An anderer Stelle stellten wir euch eine Biographie zu einer der großen Frauen der deutschen Musikgeschichte vor, nämlich Cosima Wagner. Autor Oliver Hilmes hat ebenfalls das Leben einer anderen Frau beleuchtet: Alma Mahler-Werfel, einer bedeutenden Persönlichkeit des frühen 20. Jahrhunderts, die zwischen Ehen mit Künstlern und verschiedenen Lebensorten Europas ein spannendes Leben führte.
Wer ist Alma Mahler-Werfel?
Alma Mahler-Werfel, geborene Schindler, wurde 1879 als Tochter von Emil Jakob Schindler und dessen Frau Anna geboren. Als Tochter eines Landschaftsmalers und einer Opernsängerin wurde ihre Bildung erschreckend vernachlässigt. Es waren hauptsächlich ihre Eltern, die sich darum kümmerten. Nach dem Tod ihres Vaters heiratete Anna Schindler den Maler Carl Moll und Alma wuchs zwischen Künstler*innen auf. Sie selbst spielte und komponierte, wenn auch mit mäßigem Talent, eigene Stücke und saß beim Abendessen regelmäßig intellektuellen Gesprächen zwischen den Gästen im Hause Moll bei. Ihren ersten Mann, den jüdischen Komponisten Gustav Mahler, heiratete sie entgegen ihres latenten Antisemitismus und entgegen der Warnungen ihrer Eltern im Jahre 1902. Von den zwei Töchtern dieser Ehe überlebt nur die jüngere Anna, während Maria Mahler an Diphterie starb. Alma Mahlers geringe Trauer angesichts des Todes ihrer Tochter ist auf eine grausame Art faszinierend. Mahler selbst sollte seine Frau nicht überleben: Er starb an einem angeborenen Herzfehler 1911 in Wien.
Walter Gropius und Franz Werfel – und viele dazwischen
Mit nur 32 Jahren hat Alma Mahler nun mehr erlebt, als viele in ihrem ganzen Leben. Es folgen wilde Jahre, eine Affäre mit dem Künstler Oskar Kokoschka, und zwei weitere Ehen. Eine davon ging sie mit dem Architekten Walter Gropius ein und brachte diesem eine Tochter, Manon Gropius, zur Welt. Noch während sie mit Gropius verheiratet ist, lernt sie den Lyriker Franz Werfel kennen. Der erste Eindruck ist kein guter, findet sie ihn doch unattraktiv und stört sich an seinem jüdischen Hintergrund. Dennoch beginnt sie in 1917 eine Affäre mit ihm, wird schwanger, und bringt einen zu früh geborenen Sohn zu Welt. Die Frühgeburt wurde vermutlich durch ihr Zusammensein mit Werfel ausgelöst. Als das Kind, dessen Vater wahrscheinlich Werfel war, nach knapp einem Jahr stirbt, macht Franz Werfel sich schreckliche Vorwürfe. Sie lässt sich von Gropius scheiden und, nach langem Zusammensein mit Werfel, heiratet diesen in 1929, obwohl sie schon zu diesem Zeitpunkt weiß, dass die ehemalige Liebe erloschen ist. Als die NSDAP auch Österreich befällt, fliehen Franz Werfel und Alma unter gefährlichen Bedingungen über Spanien und Portugal in die USA und leben dort im Exil.
Die faszinierend egozentrische Dame zwischen den begabtesten Männern und Frauen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kann in dieser kurzen Zusammenfassung der Biographie gar nicht richtig dargestellt werden. Sie scheint so viel mehr zu sein, als nur dauerhafte Ehefrau und Geliebte: Intrigantin, Muse, eine große Dame der Wiener Künstlerszene und vor allem, scheinbar, unwiderstehlich. Als Mutter scheint sie kühl und distanziert und an anderen Stellen wieder hysterisch und ihren Kindern komplett verfallen. Dirigent Hans Pfitzner, Schriftsteller Gerhart Hauptmann, der Geistliche Johannes Hollnsteiner und Autor Erich-Marie Remarque sind alle, in verschiedenen Maßen, ihr verfallen. Sie kreisen, als Geliebter oder Vertrauter, um diese enigmatische Person.
Oliver Hilmes und eine grandiose Lektüre
Ich muss zu meiner großen Schande gestehen, dass ich vor der Lektüre dieses Buches noch nie von Alma Mahler-Werfel gehört hatte. Der Komponist Gustav Mahler, sowie Autor Franz Werfel, die Alma ihre Nachnamen gaben, waren mir beide ein Begriff. Dass beide jedoch mit derselben Frau verheiratet waren, war mir nicht bekannt. Ob es nun das faszinierende Leben von ihr oder der so wunderbar lesbare Stil von Oliver Hilmes ist, das Buch ist schwer wegzulegen. Hilmes nutzt, wie schon in anderen Biographien, zeitgenössische Quellen als sein Material. Er zitiert grundlegend aus Alma Mahler-Werfels Tagebüchern und bezieht auch die Aufzeichnungen ihrer Zeitgenossen mit ein. Sein Stil ist anspruchsvoll und flüssig, sodass fast 500 Seiten zu lesen plötzlich innerhalb von wenigen Tagen getan ist. Angefangen hatte ich das Buch, weil mir seine Biographie zu Cosima Wagner so gut gefallen hatte. Fertig gelesen muss man es dann aber tatsächlich wegen der Person, die Alma Mahler-Werfel war.
Kim Hofschröer
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