Die Füße kribbeln, von Wellen umspült, Salzwasser tropft aus den Haaren und die Sonne scheint dir ins Gesicht. So starten die Bootsführer*innen mit ihren Bootsgäst*innen in einen schönen Wachtag. Der Wasserrettungsdienst der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, kurz DLRG, startet Mitte Mai und endet meistens um den 15. September. Bewacht werden nicht nur zahlreiche Badestellen an Seen und Flüssen, sondern auch die Strände an der Nord- und Ostseeküste.
Durch die Wellen zu Turm 11
Der Motor brummt hell auf und schnurrt, dann geht es los: von der Slipstelle aus zu einem der 13 Türme an diesem Ostseestrand. Insgesamt sechs Boote sind hier verteilt. An den anderen Stationen gibt es entweder jeweils eins der drei kleinen Geländefahrzeuge mit Allradantrieb, auf denen Sanitäter*innen mit ihrer Ausrüstung sitzen, oder Wasserretter*innen, die ausgucken. Per Funk melden wir uns bei der Hauptwache an und ab. Morgens nutzen wir die Zeit für Einweisungen. Die Bootsbesatzungen üben Manöver und werden so zu eingespielten Teams. Das funktioniert erstaunlich schnell, denn obwohl wir aus den unterschiedlichsten Bereichen Deutschlands kommen, haben wir alle dieselben Interessen und unser liebstes Element ist das Wasser.
Der Turmtag
Am Turm angekommen richtet man sich gemütlich ein. Wir überprüfen den Strand auf Verletzungsquellen und das Wasser auf Qualität und Strömungen. Die Flaggen, die den bewachten Bereich eingrenzen, werden aufgestellt. Der Adler wird hochgezogen und signalisiert, dass wir unseren Turm bezogen haben. Sowohl Gurtretter, als auch Helm und Weste werden so am Strand verteilt, dass sie im Einsatzfall griffbereit liegen. Es soll möglichst keine Zeit verschenkt werden, die im Notfall lebensentscheidend sein kann. Oft kommen Passant*innen vorbei und fragen nach den Wetterdaten oder Orientierungshilfen.
Unser Boot – Das IRB
Am Strand liegt das IRB. IRB steht für “Inflateable Rescue Boat”, also wörtlich “aufpumpbares Rettungsboot”. Das Schlauchboot ist bestückt mit einem Motor, der zwischen 25-30 PS hat, einem Gurtretter, zwei Paddeln, einem Tank und einer Leine. Gesteuert und Gas gegeben wird über die Pinne am Motor. Dieser klappbare Außenbordmotor ermöglicht es auch, bis an den Strand zu fahren, sowie im flachen Wasser zu starten und in Richtung Meer zu brausen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Booten, welche nur vom Hafen aus starten können. Innerhalb von 90 Sekunden ist das IRB bei den Patient*innen und nach maximal 120 Sekunden ist die Besatzung wieder am Strand, um die verunglückte Person medizinisch zu versorgen.
Die Rettung in der Not – Das Seeboot
Seeboote ergänzen nach Möglichkeit die IRBs auf dem Wasser. Sie haben mehr Platz an Bord und können schwerere Gegenstände schleppen. Damit sind sie gut geeignet für technische Hilfeleistungen. Außerdem haben sie eine Notfallausrüstung dabei, für eine medizinische Versorgung auf dem Wasser. Daher fährt in der Regel mindestens eins der Seeboote zur wasserseitigen Absicherung vom Hafen bis zu unserem letzten Turm auf und ab. Die Seeboote werden, anders als die IRBs, von einem Steuerstand aus manövriert. Auf diesen Booten findet auch die Ausbildung für angehende Bootsführer*innen statt.
Der Weg auf’s Boot
Um bei der DLRG ein Boot führen zu dürfen, bedarf es einiger Erfahrung, vor allem aber eines Bootführerscheins. In dem Beispiel der Ostsee, braucht es einen amtlichen Bootsführerschein für Seegewässer. Dazu kommt eine weitere Prüfung, die es zu bestehen gilt, um Rettungsboote fahren zu dürfen. Um die Prüfungen bestehen zu können müssen Anwärter*innen sich mit der Navigation auf Seekarten auskennen. Außerdem gibt es, wie bei dem Autoführerschein, bestimmte Regeln, die verinnerlicht werden müssen. Anordnungen zu Verkehrszeichen, Lichtern und Vorfahrtsregeln gibt es auch auf dem Wasser. Die wichtigsten Knoten sollten im Schlaf und hinter dem Rücken gesteckt und gelegt werden können. Dazu zählt beispielsweise der Palstek, der ein festes Auge bildet und unter Anderem für das Anlegen von Nutzen ist. Relevant ist ebenso der Webleinstek, mit dem die Fender an dem Boot befestigt werden. Alle Knoten haben gemeinsam, dass sie sich einfach lösen lassen, aber unter Belastung verlässlich halten. Weiter lernen angehende Bootsführer*innen, wie sie sich selbst bei simplen technischen Problemen helfen können. In der Motorenkunde betrachtet man die einzelnen Teile des Motors. Im Idealfall kann man sich mit dem erworbenen Wissen immer wenigstens bis zum Strand verhelfen.
Frauen an Bord
Manch eine*r hat sie vielleicht schon gehört, Sprüche wie “Frauen an Bord bringen Unglück”. In der DLRG verstummen solche Stimmen zum Glück nach und nach. Bootsführerinnen ist es genauso möglich, eingesetzt zu werden, wie Bootsführern. Sie durchlaufen dieselben Ausbildungen, werden eingebunden in die Wartung und Pflege der Boote. Wenn jemandem, unabhängig vom Geschlecht, mal die Kraft fehlt, ist immer jemand anderes zur Stelle, der mit anfasst. Das macht das Ehrenamt im Wasserrettungsdienst so angenehm. Man fühlt sich angenommen und respektiert, wie in einer guten, sehr großen Familie. Ich habe nun seit 3 Jahren meinen Bootsführerschein für Rettungsboote in See- und Binnengewässern. 2011 bin ich das erste Mal im Wasserrettungsdienst auf einem IRB mitgefahren. Von Jahr zu Jahr lerne ich immer noch dazu. Bin stolz, wenn ich ein Problem allein verorten oder sogar beheben kann. Zwar sind im Gesamten immer noch deutlich weniger Frauen als Männer eingesetzt, doch freuen sich alle über mehr weibliche Unterstützung. Das Gefühl erlebt zu haben, schwerelos über das Wasser zu gleiten, den endlosen Horizont und den Strand im Blick, möchte ich jedem Menschen wünschen. Dabei für die Sicherheit anderer zu sorgen, ist ein gutes Gefühl, das ich nicht mehr missen will. Wenn uns jemand fragt, warum wir unseren Sommerurlaub nicht anders verbringen, antworten alle anders. Aber der Kern bleibt derselbe:
Es ist von unserem Leben ein Stück
einer der Wege zum Glück
Salz, wie Schuppen auf der Haut
Herzen voller Regenbögen
Lachen – Wellen brausen laut
Wie kann man das nicht mögen?
Nele Woehlert
Andreas meint
Hallo Nele,
gut zu wissen, dass immer jemand da ist, der aufpasst und im Notfall helfen kann. Muss euer Schlauchboot auch Aufgepumpten werden oder ist es immer betriebsbereit? Lässt es sich schwer im Notfall mit den Paddeln Manövrieren oder geht das ähnlich wie bei den kleinen Modellen?
Grüße Andreas