrechen. Mit Norm ist in diesem Fall gemeint, dass bestimmte Sportarten mit einem gewissen Körpertyp in Verbindung gebracht werden.
Die Balletttänzerin Lizzy Howell ist übergewichtig und trotzdem in ihrem Sport sehr gefragt. Auf ihrem Instagram Account zeigt sie sich aktiv bei ihrer Passion und hat viele Supporter*innen. Gerade als Ballerina liegt weiterhin der Fokus auf idealgewichtigen Menschen. Bei der Vorstellung einer Tänzerin wird sich oftmals noch eine dünne, große Frau vorgestellt. Lizzy Howell bricht somit mit ihrer Körperform aus dieser Vorstellung aus.
Katelyn Ohashi eroberte 2019 mit ihrer Michael Jackson Kür im Turnen das Internet. Auch beim Turnen gilt weiterhin ein traineirter, aber dennoch schlanker Körper als Norm. Katelyn Ohashi bricht aus dieser Norm aus. Sowohl mit ihrer Körperform, als auch mit ihrem Programm und ihrer Musikwahl. In einer Dokumemtation äußert sie sich bezüglich dem Druck, abnehmen zu müssen, um in die körperlichen Normen von diesem Sport zu passen.
Diese beiden sind nur Beispiele. Es gibt viele weitere FLINTA*, die den gesellschaftlichen Erwartungen des Sports trotzen. Und somit ihrer Leidenschaft folgen, unabhängig von ihrem Gewicht und ihrer Körperform.
Jeder Körper ist wertvoll, genau wie er ist. Die Körperformen sind vielfältig und jede Einzelne von ihnen sollte so akzeptiert werden, wie sie ist. Unabhängig davon, was die Gesellschaft einem aufzeigt, sollte vor allem eine Person sich in dem Körper wohlfühlen – man selber. Betreibe die sportliche Aktivität, die dir gefällt, mit dem Ziel, welches du verfolgst, unabhängig davon, was andere Dir raten.
Yvonne Weber
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