Wie viel Zeit investieren wir täglich für unser Äußeres? Für die Gesundheit oder für die Schönheit? Für wen tun wir das? Wie weit würden wir gehen? Eine Operation?
2012 fanden in Deutschland ca. 700 000 bis eine Million Schönheitsoperationen statt, davon ca. 5.400 Eingriffe im Genitalbereich. Jedes siebte Kind zwischen 9 und 14 Jahren denkt hierzulande über eine Schönheitsoperation nach, wie Fett absaugen, Pickel entfernen, Nase richten lassen. Fast die Hälfte der normalgewichtigen Mädchen und mehr als ein Viertel der Jungen halten sich für zu dick. Insgesamt 21,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren weisen Symptome von Essstörungen auf.
Wie schwer ist es, mit gutem Gefühl anders zu sein, sich nicht anzupassen? Im Sommer mit unrasierten Beinen und kurzen Hosen in der Stadt spazieren zu gehen? Genussvoll zu essen trotz „überflüssiger“ Pfunde? Welche hat nicht schon mal über eine andere gedacht: „Die könnte doch mehr aus sich machen!“
Schönheit wird nicht mehr als naturgegeben gesehen, sondern liegt in der Verantwortung der einzelnen Frau
Frau gestaltet ihren Körper. Sie soll und muss sich nicht mehr mit dem zufriedengeben, was die Natur ihr gegeben hat. Die Möglichkeiten der Fitness- und Schönheitsindustrie erzeugen den Druck, das Bestmögliche aus dem eigenen Körper herauszuholen. Eine Frau nach der OP: „Wenn einen irgendetwas stört im Leben, dann ändert man das ja generell. Und gut, dann ändert man halt seinen Körper“
Aber das Aussehen soll trotzdem „natürlich“ bleiben! Kommentar eines Schönheitschirurgen, der bei einer Misswahl in der Jury saß: „Natürlichkeit ist gefragt, ich würde niemals eine meiner Patientinnen wählen.“
Schlank gleich attraktiv
Was bedeutet das für Mädchen? Macht sich eine 15-Jährige Gedanken darüber, mit welchen Computertricks Fotos von Models bearbeitet wurden, oder versinkt sie in Scham, weil sie meilenweit davon entfernt ist, so auszusehen? Bei Befragungen gaben vor allem junge Frauen an, dass sie sich von dem durch die Medien propagierten Ideal unter Druck gesetzt fühlen. Welche Folgen hat dies alles für das Selbst- und Körperbild von Mädchen und Frauen?
Fakt ist: Frauen machen sich im Zusammenhang mit ihrem Körper hauptsächlich Gedanken über ihr Aussehen und wie andere sie wahrnehmen und auf sie reagieren. Gemeinsam ist allem, dass die Zielgruppe der Eingriffe hauptsächlich die Frauen sind! Männer haben ein eher instrumentelles Verhältnis zu ihrem Körper. Ihnen ist wichtig, was sie mit ihrem Körper tun können, wie sie die Welt um sich beeinflussen oder verändern können.
Auch unter aufgeklärten Frauen ist das Thema umstritten
Die einen sagen:
„Wir betrachten mit Sorge, wie die Schönheitsindustrie mit ihren lukrativen „Idealen“ und Praktiken die physische und psychische Gesundheit vieler Frauen gefährdet. Wieder einmal stehen die Körper von Frauen und Mädchen zur Disposition, um angeblich eine Verbesserung des Lebensgefühls zu erreichen – tatsächlich geht es aber darum, den von der Schönheitsindustrie normierten Schönheitsidealen männlicher Betrachter zu genügen. Wir sehen mit Sorge die Unterminierung weiblichen Selbstbewusstseins und die Deformierung natürlicher Körperlichkeit. Notwendig ist eine breite politische Initiative zum Schutz des weiblichen Körpers.“ (Arbeitskreis Frauengesundheit)
Und die anderen:
„Eine Kritik der kulturellen Umstände vaginaler Optimierung ist in jedem Fall notwendig. Doch allzu oft verfangen sich Auseinandersetzungen mit der Thematik in erneuten Normierungen, Biologismen und Anrufungen eines unberührten und „reinen“ Frauenkörpers. Zum Beispiel, wenn ein Verbot intim-chirurgischer Eingriffe gefordert wird oder Frauen pauschal dafür verurteilt werden, dass sie Schönheitschirurgie in Anspruch nehmen.(…)Frauen sind dabei keine entmündigten Subjekte, die sich hirnlos noch jeder Normierung freudestrahlend unterwerfen, sondern handlungsmächtig. Bisweilen erscheint es leichter, den Körper zu ändern als gegen kulturelle Vorstellungen anzukämpfen, die bereits unsere eigenen Köpfe bewohnen und unseren eigenen Blick in den Spiegel prägen. Die Ambivalenz und Gleichzeitigkeit von Selbstermächtigung und Selbstzwang, die jeder Schönheitsoperation inne wohnt, können wir nicht auflösen — wir müssen sie aushalten lernen. Ein feministischer Umgang mit Schönheitschirurgie kann daher nur bedeuten: Es braucht eine kollektive Kritik, die zugleich individuelle Entscheidungen respektiert.
(Kathy Meßmer)
Angelika Zollmann
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