Eine rosa Schleife liegt vor mir auf dem Tisch. Zwischen einem Stapel Papier, meinem zugeklappten Laptop und meiner halb vollen Kaffeetasse. Der rosa Stoff glänzt matt, ähnlich wie ein Geschenkband. Ein harmloser Gegenstand, zart anmutend seine Farbe. Fein geschwungen seine Form. Stolpere über meine eigenen Assoziationen. Über all das, was diese Schleife sein könnte, aber nicht ist.
Mit voller Wucht hat der Brustkrebs zugeschlagen. Vier Tumore in der Brust meiner Mutter. Erst im Mai die Diagnose. Darauf folgend Brustamputation. Feststellung eines schweren Lymphbefalls. Unspezifische Auffälligkeiten in der Lunge gleich eventuelle Metastasen. Worte, Raum, Fakten, Zeit verschwimmen. Schock über Schock. Corona erschwert alles. Meine Mutter ist mitten in der Chemo. Sie kriegt die volle Dröhnung. Im Winter folgt die Bestrahlung plus Hormontherapie.
Meine Mutter leidet still. Ich leide still mit. Tauche hin und wieder ab, in meiner Badewanne. Der einzige Ort, der mich hält und mich wärmt. Dabei betrachte ich auffällig oft meine Brüste. Wie das Wasser meine Brustwarzen umrandet und die Nippel auf der Wasseroberfläche zwei kleine Inseln bilden. Urlaub, ich komme. Ans Meer. Nah der Sonne. Weit weg von Krebs, frischen Narben, Ängsten, Familie, Überforderung.
Ambivalenz. Will für meine Mama da sein, und schäme mich für diese Gedanken. Fluchtmodus. Fernweh. Urlaubsreif.
Das Leben ist nicht fair! Dieser Satz immer wieder in meinem Ohr. Es brennt. Habe Alpträume, Angst alleine zu sein. Plötzlich wieder Dämonen, die ich schon längst vergessen glaubte.
Meine Mutter ist eine Kämpferin. Immer für die anderen, nie für sich. Jetzt kämpft sie für sich. Darauf bin ich stolz.
Ich bin wie sie. Erkenne mich in ihr. In ihren Unzulänglichkeiten und ihrem Starrsinn.
Habe Angst, sie frühzeitig zu verlieren. „Bitte bleib“, flüstere ich ihr nachts ins Ohr. Ab und an glaube ich jetzt an Gott, weil die Ohnmacht meinen Geist zermartert. Weil ich festhalten will. Weil ich verzweifelt bin.
Dabei trickse ich mich aus. Noch dicker als sonst trage ich mein Make-Up auf. Noch schwärzer den Lidstrich. Keine Tränen und bloß keine Zerbrechlichkeit zeigen.
Mein Blick wandert wieder über den Tisch. Kaffeetasse. Laptop. Stapel Papier. Zur Rosa Schleife. Irritation. Zwiespalt. Ängste. Sorgen. Meine Finger berühren den Stoff. Er ist weich und sanft. So wie du, Mama. Hoffnung? Ich bin dabei.
Geschrieben von einer Tochter
Brustkrebs: Ein paar Fakten
– Der 1. Oktober ist der Weltbrustkrebstag. Ihre Solidarität zeigen Menschen mit der Rosa Schleife. Der Oktober ist der sogenannte Brustkrebsmonat, um auf die Erforschung, Vorbeugung und Behandlung von Brustkrebs aufmerksam zu machen.
– Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Nach Schätzungen des Robert Koch Instituts gibt es in Deutschland jedes Jahr 69.700 Neuerkrankungen.
-An Brustkrebs erkranken nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Ihre Anzahl liegt bei rund 750 Neuerkrankungen jährlich. Das macht rund 1 Prozent aller Brustkrebsfälle aus.
-Krebserkrankte Menschen und ihre Familien müssen sichtbar bleiben auch oder gerade während der Pandemie. Umsichtiges Verhalten ermöglicht es akut an Krebs erkrankten Menschen am sozialen Leben weiterhin teilzuhaben. Das heißt für alle Gesunden: Dein Masketragen, dein Abstandhalten, deine Beschränkungen auf wesentliche soziale Kontakte, dein eventueller Verzicht auf Urlaub hilft erkrankten Menschen und den engsten Angehörigen, sich bei Gelegenheit an öffentlichen Orten aufzuhalten und kleine Oasen der Normalität aufrecht zu erhalten. Krankheit ist häufig äußerlich nicht sichtbar. Aber es ist unsere Pflicht, genau deswegen, verantwortungsvoll zu handeln.
– Die Bremer Krebsgesellschaft e.V. ist häufig die erste Anlaufstelle für krebserkrankte Menschen in und um Bremen. Für an Brustkrebs erkrankte Frauen gibt es verschiedene Selbsthilfegruppen sowie individuelle Beratungsangebote.
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