Unsere Reihe zum bedingungslosen Grundeinkommen, kurz BGE, schließt eine Lücke im Diskurs. Selten wird das Konzept feministisch analysiert. Doch das soll sich nun ändern! Wir begannen mit einem Überblick über die Positionen der Parteien zum bedingungslosen Grundeinkommen. Mit Hinblick auf den jetzigen Sozialstaat, Care-Arbeit, Partizipationsmöglichkeiten und weibliche Armut, besprechen wir nun die Chancen des Konzeptes.
Dass die feministische Perspektive noch lange keine Selbstverständlichkeit ist, zeigte sich auch in der Recherche für die Artikelserie. Denn auch in der Forschung fehlt es an feministischen Analysen des BGE, das beklagt auch die Politikwissenschaftlerin Carol Pateman in einer Publikation. Und das ist gefährlich. Denn durch die sexistischen Strukturen unserer Gesellschaft sind es Frauen, die am Ehesten von möglichen Chancen und Risiken betroffen sind.
„Vater Staat“
Um zu wissen, was das bedingungslose Grundeinkommen in Zukunft bringen könnte, muss der Sozialstaat natürlich erstmal im Hier und Jetzt betrachtet werden. Und das ist aus feministischer Perspektive besonders fruchtbar, denn in einem sind sich feministische Ökonominnen einig: Frauen werden im Sozialstaat systematisch diskriminiert. Das zeigt sich besonders stark beim Arbeitslosengeld II (ALG II) – allgemein als „Harz-IV“ bekannt.
Diese Grundsicherung ist eben nicht bedingungslos und errechnet sich durch Bedarfsgemeinschaften, was laut einer Veröffentlichung der Heinrich-Böll-Stiftung Abhängigkeiten der Frauen von ihren Partnern produziert beziehungsweise verstärkt.
Angesichts der Feststellung, dass das Alg II unter dem Minimalbedarf an Lebenshaltungskosten liegt, führt diese Regelung zu einer massiven Familiarisierung des Armutsrisikos. Alg II trägt dazu bei, Frauen nicht als eigenständige BürgerInnen mit individuellen Rechten, sondern als vom Partner (und dessen Einkommen) „abgeleitete Wesen“ zu verstehen.
Eine Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens könnte dies durch einen individuellen Anspruch verhindern.
Weibliche Armut
Das bedingungslose Grundeinkommen wird oft als ein Mittel gegen Armut gesehen. Und dieser Aspekt ist besonders aus feministischer Perspektive wichtig, denn Armut ist immer noch zum großen Teil weiblich. Laut dem statistische Bundesamt waren 2018 19,8% der Frauen von von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das sind 2,2 Prozentpunkte mehr als bei den Männern.
Das bedingungslose Grundeinkommen könnte den Weg aus der Armut ebnen. Frauen würden, unabhängig von Einkommen des Partners, ein Einkommen beziehen. Dadurch wären Frauen nicht nur unabhängiger vom Partner und könnten sich scheiden lassen, ohne einen finanziellen Ruin zu fürchten.
Auch laut der Heinrich Böll Stiftung würden vor allem Frauen mit geringem Einkommen und Zugang zum Arbeitsmarkt vom bedingungslosen Grundeinkommen profitieren. Vor allem die Zusicherung eines bedingungslosen Grundeinkommens für Kinder würde alleinerziehende Mütter deutlich entlasten und Kinderarmut bekämpfen.
Das bedingungslose Grundeinkommen gibt vor allem Geringverdiener*innen, laut dem „CORRECTIV“ vor allem weiblich, neue emanzipative Möglichkeiten. Die finanzielle Absicherung könnte sowohl eine Freiheit in der Berufswahl ermöglichen, als auch eine Stärkung der Verhandlungspositionen für Arbeitnehmer*innen stärken. Positiv hierzu äußert sich auch die Psychologin Lioba Gierke in einem Podcast der Tagesschau.
Wandel der Care-Arbeit
Care Arbeit ist oft der Mittelpunkt feministischer Debatten um das bedingungslose Grundeinkommen. Unter dem Stichwort „Gender Care Gap“ streiten Feministinnen für eine gerechte Aufteilung unbezahlter Care-Arbeit. Und das zu Recht, denn laut dem BMFSFJ, wenden Frauen 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer.
Laut des Attac-Aktivisten Werner Rätz würde ein bedingungsloses Grundeinkommen für sich gesehen noch nicht die Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern auflösen. Jedoch wäre es eine Voraussetzung dafür, dass „Frauen sich leichter weigern können, sich Aufgaben zuweisen zu lassen, die sie nicht freiwillig übernehmen wollen.“
Ein Wandel ist zufolge eines Artikels der Publizistin Antje Schrupp unausweichlich.
„Der größte Teil der Arbeiten wird schon immer und so auch heutzutage unentgeltlich geleistet, in Privathaushalten, im Ehrenamt und in Form der Subsistenzarbeit. Angesichts des demografischen Wandels wird der Bedarf danach zukünftig eher noch steigen.“
Die gleichberechtigte Aufteilung unbezahlter Pflegearbeit könnte auch die Veränderung geschlechterspezifischer Rollenaufteilungen zur Folge haben.
Pia Reiter
Uwe Bjorck meint
Als Gegenargument wird oft hervorgebracht, dass das bedingungslose Grundeinkommen die Gleichstellung der Frau eher verhindern könnte, da es Männern die Möglichkeit gibt, „ihre“ Frauen “ im Haus zu halten“, da diese ja finanziell versorgt seien.
Bedeutet diese Argumentation nicht im Gegenzug, dass eine Gleichstellung der Frau, die auf Erwerbsarbeit gründet, wertlos im kulturellen Zusammenhang – sogar eine Nebelkerze – ist, wenn erst die Erwerbsarbeit die Frauen aus ihren Rollen befreien soll und nicht das Ideal von Freiheit und Selbstbestimmung?
Das bGE ist keine eierlegende Wollmilchsau. Aber es kann und wird kulturelle und zivilisatorische Änderungen mit gewaltiger Kraft anstoßen.
Katja Maack meint
Gerade für uns Frauen wäre das bGE ein Gewinn. Oft fallen Frauen in die Altersarmut, da sie wegen Kindererziehungszeiten lange ausfallen oder sich um die Pflege Angehöriger kümmern. Wichtig ist auch noch zu betonen, sie können sich eher aus prekären Situationen befreien.
Mark meint
Finide ich sehr richtig und wichtig. Schaut auch mal unter https://solidareinkommen.org/grundeinkommen-und-gender-gap/