Anfang September referierten zwei Expertinnen und Aktivistinnen aus Indien im Überseemuseum über ihren Kampf um Gerechtigkeit. Asha Kowtal und Nusrat Khan sprechen sich gegen die Gewalt aus, die an indischen Frauen tagtäglich ausgeübt wird.
Ausgangspunkt ist die brutale Vergewaltigung einer jungen Studentin in Neu Delhi von 2012, welche wenige Tage später ihren Verletzungen erlag. Es war ein weltweiter Aufschrei in den Medien- Unverständnis darüber, wie so etwas in der Öffentlichkeit passieren konnte. Die Situation der Frauen in Indien rückte in den Mittelpunkt und die Regierung war gezwungen zu handeln.
Zurück in der Gegenwart, 2015: Ein rein männlicher Dorfrat in Baghpat (Uttar Pradesh) ordnet die Vergewaltigung einer Frau und ihrer 15-jährigen Schwester an, Strafe für die Taten eines Anderen. Seitdem befinden sich die Geschwister auf der Flucht. Auch die Familie der Geflohenen fürchtet Gewalt. Hilfe von der Polizei können sie nicht erwarten. Schuld ist das hierarchische Gefüge des Kastenwesens.
Das indische Kastenwesen
In einigen indischen Bundesstaaten spielt die Kaste einer Person immer noch eine außerordentlich große Rolle vor Gericht. So setzt sich der oben genannte Dorfrat aus hauptsächlich älteren Männern zusammen, die eine höhere Kaste angehören und daher über das Dorf bestimmen. “The higher you are, the more you control“ berichtete Nusrat Khan, Researcher on Women’s Right bei Amnesty International India, und verwies damit auf das indische Kastenwesen. Der Krieg zwischen den Kasten wird nur zu oft über die Körper der Dalit-Frauen, der unterdrückten und niedrigsten Gruppierung, ausgetragen.
Die beiden geflüchteten Geschwister gehören der unberührbaren Kaste an, der Dalit, die sich außerhalb des religiös angeordneten Gruppengefüges befindet. Laut Statistiken der Regierung wurden 2005 über 110.000 gewalttätige Übergriffe gegenüber den Dalits verzeichnet, von Vergewaltigung bis Totschlag. Zwei von Drei Dalit Frauen erfahren, basierend auf der Kastenhierarchie, sexuelle Gewalt. Die wenigsten Fälle kommen jemals zur gerichtlichen Verhandlung. Aufgrund der Aussichtslosigkeit auf ein faires Gerichtsverfahren zeigt lediglich eine von 99 Frauen eine Vergewaltigung überhaupt an. Hinzu kommen das soziale Stigmata und der familiäre Druck in dem die Frauen gefangen sind. Viele Sprechen daher erst gar nicht über eine vorgefallene Belästigung oder Vergewaltigung. Die soziale Diskriminierung gegen die Dalits wird nur wenig von der Regierung begegnet. Die Dalit-Bewegung richtet sich auf Grund dessen gegen die Aufrechterhaltung des Kastensystems. Dalit-Frauen fordern, dass sexuelle Straftaten mit in das indische Gesetz aufgenommen, neu definiert und als diese gehandhabt werden.
Dalitrechte sind Menschenrechte!
Nusrat Khan setzt sich zusammen mit Asha Kowtal, Generalsekretärin bei All India Dalit Women Rights Forum (AIDMAM), verstärkt dafür ein das Schicksal von Dalit-Frauen aus dem Schatten der gesellschaftlichen und politischen Diskurse zu holen. Sie starteten die „Ready-to-Report“ Kampagne und sind mit #Dalitwomenfight auf den Social-Media-Kanälen aktiv. Sie wollen die weltweite Aufmerksamkeit auf die problematische Situation in Indien lenken, damit Indien ein menschenfreundlicheres- und würdigeres Land werden kann. Asha Kowtal hofft, dass umso mehr Menschen erreicht werden, sich umso mehr verändern wird. Amnesty International ermutigt Frauen Gewalttaten zur Anzeige zu bringen und ruft zur Solidarität auf. „All our Freedoms are linked together“, erklärt Nusrat Khan: Ist jemand folglich nicht frei, dann sind es auch andere nicht.
Weitere Informationen zu diesem Fall und wie geholfen werden kann ist auf der Homepage von Amnesty International zu finden.
Laura Frey
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