“Wer nicht fragt, bleibt dumm”- das brachte mir schon die Sesamstraße bei. Also fragte ich: wieso, weshalb, warum? Und nahm dabei keine Rücksicht darauf, dass viele meiner Fragen meine Gesprächspartner*innen unter Umständen ganz schön in Verlegenheit bringen konnten. Warum auch? Meine Wissbegierde war größer als mein Schamgefühl und ich wollte es einfach wissen! Warum bekommen Mädchen ihre Periode? Was ist Sex? Wie kommen eigentlich die Babys in den Bauch und wieder heraus? Die halbherzigen, vagen Antworten, die ich dann meistens unter einigem Stottern und Erröten erhielt, konnten mich selten zufriedenstellen. Also suchte ich Antworten in einem Buch. Und ich bekam sie. Mit Staunen stellte ich fest, dass es nicht ausreicht, “sich ganz doll lieb” zu haben, um ein Kind zu bekommen. Was ich las, war nüchtern und anschaulich und irgendwie kein bisschen peinlich. Warum die Erwachsenen so einen Wirbel um das Thema machten, verstand ich nicht.
Vielleicht ist es manchen von euch ja ähnlich ergangen und ihr hattet während eurer Kindheit und Jugend kaum jemandem, mit dem ihr offen über spannende Dinge wie die menschliche Sexualität sprechen konntet. Diesen Missstand in unserer Gesellschaft, will sich unsere Frau der Woche Eileen Kelly trotz ihres Alters von nur 21 Jahren annehmen. Auf ihrem Aufklärungsblog Killer and a sweet thang bespricht sie von den Vorteilen der Selbstbefriedigung, über das Einführen eines Tampons, bis hin zu sexuellen Vorlieben und Orientierungen alle Themen, die auch heute noch viel zu oft unausgesprochen bleiben. Ihr Ziel ist es dabei vor allem, die Sichtweise junger Menschen auf ihre Sexualität zu verändern, und diese von ihrer Schambehaftung zu befreien.
Eine neue Generation von Aufklärungsunterricht
Eileen Kelly wuchs ohne Mutter auf und besuchte eine katholische Mädchenschule. Rückblickend beschreibt die heute 21jährige aus Seattle diese Zeit als verwirrend und schwierig. Im Alter von 15 Jahren begann sie deshalb eine Art Online-Tagebuch auf der Blogging-Plattform Tumblr zu schreiben. Dort konnte sie sich mit ihren Followern über alles austauschen, über das sie mit niemandem sonst reden konnte: Dating, Sex, Liebe oder das Leben ganz im Allgemeinen. “Solche Themen machen uns zu Menschen und dennoch wollen die meisten Leute sich nicht damit befassen”, begründet unsere Frau der Woche ihre Offenheit. Durch die Ehrlichkeit und Unbefangenheit, mit der sie die Leser*innen an ihren Erfahrungen teilhaben lies und ihnen all ihre Fragen beantwortete, gewann sie eine beträchtliche Leserschaft. Eileen Kelly wurde so die wohl erfolgreichste Sexratgeberin in den sozialen Medien und für ihre Abonnenten eine Ansprechperson, die ihnen auf Augenhöhe begegnete.
Was unsere Frau der Woche mit jungen Jahren als Hobby begann, stellte sich schnell als ihre Berufung heraus. “Ich habe mich schon immer viel und gerne um andere Leute gekümmert”, sagt Eileen. Daher verpasste sie ihrem Tumblr-Blog von damals, nach einem Studium der Gender Studies und einer Ausbildung zur Sexualpädagogin, ein Upgrade. “Killer and a sweet thang” versteht sich heute als freie Online-Ressource für Heranwachsende, die dort umfassende Tipps zur Erfahrung ihrer eigenen Sexualität erhalten können. Gemeinsam mit 15 anderen Autor*innen hat Eileen Kelly im Internet einen sicheren Ort geschaffen, an dem man ohne Scheu selbst über die schwierigsten Themen sprechen kann, die von anderen unberührt bleiben. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in dem Bereich sexueller Aufklärung. Besonders wichtig ist Eileen und ihrem Team dabei die Nähe zu ihren Lesern bewahren:
„Wir machen das auf peer-to-peer Ebene, sodass man das Gefühl hat, sich mit einer älteren Schwester zu unterhalten, statt […] von oben herab belehrt zu werden.“
Der Inhalt variiert von persönlichen Geschichten und Interviews mit Prominenten bis hin zu recherchierten Reportagen. Und ist dabei immer informativ und hilfreich.
Trau dich, Fragen zu stellen!
Die zahlreichen Nachrichten und die rege Kommunikation, die Eileen Kelly jeden Tag mit ihren Lesern erlebt, bestätigen sie in ihrer Arbeit. Doch es gibt auch negative Stimmen, die vor allem auf ihren Mangel an Lebenserfahrung und ihr geringes Alter anspielen. Letzteres äußert sich vor allem bei ihrem Social Media Auftritt. Besonders auf Instagram erscheint sie wie eine von vielen jungen Frauen, die ihren perfekten Körper mit wenig Kleidung in sexy Posen präsentieren. Doch nutzt sie gerade diese Inszenierung, um insbesondere bei ihrer Zielgruppe Aufmerksamkeit für eine wichtige Sache zu erregen. Denn dass der Bedarf an sexueller Aufklärungsarbeit gerade in Amerika weiterhin groß ist, kann nicht von der Hand gewiesen werden.
„Jeder kann von einer umfassenden Sexualerziehung profitieren“, argumentiert Eileen auf ihrer Seite.
Zudem weist unsere Frau der Woche auf deren weitreichenden und positiven Auswirkungen hin. Wenn Menschen aufgeklärt seien, dann seien sie auch offener und verständnisvoller im Umgang mit anderen. Ganz zu schweigen von Geschlechtskrankheiten, die sich oftmals vor allem durch Fehlinformation und Unwissen verbreiten können. Je mehr man sich über die Risiken eines sexuell aktiven Lebens informiere, desto besser sei man geschützt, fährt sie fort. Weil viele Menschen sich aber nicht trauen würden, Fragen zu stellen, würden sie so tun, als wüssten sie es. Und das ende so gut wie immer in einer Katastrophe. Am wichtigsten sei es deshalb zu lernen, sich nicht für sich oder seinen Körper zu schämen.
„Der Körper ist etwas natürliches“, betont Eileen Kelly.
Das zu begreifen, ist ihr Blog genau der richtige Platz. Und das nicht nur für junge Menschen. Sondern für jede*n, der Teil einer Gemeinschaft sein will, die eine Leidenschaft für eine befreite Sexualität und Spaß an Sex teilt.
Victoria Kräwinkel
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