Nun also doch: nachdem sich die Herren Eiswett-Genossen bis zur letzten Eiswett-Feier standhaft geweigert hatten, Frauen zu ihrem illustren Kreis zuzulassen, haben sie nun – oh Wunder – beschlossen, endlich auch Frauen einzuladen. Woher der plötzliche Sinneswandel in Sachen Eiswette???
„Ich bin davon überzeugt, dass es eine gute Entscheidung ist, die Eiswette für Frauen zu öffnen“, sagte Eiswett-Präsident Patrick Wendisch dem Weser Kurier.
Und das sollen wir glauben?
Anfang dieses Jahres hatte es noch an jeglicher Einsicht gefehlt, als die protokollarische Repräsentantin der Landesregierung, Bürgermeisterin Karoline Linnert – in Vertretung des verhinderten Landeschefs Carsten Sieling – ausgeladen wurde: weil sie eine Frau ist. Und dazu wurde er auch noch von einigen seiner Genossen beglückwünscht. Dies bescherte unserem weltoffenen Bremen sogar internationale Aufmerksamkeit, und zwar negative!
Auch in Bremen selbst wurde vielfältig protestiert: Innensenator Ulrich Mäurer sagte aus Protest seine Teilnahme ab, eine Gruppe von Frauen der Partei Die Grünen hatte sich eine humoristische Aktion ausgedacht und demonstrierte lautstark in Abendkleidern vor dem Veranstaltungsort und verlangte Einlass. Die Eiswett-Genossen hatten nichts als Häme übrig:
„Wir sind ein Herrenklub, machen diesen Gendergaga nicht mit. Selbst der Papst würde nicht eingeladen, wenn er eine Frau wäre.“ sagte Präsident Wendisch noch im Januar 2019 zur Bildzeitung. (Bild.de vom 19.1.2019)
Schließlich beschloss der Senat in diesem Sommer, solange keine Einladungen zur Eiswett-Feier mehr anzunehmen, bis die vorsintflutliche Regelung nicht gekippt wäre. Diese Proteste konnten die Herren denn wohl doch nicht mehr ignorieren. Es ist ihnen anscheinend endlich klar geworden, dass es nur noch peinlich war. Wurde auch Zeit!
Aber geschah das wirklich aus Einsicht und Überzeugung? So ganz können wir das nicht glauben.
„Die Eiswette hat sich über 190 Jahre immer gewandelt. Sie ist traditionell aber nicht starr. Zeitgeistigkeit steht in unserem Stammbuch.“ (Präsident Patrick Wendisch, zitiert nach buten&binnen)
Zeitgeistigkeit wurde im Januar noch Gendergaga genannt. Das ist ja wohl an Starrsinn nicht zu überbieten. Im Gegenteil: die eigene Uneinsichtigkeit wird schlichtweg geleugnet. Einsicht in den gesellschaftlichen Wandel sieht anders aus! Wir befürchten: lediglich der öffentliche Druck hat dazu geführt, dass nun auch Frauen an die Scholle gelassen werden – die runden Tische, an denen die Feiernden Platz nehmen, erinnern an Eisschollen. Ob die Stimmung nun beim Eiswettfest 2020 auch eisig sein wird?
Wie sollen die demnächst eingeladenen Damen sich verhalten?
Dankbar sein, dass sie jetzt gnädigerweise mit von der Partie sein dürfen? Die Einladung ausschlagen, wie es der buten&binnen-Kommentator Karl-Henry Lahmann vorschlägt?
Oder vornehm darüber hinweggehen, dass sie nur widerwillig akzeptiert wurden? Und mitfeiern, als sei nichts gewesen?
Es bleibt spannend….
Ein Kommentar von Irene Meyer-Herbst
Lisa meint
Natürlich hat es einen faden Beigeschmack, dass weniger die Einsicht als viel mehr der öffentliche Druck vermutlich zu diesem Ergebnis geführt haben.
Dennoch zeigt es auch, dass sich empören und öffentlich Haltung zeigen Raum für Frauen* bei der Eiswette schaffen.
Die Einladung auszuschlagen empfinde ich als kontraproduktiv, da könnten sich die Herren darauf ausruhen a la „Nunja, wir haben die Damen gefragt“ und säßen wieder unter sich. Eine Teilnahme fände ich richtig, frei von überschwänglicher Dankbarkeit sondern den Raum einnehmend der ihnen zusteht.
redaktion meint
Liebe Lisa, es gibt tatsächlich keine einfache Antwort auf diese Überlegungen. Danke für diesen Kommentar.
Gunthild Meyer meint
Warum sind wir so nachtragend? Ich denke , allgemein wird man feststellen, dass auch Frauen im Wirtschaftsleben eine Rolle spielen. Auch sie werden das Spendenkonto für die Seenotretter füllen helfen.