Das Künstlerhaus Bremen in der Neustadt war ein kultureller Ort, ein Raum für Kunstschaffende und alles was dazugehört. Heute gibt es das Künstlerhaus nicht mehr. Zumindest nicht unter dem Namen, auf den es 1992 getauft wurde. Nicht nur der ändert sich, sondern mit dem heutigen Tag auch seine visuelle Übersetzung. Mitsamt einer Neugestaltung des gesamten Corporate Designs erblickt das Künstler:innenhaus Bremen das Licht der Welt!
Der zu Grunde liegende Verein heißt nun offiziell „KH Künstler:innenhaus Bremen e. V.“. Eine optisch so kleine Veränderung mit doch so viel Wichtigkeit, die da in ein paar wenigen Buchstaben mitschwingt. Janine Behrens, Leitung und Geschäftsführung, und Nadja Quante, künstlerische Leitung und Kuratorin, gewähren mir einen Einblick hinter die Kulissen eines solchen Prozesses:
Was ist das Künstler:innenhaus?
Also von vorne: Das Künstler:innenhaus ist seit 32 Jahren ein Förderverein für Kunst und Kultur und vereint als Institution diverse Felder des künstlerischen Werkens und Wirkens mit- und untereinander. Zum Beispiel werden interdisziplinäre Atelierräume und Werkstätten für die Produktion zur Verfügung gestellt und institutionell vom Senator für Kultur gefördert. Es wird also eine subventionierte Arbeitsumgebung geschaffen, nicht nur für bildende Künstler:innen, sondern auch für andere Kreativschaffende. Daneben werden andere Förder- bzw. Professionalisierungsprogramme ermöglicht, beispielsweise Residencies für Künstler*innen aus Bremen außerhalb Deutschlands oder für Künstlerinnen aus der Ukraine in Bremen. Neben diesen hintergründigen Prozessen besteht in Form der Galerie und wechselnden Ausstellungen eine Präsentationsfläche. Hier werden Projekte internationaler Kunstschaffenden gezeigt, eine Brücke von der bremischen Szene in die Außenwelt. Die Ausstellungen und Veranstaltungen sind stets kostenlos zugänglich und auch durch das zugehörige Restaurant lädt das ganze Gelände zum Verweilen ein.
Wie kam die Idee ins Rollen?
Jetzt also zur Namensänderung: Wer am Künstler:innenhaus vorbeifährt, mag denken, die Fassade sei schon an die Neuerungen angepasst worden. Es prangt in großen roten Druckbuchstaben ein Sternchen inmitten des Wortes und vertikal schlängelt sich der Schriftzug *innen zwischen den Fenstern entlang. Ein bisschen irreführend, denn das ist tatsächlich noch ein Überbleibsel einer Aktion des Künstlers Pio Rahner zu den offenen Ateliers 2018. Und dennoch ein erstes Anzeichen dafür, dass das Thema intern schon lange brodelt.
„Also Viele im Haus haben schon gegendert, aber unser Vereinseintrag war das generische Maskulinum, das war als feststehender Begriff die Marke des Vereins. Das zeigt aber auch, dass wir im Grunde das in die Realität bringen, was vereinzelt sowieso schon gelebte Praxis war.“ (Janine Behrens)
Schon vor über dreißig Jahren begann die Debatte um den Namen. In den Unterlagen des Vereins ist dokumentiert, dass bereits 1993 im Zuge einer Mitgliederversammlung eine Künstlerin den Einwand aufbrachte, sie fühle sich nicht repräsentiert. „Wir sind im Zuge der Archivarbeit für das Jubiläum darauf gestoßen und es war natürlich total interessant. Damals war es in dem Protokoll noch nicht mal eigener Tagesordnungspunkt und wurde dann nicht weiter diskutiert.“ (Nadja Quante).
Wie verlief der Prozess?
2018 begann schließlich das nächste Kapitel, als der Entwurf für ein neues Grafikdesign vorgestellt wurde und daraufhin vier Künstlerinnen aus dem Vorstand den nächsten Anstoß zur Namensänderung gaben.
Der begleitende Gedanke bestand darin, sich dem Thema nicht oberflächlich, sondern wenn, dann intensiv zu widmen. Die Entscheidung sollte keine überstürzte sein, sondern ein partizipativer Prozess gestaltet werden, der eine eigene Arbeitsgruppe, Workshops zur Namensfindung und weitere Formate beinhaltete. Im Zuge dessen stellte sich auch die sprachliche Frage, was der neue Name braucht, wie und für wen er funktionieren kann.
„Ein wichtiger Punkt, der auch immer wieder diskutiert wurde, war, dass das Haus als Produktionsstätte sich auch im Namen abbilden muss, was etwas Neutrales wie „Kunsthaus“ zum Beispiel nicht erfüllt. Das wäre von außen erstmal naheliegend, aber dann wird gar nicht sichtbar, dass hier Menschen vor Ort arbeiten.“, (Nadja Quante)
Verzögert durch strukturelle Faktoren, Personalwechsel und auch die akuten, sowie immer noch währenden Konsequenzen der Corona-Pandemie brauchte es dann noch einige Zeit, bis im März 2023 in der Mitgliederversammlung final abgestimmt und die Pläne jetzt endlich in die Tat umgesetzt werden konnten.
Was steckt dahinter?
Die veraltete Fassade ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie viel Aufwand mit einer solchen Umbenennung verbunden ist. So fallen diverse Kosten an, die dazu führen, dass nur Schritt für Schritt gearbeitet werden kann.
Nicht nur in dieser Hinsicht steckt mehr bürokratische Arbeit hinter diesen paar Buchstaben, als man das von außen vermutet. Von Vorschlag bis hin zu Umsetzung, notarieller Beglaubigung des Namens, Satzungsänderung und vielen weiteren kryptischen Vorgängen vergeht einige Zeit. Auch alle involvierten Personen zu informieren, Anrufbeantworter und Briefköpfe, sowie Ausstellungsbroschüren und -listings zu aktualisieren sind nur einige der Details, die die Beiden von ihrer To Do Liste aufzählen.
Wieso der ganze Aufwand?
Veränderung und Bewegung sind fester Bestandteil des Alltags im Künstler:innenhaus: Die wechselnden Mieter*innen, die zeitlich begrenzte Position der künstlerischen Leitung, befristete Vorstandspositionen und vieles mehr. Die Dynamik lebt von Rotation und Wandel.
„Die Zeit schafft dann auch Fakten. Viele hier im Haus möchten eben, dass es das Künstler:innenhaus ist, ganz betont und alle einschließt, egal ob männlich oder weiblich oder dazwischen und genau dem sind wir nachgekommen.“ erklärt Janine Behrens das Anliegen. Als kleiner Exkurs für all jene, die (noch) nicht vertraut sind mit gendergerechter Sprache: Es macht bewiesenermaßen einen Unterschied, ob ein Wort, das eine Personengruppe bezeichnet, in der männlichen oder der weiblichen Form endet. Das generische Maskulinum bezieht also nicht alle Personen mit ein, die gemeint sind. In einer kleinen Ankündigung formuliert das Künstler:innenhaus die Intention nochmal präzise: „Wir wollen emanzipatorisch alle Menschen in unserem Verein gleichstellen, uns mit all jenen solidarisch erklären, die sich weder als Mann oder Frau definieren, und die im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlung der Geschlechter sprachlich sichtbar machen.“
Welche Rolle spielt Gendergerechtigkeit?
Das Thema hat auch abgesehen vom sprachlichen Aspekt durchaus Relevanz. Die Jurys, die über die Aufnahme ins Künstler:innenhaus entscheiden, sind bereits paritätisch besetzt. Vor allem aber sollen alle die gleichen Möglichkeiten haben. Das bedeutet, dass die Familienfreundlichkeit von Residencies Beachtung findet — auch im Rahmen der AG Künstler:innenförderung, in der das Künstler:innenhaus aktiv ist. Es soll keine Benachteiligung von Personen mit Kindern entstehen, sondern jene können ihre Angehörigen bestenfalls mitnehmen. Das Künstler:innenhaus macht sich auch stark für Stipendien ohne Altersbeschränkung und die Ateliers stehen bewusst Künstler:innen in allen Karrierestufen zur Verfügung. „Das ist uns ganz wichtig, da auch immer entgegen zu halten, denn diese Altersgrenzen sind vor allen Dingen problematisch in Hinblick auf die Gleichberechtigung von Frauen und Eltern.“, so Nadja Quante.
Von Anfang an sei es wichtig gewesen, ein Statement zu setzen. Nicht nur intern, sondern auch mit anderen Institutionen in Dialog zu treten und einen Austausch initiieren. Gerade in der bildenden Kunst ist der Gender Pay Gap einer der höchsten. „Das ist sehr traurig und da braucht es jetzt irgendwie auch Initiativen und mehr Sichtbarkeit und Aktion. Und wir hoffen, dass wir da auch über unseren selbstreferenziellen Rahmen hinaus wirken können.“ (Janine Behrens) Auch in der Neugestaltung des Corporate Designs sollten Themen wie Inklusion und Barrierefreiheit einkalkuliert werden.
Wie war die Resonanz?
Zurück zum heutigen Tag der Namensänderung: Heute ist zwar erst der offizielle Release, es ist also nur eine Prognose möglich. Dennoch gab es bereits im Prozess Hindernisse, Skepsis und Nebenbemerkungen, die es zu überwinden galt. Aber größtenteils seien die Resonanzen positiv gewesen. Es habe viel Zuspruch gegeben, besonders viel Solidarität aus der Kunst und Kulturszene und durch die Landesfrauenbeauftragte.
Die frauenseiten Bremen sind auf jeden Fall gespannt auf den weiteren Verlauf und drücken die Daumen, dass das Positive weiterhin überwiegt und die Transformation glatt läuft.
Wenn ihr Lust habt, noch mehr ins Thema einzutauchen, gab und gibt es eine thematisch begleitende Veranstaltungsreihe „Ein Haus für Künstler*innen„, Details dazu findet ihr auf der neuen WebSite des Künstler:innenhauses!
— Pia Brand
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