Die Frauen hinter dem Genie eines genialen Musikers werden oft nur als Randnotiz in der Geschichte vermerkt. Als Ehefrau eines großen Künstlers gehen die eigenen Errungenschaften oft im Glanz des Ehemannes unter und werden nicht beachtet. Im Falle von Richard Wagner jedoch hat es seine zweite Frau Cosima geschafft, sich aus dem Schatten ihres bekannten Ehemannes heraus zu entwickeln. Autor und Biograph Oliver Hilmes, der schon ein Buch über das Leben von der Künstlerehefrau Alma Mahler-Werfel veröffentlichte, hat in seinem Werk Herrin des Hügels: Das Leben der Cosima Wagner das Leben der Frau hinter Richard Wagner und den Bayreuther Festspielen dokumentiert und zeichnet das Bild einer faszinierenden Ehefrau und Organisatorin.
Künstlerkind und Künstlerfrau
Oliver Hilmes führt mit Eloquenz die Leser*innen in das Leben von Cosima ein. Als Tochter von Franz Liszt war Cosima die musikalische Begabung und Affinität förmlich in die Wiege gelegt. Während Franz Liszt als gefeierter Meister am Klavier Europa bereiste, wurden sie, ihre Schwester Blandine und ihr Bruder Daniel in Paris von einer Gouvernante erzogen und in die strenge Etiquette der Gesellschaft eingeführt. In erster Ehe verheiratet mit Hans von Bülow, einem Dirigenten und ehemaligen Schüler Wagners und Liszts, verkehrte sie in den höheren künstlerischen Kreisen Europas. Cosima vermisst in eigener Aussage in ihren Tagebüchern eine entscheidende Rolle im Leben mit Hans: Sie wolle nicht nur Partnerin, sondern vor allem Muse sein. Auch Hans schien bewusst, dass er Cosima als Mann nicht genügt.
Das Dreieck: Cosima, Richard und Hans
Obwohl sie den fast 25 Jahre älteren Richard Wagner schon als Freund ihres Vaters kannte, entwickelte sich die Beziehung zwischen den beiden erst, als Cosima schon länger mit Hans von Bülow verheiratet war und mit ihrem Mann auf Einladung Wagners nach Bayern zog, wo Hans zur Unterstützung Wagners am Hofe von Ludwig II. arbeiten sollte. Dort lebten von Bülow, Wagner und Cosima lange in einer eigenwilligen Menage à Trois. Erst nachdem Cosima Richard Wagner drei Kinder in dieser Zeit gebar, wurde die Ehe geschieden. Keinen Monat nach der offiziellen Scheidung von Hans von Bülow im Jahre 1870 schlossen Richard Wagner und Cosima den Bund der Ehe, der bis zum Tode Wagners in 1883 halten sollte. Schon während Wagners Lebzeiten wurden die ersten Bayreuther Festspiele gehalten und Cosima übernahm nach dem Tod ihres Mannes deren Leitung der Festspiele, die sie bis 1906 beibehalten würde. Ihre strenge Hand in der Führung der Festspiele, vor allem ihr Festhalten an den Vorgaben des Meisters, wie sie ihren Mann oft nannte, waren ein wiederholter Grund für Auseinandersetzungen mit den künstlerischen Leitern.
Wagner, der Antisemit?
Oliver Hilmes bleibt den Menschen in ihrem Original treu und kehrt keine noch so unschöne Seite unter den Teppich. Wagners Antisemitismus wird ebenfalls nicht versteckt. Betont wird jedoch richtigerweise, dass man Wagner schnell als den Komponisten der Nationalsozialisten sieht, obwohl Wagner lange verstorben war, als Adolf Hitler und die NSDAP auf der politischen Bühne erschienen. Dass der große Komponist aber klar judenfeindlich dachte, zeigt sich wiederholt in seinen eigenen Tagebucheinträgen. Auch Cosima unterstützte Richard Wagners Antisemitismus und kann eher mit den nationalsozialistischen Tendenzen nach dem ersten Weltkrieg in Verbindung gebracht werden. Vor allem ihre Kinder Siegried Wagner und Eva Chamberlain, sowie deren Partner Winifred Wagner und Stewart Houston Chamberlain, verstärkten die heutige Assoziation von Richard Wagners Erbe und Bayreuth mit den Nationalsozialisten.
Ein Stück Musikgeschichte
Hilmes‘ Werk ist gespickt mit zahlreichen direkten Zitaten, seien es Briefe an und von Zeitzeugen, Richard Wagners eigens verfasster Autobiographie oder Cosima Wagners Tagebucheinträgen. Zugriff zu diesen exklusiven Materialen fand Hilmes in den Archiven der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth und hat aufgrund dieser authentischen Materialien das Leben der Cosima Wagner in präziser und fesselnder Manier eingefangen. Nicht nur der direkte Einblick in die Entstehungsgeschichte der Bayreuther Festspiele, sondern auch die Dokumentation des Lebens einer Frau zwischen Künstlern wie Franz Liszt und Richard Wagner unterscheiden dieses Werk von anderen Biographien. Für alle, die klassische Musik lieben, heimliche „Wagnerianer“ sind oder auch einfach nur auf der Suche nach einer faszinierenden Lektüre sind, ist dieses Buch genau richtig.
Auf der Webseite von Oliver Hilmes könnt ihr mehr über den Autor und seine anderen Biographien erfahren.
Kim-Nicola Hofschröer
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