„Heißt das, du bist eine … eine Feministin?“, fragt mich meine beste Freundin nachdem ich ihr erzählte, dass ich ein Praktikum bei den frauenseiten.bremen mache. Wobei sie das Wort „Feministin“ fast flüstert, sodass ihre Frage klingt als wollte sie wissen, ob ich Mitglied in einer geheimen Untergrundorganisation sei. Ihre Stimme hat dabei einen so kritischen Unterton, als würde sie ernsthaft an meiner geistigen Gesundheit zweifeln.
Die Frage überrascht mich. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich sie wohl strikt verneint. Ich? Eine Feministin? Eine dieser Frauen, die immer was zum Meckern finden und in allem etwas Sexistisches sehen? Die sich nicht mehr rasieren, um den Männern etwas zu beweisen?
Das ist also das Bild, welches ich von Feministinnen im Kopf habe, beziehungsweise hatte. Ein ziemliches Klischee, eine Reduktion auf Äußerlichkeiten und Vorurteile, welches die Wichtigkeit des Feminismus runter spielt und ins Lächerliche zieht. Doch wie kam es zu diesem Bild? Man sollte meinen, dass gerade an einer Universität solche Klischees nicht vorgelebt werden. Doch die bittere Tatsache ist, dass ich vielen Situationen ausgesetzt war, in denen genau das geschah. Statt selbst zu reflektieren und meine eigene Meinung zu bilden, passte ich mich stets an und redete anderen nach dem Mund. Das fing schon bei meiner ersten Uni-Party an…
Ich wünschte, ich könnte in der Zeit zurückreisen und mir selbst eine Ohrfeige geben!
Ich, noch süße 18 Jahre alt, schüchtern und wohl etwas naiv, unterhalte mich mit einem anderen Gast, nennen wir ihn Bernd. Bernd scheint nett zu sein, er ist auch im ersten Semester und studiert BWL. „Und was studierst du?“, fragt er mich. Ich antworte ihm, dass ich Sozialwissenschaften studiere, worauf ein kurzes Schweigen folgt. „Ah, Sozialwissenschaften. Ist das nicht so ein Femi-Fach?“, fragt er in einem leicht abwertendem Tonfall. „Heißt das etwa, du rasierst dich nicht?“ Bei der Frage guckt er mir unmissverständlich auf den Schritt. Woraufhin ich bloß dumm kichere und von mir gebe, dass mein Studiengang ja gar nicht so feministisch sei.
Auch wenn ich diese Reaktion immer gern auf den Alkohol schiebe, wünschte ich mir wirklich, ich könnte in der Zeit zurückreisen und mir selbst eine Ohrfeige geben! Und dann würde dieser Bernd was zu hören bekommen! Ich würde wohl so etwas sagen wie: „Wir kennen uns nicht mal seit 10 Minuten und es geht dich weder etwas an, wie ich meinen Intimbereich gestalte, noch meine sonstige Körperbehaarung!“ Oder ich hätte im sarkastischen Tonfall sagen können: „Ja, Sozialwissenschaften ist ein ‘Femi-Fach‘ und von den circa 130 Frauen in meinem Semester rasiert sich keine einzige, weil ‘Femis‘ den Rasierer bekanntlich als Sinnbild des Patriarchats sehen.“ Aber ich glaube, Ironie ist nicht so Bernds Ding.
Feminist*in ist keine Beleidigung!
Ähnliche Situationen habe ich im Laufe meines Studiums noch oft erlebt. Feminismus wird als überflüssig angesehen. Denn Feminist*innen haben ja nichts Besseres zu tun, als anderen den Spaß an politisch Unkorrektem zu nehmen und sich für Nonsens wie einer gendergerechten Sprache einzusetzen, welche doch eh nur den Lesefluss stört. Für Gleichheit sein? Schön und gut, doch bitte nicht zu laut! Und sind wir nicht eigentlich schon gleichberechtigt? Reicht das nicht schon?
Zu oft habe ich mich dieser Meinung angeschlossen, ohne sie richtig zu hinterfragen. Wenn ich ehrlich bin und einen reflektierten Blick auf die Gesellschaft werfe, bin ich mit ihr, so wie sie momentan ist, nicht zufrieden. So gern wir auch das Gegenteil behaupten würden, sind Sexismus und Rassismus noch immer allgegenwärtig. Das traditionelle Rollenbild von Mann und Frau ist nach wie vor fest in den Köpfen der Menschen verankert. Der Gender Pay Gap liegt in Deutschland im Durchschnitt noch immer bei 21 Prozent. Und vielleicht ist es ja nötig, sich über ‘Kleinigkeiten‘ zu echauffieren. Immerhin fängt Sexismus mit ‘Kleinigkeiten‘, wie dem Fehlen einer gendergerechten Sprache an und endet damit, dass eine Aussage wie „grab them by the pussy“ nichts ist, was einen heutzutage davon abhält, Präsident zu werden.
Ich will mich nicht in ein etabliertes Rollenbild pressen lassen oder mit der ungleichen Behandlung der Geschlechter zufriedengeben! Ich möchte zu meinen Überzeugungen stehen und mich dafür engagieren und genau dafür steht doch der Feminismus? Und ist es nicht…? Und überhaupt…?
„Hannah … noch da?“, unterbricht eine Stimme meinen inneren Monolog, meine Freundin wartet noch immer darauf, dass ich ihr endlich antworte. „Ja“, sage ich schlicht, „ja, meine liebste Freundin, ich sehe mich als Feministin.“
Und die Erkenntnis, dass Feminist*in keine Beleidigung ist, hat mich bloß sechs Semester gedauert. Doch wie sagt man so schön: Besser spät als nie!
Hannah Rößer
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