
Frisch verheiratet fragte ich meinen Mann: „Hast Du eigentlich ein Lieblingsgericht?“ „Aber ja“, sagte er schmunzelnd „das kennst du Niedersächsin bestimmt nicht.“ Nun war ich neugierig geworden. Er berichtete, dass sein Lieblingsgericht aus Böhmen stamme, genau wie seine Großmutter. Die hatte es mündlich an seine Mutter weitergegeben, die im Herbst so oft wie möglich Zwetschenknödel zubereitete. Da ich gern koche, wollte ich unbedingt dieses Rezept von meiner Schwiegermutter übermittelt bekommen. Das 50 Jahre alte Original mit dem Pfund-Zeichen besitze ich noch heute. Sie schrieb handschriftlich:
Ein Pfund mehlige Kartoffeln vom Vortag, 5 gehäufte Esslöffel Mehl, davon die Hälfte Kartoffelmehl, zwei kleine Eier, ½ Teelöffel Backpulver, Salz.
Alle Zutaten vermischen und kneten, dann in der Handfläche ein Teigstückchen flach drücken, Zwetsche mit Würfelzucker hinein und zum Kloß formen. In Salzwasser etwa 15 Minuten sieden lassen. Mit Butterbrösel und Zimt und Zucker servieren.

An einem Sonntag im September – es ist Zwetschenzeit – machten mein Mann und ich uns ans Werk. Alles wurde genau abgemessen und vermischt. Aber der Teig klebte. Es ließ sich partout kein Kloß formen. Also noch mehr Mehl in die Schüssel und noch mehr Mehl. Der Teig klebte weiterhin an meinen Händen. Damit ließ sich einfach kein Kloß formen. Es sollte auch noch eine Zwetsche mit einem Stück Würfelzucker hinein geknetet werden. Der große Topf mit Salzwasser kochte, und der Wasserdampf verwandelte die Küche in eine Sauna. Dann wollte es mein Mann wissen und versuchte sein Glück, nachdem er noch mehr Mehl in den Teig geschüttet hatte. Mühselig formte er einen Kloß, ließ ihn in das kochende Salzwasser plumpsen und das Ding löste sich sofort auf. Ärger und Wut stiegen in mir auf. Nun reichte es uns. Wir schmissen den Teigberg in den Müll, und dann half uns damals nur eins: „Sonntags bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald.“ Das Sonntagsglück war gerettet.
Aber was hatten wir falsch gemacht? Ich sandte das Rezept an meine Schwiegermutter zurück und beschrieb ihr unser Malheur. Sie entdeckte den Fehler in ihrem Rezept sofort. Es musste heißen: ein bis zwei Kartoffeln statt ein Pfund Kartoffeln!
Inzwischen habe ich ein Rezept für Steirische Zwetschgenknödel entdeckt, und das gelingt immer:
250 g Magerquark, 200 g Mehl, 50 g Kartoffelmehl, 1 Ei, eine Prise Salz und etwas Muskat. Alles zu einem glatten Teig verkneten. Zu einer Rolle formen, Scheiben abschneiden und in diese entsteinte Pflaumen (Zwetschgen oder Mirabellen) mit einem Stück Würfelzucker versehen einhüllen.
Die Klöße in siedendes Salzwasser einlegen und 15 Minuten leise köcheln lassen. Mit dem Sieblöffel herausnehmen, abtropfen lassen und goldgelb geröstete Semmelbrösel darüber streuen.
Im Herbst werden in meiner Küche wieder emsig Klöße hergestellt und auch eingefroren. Erst heute aßen wir von unserem TK-Vorrat 12 Stück. Wir waren sicherlich an diesem Tage die einzigen Menschen in Deutschland, die dieses böhmische Gericht genossen haben.
Heidemarie Gniesmer
Heidemarie meint
Danke, das ihr das Pfundzeichen so gut nachgezeichnet habt.
Viele jüngere Leserinnen wissen vielleicht gar nicht, wie viel Gramm ein Pfund hat: Es sind 500 g und nicht 1 kg, wie es auch schon angenommen worden ist.
Schon seit 1854 ist das „Pfund“ keine gesetzliche Einheit mehr. Im Sprachgebrauch hält es sich jedoch noch immer. Waren dürfen mit dem Pfundzeichen nicht mehr gekennzeichnet werden.
Noch vor 50 Jahren war das Pfund-Zeichen üblich. Es ist aus „lb“ der Abkürzung des lateinischen librum = Pfund entstanden.
Sylvia meint
Hmmm, lecker… Danke für das gelingt-garantiert-Rezept! Ich wollte immer schon mal Zwetschgenknödel selber ausprobieren 🙂