Vier Jahre sind wieder rum und ich frage mich, was ich bei der Bundestagswahl 2017 wählen soll. Selten war die Welt für meine Generation so ungewiss, so ungerecht und so gespalten. Selten haben sich rechte Kräfte mehr in die Mitte der Gesellschaft gedrängt, als jetzt. Neben den großen politischen Themen bedrückt mich auch das Thema Frauenrechte, denn da ist in der letzten Legislaturperiode nicht wirklich viel passiert.
Was bisher geschah
Die Frauenquote ist kläglich gescheitert, da nur 108 Unternehmen verpflichtet wurden in ihren Aufsichtsrat 30 Prozent Frauen einzustellen. Die Vorstände sind dagegen fast frauenfrei. Unternehmen, die nicht per Gesetz verpflichtet sind, stellen sich selbst meist keine Quote. Wieso auch? Funktioniert doch auch so wunderbar, wenn man(n) unter sich bleibt. Eine weitere Errungenschaft ist das „Entgelttransparenzgesetz“, um Frauen die Auskunft über die Gehälter der theoretisch gleichbezahlten Kollegen zu ermöglichen . Klingt kompliziert, ist umständlich und kann kaum vor Gericht verwendet werden, um gegen eine Diskriminierung bei der Bezahlung zu klagen.
Ungelöste Wahlversprechen
Schon im letzten Wahlprogramm haben beide große Volksparteien geworben, dass die Frauen- und Familienrechte gestärkt werden sollen. CDU/CSU als auch SPD wollten beide die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit von Frauen rechtlich stärken. Letztendlich ist es daran gescheitert, ab welcher Betriebsgröße das Gesetz gelten soll. Der SPD war die von der CDU vorgeschlagene Mindestgröße des Unternehmens zu groß. In meinen Augen ist die Große Koalition gescheitert. Sie waren sich zu ähnlich, um ordentliche Kompromisse auszuhandeln und zu verschieden, um sich einig zu sein.
Stichwortsuche in 110 Seiten langen Parteiprogrammen
Und wie sieht es dieses Jahr aus? Was versprechen die Parteien in Sachen Frauenrechte und klingt das auch realistisch? Gehen wir das Ganze doch einmal spielerisch an. Ich durchsuche die Parteiprogramme der großen Parteien nach den Worten „Frauen“, „Familie“ und „Alleinerziehend“. Das ist ein guter Indikator inwieweit sich jede einzelne Partei mit dem Thema auseinandersetzt bzw. wie auf die gleichgeschlechtliche Formulierung geachtet wird.
Frauen: CDU/CSU: 16 ; SPD: 67 ; Linke: 71 ; Grüne: 110 ; FDP: 15 ; ADF: 7
Familie: CDU/CSU: 47 ; SPD: 90 ; Linke: 48 ; Grüne: 113 ; FDP: 0 ; ADF: 74
Alleinerziehend: CDU/CSU: 2 ; SPD: 6 ; Linke: 11 ; Grüne: 8 ; FDP: 1 ; ADF: 4
Die Grünen setzten sich mit dem Thema Frauen anscheinend am meisten auseinander, gefolgt von der Linken und der SPD. Der CDU/CSU scheint die Familie wichtiger zu sein, als Frauen allein. Bei der AFD sieht es ähnlich auch. Alleinerziehende werden wohl von allen übergangen und die FDP wollte sich wohl so gar nicht mit meinen Stichworten auseinandersetzen.
In Sachen sexueller Gleichberechtigung wollen SPD, Linke, Grüne und FDP eine stärkere bzw. totale Gleichstellung. Die CDU sagt nur, dass sie die sexuelle Gleichberechtigung gestärkt hat und die AFD positioniert sich als homophob.
Was sich hinter den Worten versteckt
Nur auf die innenpolitischen Frauenrechte geschaut, ergibt sich für mich folgendes Bild für die einzelnen Parteien:
Die CDU/CSU wollen ihr Entgelttransparenzgesetz und die Frauenquote (Gleichberechtigung im öffentlichen Dienst bis 2025) verbessern, ohne genaue Zahlen zu nennen und sie wollen, wie die vergangenen Jahre schon das Recht auf die Rückkehr in Vollzeit vorantreiben.
Die SPD nennt ähnliche Ziele und wird bei der Frauenquote und dem Entgelttransparenzgesetz konkreter. Sie wil Gründerinnen unterstützen, die Rente von Frauen, die in Teilzeit arbeiten verbessern und Frauen in Familien entlasten, damit sie arbeiten können. Außerdem möchte sie sich für Migrantinnen einsetzen.
Die Linken setzten sich für gleiche Löhne, eine Rentengerechtigkeit, anonymisiertes Bewerbungsverfahren, überall eine Frauenquote von 50% und Unterstützung von Migrantinnen ein. Außerdem haben sie ein ganzes Kapitel: „Für einen linken Feminismus – sozial gerecht, sexuell selbstbestimmt und aktiv gegen Gewalt“.
Die Grünen wollen Chancen, Macht, Geld und Zeit auf Frauen und Männer gleich aufteilen, indem sie flexible Vollzeit, Lohngleichheit, 50%-Frauenquote und Abschaffung des Ehegattensplittings fordern. Des Weiteren sollen Frauen gegen Gewalt geschützt und Migrantinnen unterstützt werden. Sie wollen insgesamt, die Selbstbestimmung von Frauen unterstützen.
Die FDP möchte einen flexiblen Arbeitsmarkt mit flexiblen Arbeitszeiten für Frauen du Männer. Die Frauenquote unterstützen sie nicht und private Zwänge gegenüber Frauen wollen sie konsequenter verfolgen.
Die AfD ist gegen die „Gender-Ideologie“ und will nur die Familie mit Mutter-Vater-Kind fördern. Das Kopftuch soll verboten werden und jegliche Quoten und Bezug auf Gleichberechtigung sollen abgeschafft werden.
Und nun?
Wie zu erwarten war, formulieren die kleineren Parteien, wenn sie Feminismus unterstützen, ihre Ziele bedeutend drastischer, als die zwei großen Volksparteien. Die CDU hält sich im Gegensatz zur SPD mit konkreten Versprechen komplett zurück. So hält man sich alles offen und bleibt flexibel. Dieses Verhalten können sie sich als stärkste Partei mit Frau Merkel an der Spitze leisten, da es im Großen und Ganzen die letzten Jahre auf der weltpolitischen Bühne gut funktioniert hat. Die Deutschen leben ja auch gern den Grundsatz „Never change a running system“. Und nun, werden wir das kleinere Übel die nächsten vier Jahre ertragen? Hoffen wir auf eine Veränderung der Gesellschaft? Können wir mit unserer Stimme etwas ändern?
Letztendlich ist die Demokratie wohl der langsamste Katalysator für Entwicklung einer Gesellschaft und damit müssen wir leben. Hauptsache ihr geht überhaupt wählen, denn die Opposition ist in unserer Demokratie genauso wichtig wie die Regierung. Und die AfD als drittstärkste Partei und Oppositionsführer wäre eine Katastrophe für uns als selbstbestimmte Frauen.
Frau Schulze
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