Schaut man aktuell auf Social Media, Blogs und in Magazine, springt einen ein Buch immer wieder ins Auge: „Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert“ von Marie Kondo, einem japanischen Aufräum-Coach, das – wenn man den zahlreichen Reviews glaubt – das eigene Leben wirklich verändert. Denn, so Kondo, wenn man seine Umgebung von unnötigem Ballast befreit, erleichtert man auch seine Seele. In der ersten Sekunde klingt nichts langweiliger, als ein Buch, das rein von der Kunst des Aufräumens handelt. Gibt es da denn noch groß etwas zu lernen? Kann nicht jeder eigentlich aufräumen? Offensichtlich nicht, so Marie Kondo. Und ihr Buch soll genau diese hohe Kunst spielend leicht beibringen. Aber wer dieses Buch gelesen hat, kriegt mehr als nur Denkanstöße für sein eigenes Ordnungsverhalten.
Wer ist Marie Kondo?
Marie Kondo hat mittlerweile in Japan nach zwei veröffentlichten und erfolgreichen Büchern eine eigenen Fernsehshow zum Thema Aufräumen und hat sich zum wahren Guru entwickelt. Selbst den schlimmsten Aufräummuffeln habe sie beibringen können, ihr Leben umzukrempeln. Sich selbst beschreibt die heute 30-jährige als eine frühe Anhängerin von Ordnung und Organisation. Schon im Kindesalter habe sie ihre Freizeit damit verbracht, den Haushalt ihrer Familie immer wieder neu zu strukturieren und zu ordnen, in der Hoffnung, die ultimative Methode zu entwickeln, um Unordnung für immer zu verbannen. Auch die Bücherregale in ihrer Grundschule waren vor ihrem Ordnungszwang nicht sicher. Nach langem Studium von Büchern und Zeitschriften zu diesem Thema hat sie eine eigenen Methode entwickelt, die sie selbstbewusst als die einzige bezeichnet, die wirklich langfristig wirkt: Die KonMari Methode.
Wie funktioniert es?
Marie Kondos Methode ist ebenso simpel wie radikal: Alles, was nicht glücklich macht, kommt weg. Was einfach klingt, wird in der Praxis dann doch schwieriger. Was ist mit alten Geschenken, die man aus schlechtem Gewissen nicht entsorgen möchte? Bücher, die man gerne gelesen hat, und dennoch weiß, dass man sie nicht ein zweites lesen will? Das Kleid, das damals so teuer war, und das man doch noch öfter tragen muss, damit sich der Kauf doch noch gelohnt hat? Einen ganzen Tag muss man sich schon Zeit nehmen, um seine Wohnung, sein Haus oder nur sein eigenes Zimmer komplett zu entrümpeln. Stück für Stück aufräumen, wie man es gerne so nebenbei tut, ist, so Kondo, ineffektiv und führt zwangsläufig nur zu Rückfällen in alte Unordnung. Und dann geht es dem angesammelten Hab und Gut an den Kragen. Es gibt in der KonMari Methode kein kurzfristiges Aufbewahren à la „Wenn ich es in sechs Monaten noch habe und nicht gebraucht habe, kommt es dann endgültig weg.“ Aufschieben der Entscheidung führt nur wieder zum Chaos. Auch gilt das Weiterreichen von alten Klamotten an Freunde und Familie nicht wirklich als erledigte Entsorgung, sorge man doch damit dafür, dass der Kleiderschrank der beschenkten Person immer mehr überquillt – eine kontroverse Aussage, wo doch viele Frauen gerne untereinander unbeliebte Kleidungsstücke verschenken oder tauschen.
Warum funktioniert es?
Die Rezensionen scheinen fast nur positiv, trotz vieler radikaler Aussagen. Leser*innen erzählen von ihrem neuen Glücksgefühl, Blogger*innen haben ihre eigene Sammlung noch nie so gerne betrachtet und geliebt – alles nur, weil sie sich auf das beschränkt haben, was sie wirklich glücklich macht. Warum hilft das gründliche Entrümpeln gleichzeitig so sehr, das eigene Leben auch zu ordnen? Loslassen tut gut. So einfach ist die Moral der Entsorgung. Was sich auch auf Menschen und Ideen anwenden lässt – man bedenke das befreiende Gefühl, sich endlich von einer alten Beziehung zu lösen oder einen lästigen Gedanken aufgeben zu können – funktioniert mit dem eigenen Materialismus mindestens genauso gut. Effektiverer Umgang mit Besitz, so könnte man Kondos Idee kurz und klar erfassen. Nichts besitzen, was einen nicht glücklich macht, eine Einstellung gegen unnötiges Anhäufen und für bewussten Konsum. Das Kaufverhalten, so die Autorin, werde durch einen bewussten Umgang mit Besitz ebenfalls beeinflusst. Wenn man erst einmal weiß, was einen wirklich glücklich macht, welche überraschend geringe Menge an Besitz für das persönliche Glück reicht, muss man nicht blind und ohne Verstand immer wieder neue, unnütze Dinge kaufen und diese anhäufen. In einer Zeit von exponentiellem Konsum scheint dieser Ansatz ein wahrer Befreiungsschlag vom Festhalten an unwichtigen Dingen und ein Weg zur Neuorientierung in Richtung intelligenter Besitz.
Selbst für jemanden, der sich schon als ordentlichen und fast peniblen Menschen bezeichnet, ist dieses Buch doch noch eine große Hilfe. Die direkte, fast kompromisslose Art der Autorin, die schon jede Ausrede gehört, jedes Szenario erlebt hat, führt einen mit klarem Ziel durch ihre Methode, inklusive Tipps für das richtige Angehen des großen Projektes Aufräumen. Ob man ihren Aussagen vorbehaltlos zustimmt, das ist natürlich nicht vorauszusetzen. So oder so aber lernt man, sein eigenes Verhalten zu überdenken und zumindest, den eigenen Haushalt mit ganz anderen Augen zu sehen.
Kim-Nicola Hofschröer
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