Sex ist kaum trennbar von dem Spiel um Kontrolle und Loslassen, insbesondere Hetero-Sex, der immer im Kontext patriarchaler Machtstrukturen stattfindet.
Literatur und Filme darüber sind leider oft so klischeehaft, dass sie mit der Realität so wenig zu tun haben wie adrett inszeniertes Kuchenbacken in ansonsten unberührten Küchen von selbsternannten Tradwives. Entweder lassen sich junge, naive, hübsche Frauen von Anzugträgern den Hintern versohlen oder der CEO geht am Ende des Arbeitstages zur Leder-Domina, um auch mal was zu fühlen. Dabei lohnt sich ein Blick hinter das Zerrbild, denn wenn sich ein Paar in einer Fantasie trifft und diese auch noch gemeinsam umsetzen kann, lösen sich im besten Fall Stereotype auf und Geschlechterrollen verschwimmen.

Ich habe gerne die Kontrolle. Mein Freund lässt sich gerne sagen, was er zu tun hat. So sagt er jedenfalls. Und damit tun sich die Widersprüche schon direkt auf. Wer Consent ernstnimmt und gleichzeitig mit Dominanz und Unterordnung experimentieren will, kommt sehr schnell an den Punkt, dass die Person, deren Grenzen getestet werden, das Sagen hat. Sie bestimmt, was angenehm ist und wann Schluss ist.
Ich kratze, beiße, schlage gerne und lasse meinen Partner auch mal einfach links liegen und im Ungewissen, was als nächstes kommt. Für jemanden, der seine Kontrolle nur sehr kontrolliert abgibt, kann das herausfordernd sein. Eine Vorliebe, die mein Freund mitgebracht hat, passt aber so gut zu uns, dass sie inzwischen fester Bestandteil unseres Repertoires geworden ist. Dabei ist er nackt bzw. zieht sich aus, wenn ich es ihm sage, während ich bekleidet bleibe und entscheide, was passiert. Die Objektifizierung des männlichen Körpers verkehrt bekannte Sehgewohnheiten ins Gegenteil.
Konsens ist Alles
Mein Freund mag die Vorstellung einer Frau, die sich beim Sex nimmt, was sie will. Wie das auszusehen hat, ist in seiner Fantasie jedoch recht festgelegt und dreht sich erstaunlich viel um den Penis. Dabei birgt das anale Penetrieren von Männern ein großes Potential an Lustgewinn, wie Katja Lewina in ihrem wunderbaren Artikel über Pegging beschreibt: Pegging: Wenn die Frau in den Mann eindringt – DER SPIEGEL
Schon das Reden über Fantasien, sexuelle Erfahrungen und unerprobte Praktiken ist ungemein erotisch. Es erfordert, sich fallenzulassen und Intimes preiszugeben. Mein Freund und ich reden ausgiebig und schonungslos über all diese Dinge. Spätestens mit der Umsetzung von Fantasien, insbesondere im BDSM-Kontext, sind detaillierte Kommunikation und Consent unerlässlich. Bei uns geht es so weit, dass wir (also er) auch Einverständnis auf Vorrat vereinbaren. Wenn das ungefragte Nehmen selbst die Fantasie ist, bleibt die Umsetzung näher an der Vorstellung, wenn nicht unmittelbar gefragt wird, ob es ok ist. Ich könnte ihm zum Beispiel spontan die Hose runterziehen und auf den Po hauen, zu Hause – oder in einer beliebigen Alltagssituation. Darüber hinaus haben wir Szenarien mit weitergehender Eingriffstiefe entwickelt, die ich bei passender Gelegenheit umsetzen kann.
Das Umkehren von patriarchalen Strukturen
Dabei lege ich Wert darauf, dass Dritte, die ihren Consent nicht im Vorfeld geben konnten, nicht ungefragt in so einer Situation vereinnahmt werden. Doch auch hier gibt es Unschärfen. Wie viel Sexualität in der Öffentlichkeit ist erlaubt ohne einerseits Unbeteiligte zu belästigen und andererseits nicht zu einer vollständig prüden und lustfeindlichen Gesellschaft zu werden? Küssen im öffentlichen Raum ist hier weitgehend akzeptiert und wer sich davon gestört fühlt, hat kaum eine Möglichkeit sich dem ständigen Geknutsche zu entziehen. Ich lege Wert darauf, niemanden zu stören, aber ich lege auch Wert darauf, meinem Freund ab und zu zwischen die Beine zu greifen und kann dabei nicht dafür garantieren, dass es niemals jemand sieht. Einmal habe ich ihn nackt auf dem Balkon ausgesperrt und dafür naserümpfende Nachbar*innen billigend in Kauf genommen.
Eine Absprache ist immanent in der für ihn und mich gleichermaßen luststeigernden Kontrolle über seinen Orgasmus. Das reicht vom klassischen Hinauszögern und zulassen („maintenant, viens!“) bis zu längeren Phasen, in denen er nicht kommen darf. Er muss mich dann aktiv warnen, wenn er kurz davor ist, zu kommen. Die Kontrolle, wie es weitergeht, liegt bei mir – ein willkommener Beitrag zur Reduzierung des Orgasm Gap.
Egal, wie weit man geht: Das Spiel mit der weiblichen Dominanz eröffnet lustvolles Potenzial zur Überwindung patriarchaler Strukturen.
Rosa K.
Das ist der zweite Artikel der Reihe: Feministisch Männer lieben
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