Was macht Männlichkeit aus? Ist es vor allem der Penis als vermeintlich einzigartiges Geschlechtsmerkmal? Gehört noch viel mehr dazu oder reicht es schon aus einen Penis zu haben, dieses herausstechende Körperteil, welches Raum einnimmt, sich aufdrängt und eben diese einprägsame Form besitzt?
Die deutsch-kanadische Choreographin Julia B. Laperrière stellt sich diesem Thema, in ihrer Performance „Falla„, aus einer queerfeministischen Perspektive. Und das mit gewaltiger Wucht im Duo mit der Musikerin Pia Achternkamp.
Was passiert, wenn eine als Frau gelesene Person einen Phallus trägt?
Ausgangspunkt der Performance ist genau diese Geschichte. Während eines gemütlichen Abends mit Freund*innen wird eben diese Frage gestellt: Der Künstlerin wird angeboten, mal einen Strapon auszuprobieren. Ein Spiel? Zögern. „Take your dick for a walk“, wird ihr empfohlen. Und so beginnt die Reise. Beim Tragen verändert sich kurze Zeit später ihr Gang, ihre Haltung. Momente vergehen und schon wird, dank der temporären Penisverkleidung, alles anders.
Das Gedankenexperiment klingt vielleicht auf den ersten Blick banal. In der Performance von Julia B. Laperrière nimmt es die unterschiedlichsten Formen männlicher Machtdarstellung an. Eine Kraft und Sichtbarkeit, Wandel und Lautstärke.
„This is partly what I want to offer with Falla: an invitation to playfulness, an incursion in the in-between that puts forth a vision of female sexuality that ist alternative – mutating perhaps – liberated and unashamed.“ Julia B. Laperrière
Zunächst ist der Phallus Instrument im wörtlichsten Sinne. Resonanz und Männlichkeit spielen sich da ab. Die Zuschauer*innen verfolgen die anfangs zart schleichenden Geräusche mit der langsamen Erkenntnis: Der Phallus macht Musik. Er erzeugt Resonanz. So füllt sich ein Soundraum aus Knistern und Knarzen, aus düsterem Surren und dumpfem Hämmern. Es braucht nicht viel mehr, als die karge Szenerie, denn Julia B. Laperrière zieht zusammen mit der Musikerin Pia Achternkamp das Publikum in ihren Bann. Es ist tatsächlich so als würden sich die beiden Künstlerinnen mit dem Publikum auf eine kleine Reise begeben. Anfänglich scheint es als würde Julia B. Laperrière selber nicht ganz begreifen, was da so zwischen ihren Beinen rumbaumelt. Sie berührt den Strapon, lernt ihn kennen, ändert ihre Haltung und wird zwischenzeitlich eins mit ihm. Man kann ein Zusammenspiel zwischen der Tänzerin und dem künstlichen Phallus beobachten. Sie scheint das Tragen zu genießen, denn es gibt ihr die Möglichkeit die verschiedenen Identitäten, die sie in sich trägt, auszuprobieren.
Und dennoch ist das Mächtige, das Patriarchale, was unweigerlich mit einem Penis verbunden ist, oft nicht zu übersehen. Es scheint als gäbe es teilweise auch für Julia B. Laperrière kein Entkommen, wenn sie förmlich gegen mit Penissen bemalte Wände bemalt rennt.
Doch die Ankündigung wird vollends erfüllt: Die Suche nach einer alternativen weiblichen Sexualität ohne Scham nimmt in der Performance ein sehr konkretes Bild an. Wir folgen dem schwesterlichen, ja telepathischen Austausch von Musikerin und Tänzerin. Werden von Bild zu Bild mit großer Sogkraft gezogen. Berührtsein und Konfrontation wechseln sich ab. Natürlich bleiben Fragen offen.
Hintergrund
Julia B. Laperriere lebt und arbeitet als Choreografin, Tänzerin und Performerin in Berlin und Montréal. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit Weiblichkeit, Gender-Stereotypen und – Identitäten. Eine erste Solo-Version von Falla wurde bereits beim vergangenen OutNow! Festival 2019 in der Schwankhalle gezeigt.
To Die Like A Man. Wohin mit der Maskulinität?
Mit einem teils neuem und teils alten Team wird sich das Programm der Schwankhalle Bremen dieses Mal stärker als bisher an dem Themenschwerpunkt orientieren. Künstler*innen aus der lokalen, überregionalen und internationalen Freien Szene werden in der jetzigen Spielzeit auf unterschiedlichste Weise das Identitätskonzept Maskulinität untersuchen. Phänomene und Folgen toxischer Männlichkeit werden untersucht und alternative Formen in den Arbeiten präsentiert.
Dienstag 6.10/ 19Uhr
Let’s talk about Sex & Männlichkeit (Gesprächsreihe)
Donnerstag 8.10/ 20Uhr
Lisa Kränzler „Coming of Carlo“ (Lesung)
Freitag 9.10 & Samstag 10.10 / 20Uhr
Joana Tischkau „Being Pink Ain’t Easy“ (Tanz)
Donnerstag 22.10 – Samstag 24.10
CHICKS* freies Performancekollektiv „You don’t own me“ (Chickistischer Tanztee)
Renate Strümpel und Ambra Lunemann
mitch meint
Moin.
Sorry, aber ein Penis ist nicht unweigerlich mit Maskulinität verbunden.
Es gibt viele Frauen und Weiblichkeiten mit Penissen, ob abnehmbar oder angewachsen.
Das ist transfeindlich und auch irgendwo unlogisch.
Grüße
renate meint
Moin Mitch,
wir wollten auf keinen Fall ein transfeindliches Statement machen. Wir haben vielmehr versucht, eine Frage zu formulieren. Jene Frage, der Männlichkeit. Danke für Deine Perspektive. Wir haben hier im Kontext des Theaterstücks versucht, das dort erzeugte Bild vom Phallus zu beschreiben. Wir wollten damit nicht allen Menschen, die einen Penis haben, Maskulinität zuschreiben.
Der Text soll keineswegs transfeindlich sein. Wir werden versuchen, zukünftig noch deutlicher auf unseren Ausdruck zu achten, um so eine Rezeption zu vermeiden. Entschuldige. Grüße, Ambra und Renate