Auf geht’s! Schmeißen wir uns in die neue Reihe zum Thema Feministische Mutterschaft! Zu diesem ersten Artikel muss ich vorweg sagen, dass er mich einiges an Nerven kostete und ich ihn sage und schreibe 40 Mal überarbeitet habe. Er entstand nämlich bereits während meiner Schwangerschaft, als sich mein Gehirn zunehmend zu einer zähen Breimasse entwickelte und sich meine komplette Kopfkapazität aufs Gebären zu konzentrieren schien. Die ein oder andere kennt’s vielleicht. Nur so viel: Es wird wieder besser!!!
Starten wir also ganz basic mit dem vermeintlichen Beweggrund überhaupt erst mal eine Beziehung einzugehen: Liebe.
Alle sprechen von ihr. Sie scheint allgegenwertig, wird besungen, bezeugt und teilweise inflationär bekundet “Ja, kaufe ich noch ein mein Schatz. Tschüss. Ich liebe dich.”
Und doch bleibt sie in ihrem eigentlichen Wesen ein Mysterium.
Zur Autorin
Die Autorin erregte erstmals Aufsehen mit ihrem Essay “Ain’t I a Woman”. Es folgte eine Reihe von bedeutenden Schriften, ehe sie 2000 den Vorgänger “all about love” (alles über Liebe) des hier rezensierten Buches „lieben lernen – alles über Verbundenheit“ veröffentlichte. Sämtliche Werke der Schriftstellerin widmen sich sowohl der Rassismuskritik als auch dem feministischen Schreiben. Emanzipation sowohl der schwarzen, als auch der weiblichen Bevölkerung steht dabei im Mittelpunkt ihrer Überlegungen.
Der moderne Feminismus lässt die Frage nach der Liebe ausgeklammert
Feminismus ist gut und wichtig! Das würde bell hooks ebenso unterschreiben. Schließlich findet sich in ihrer Literatur vieles zum Thema. Dennoch kritisiert sie im Buch die “moderne” Form dieser gesellschaftlichen Bewegung. So beklagt sie, dass der moderne Feminismus sich oft auf das Streben nach Erfolg und Macht fokussiert und dabei Sehnsüchte nach Liebe oder Partnerschaft ausgeklammert (oder gar negativ bewertet). Es ginge jungen Feministinnen zu sehr um Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt oder darum, die klassischen Rollen umzudrehen, statt sie zu verändern. So stellt hooks zur Debatte, dass bei modernen Formen des Feminismus lieben ein gewisses Stigma erfährt und eine „Kultur der Lieblosigkeit“ (108) nach sich zieht:
,,Wer sich nach Macht sehnt, kann das laut aussprechen. Der Wunsch nach Liebe muss geheim bleiben. Ein solches Verlangen zum Ausdruck zu bringen bedeutet, zu den Schwachen, den Weichen zu zählen.“ (106)
Dies könne nicht der Weg für die Liebe sein, meint sie. Schließlich schlummere das Bedürfnis nach diesem besonderen Gefühl in (fast) einer jeden von uns. Zunehmende Machterlangung dürfe nicht an die Stelle des Liebens rücken. Denn dann sei es kein Wunder, dass Frau, die sich nach Liebe sehnt, denkt, sie habe keine andere Wahl, als zu konventionellen Konzepten von (Paar-) Beziehungen zurückzukehren. Deshalb betont sie die Dringlichkeit mutiger Entwürfe und Konzepte bezüglich Liebe, denen junge Feministinnen in der aktuellen gesellschaftlichen Lage zustimmen können und die diese vorantragen wollen – Aber wie können diese Ideen von Liebe aussehen?
Fürsorge – ein Synonym für die Liebe?
Zunächst ist es von Bedeutung, sich die Liebe etwas genauer anzuschauen. Was bedeutet es zu lieben? Und vor allem, was bedeutet es nicht?
Sich umeinander sorgen oder eine funktionierende Beziehung führen? Genau das dürfe man nicht fälschlicherweise als Liebe zwischen zwei Menschen verstehen. Zwar stimmt die Autorin dem Psychoanalytiker Erich Fromm zu, dass Fürsorge ein Aspekt von Liebe ist oder sein kann, aber keinesfalls mit ihr gleichgesetzt werden dürfe. So gehören Verbundenheit, Respekt, Erkenntnis, Vertrauen und Verantwortungsgefühl gleichermaßen zur “Handlung des Liebens”. Sie ist außerdem der Meinung, dass ein übermäßiges Maß an Fürsorge innerhalb einer Beziehung gefährlich sein kann, da eine gewisse Co-Abhängigkeit entstehen könne, die der umsorgten Person eher Schaden zufügt. Schließlich wächst niemand daran, „bemuttert“ zu werden.
Handeln in gesellschaftlich anerzogenen Rollenklischees
„Bemuttern“ – der nächste wichtige Aspekt, den wir uns auf der Zunge zergehen lassen sollten. Spannend, welche Erwartungen an die jeweiligen Geschlechter hier gestellt werden oder? Oder gibt es etwa ein „männliches“ Äquivalent wie bevätern? Die gesellschaftliche Annahme Frauen wären “von Natur aus fürsorglicher” oder “besser darin Beziehungen aufzubauen” offenbart sich darin. Liegt hier vielleicht auch der Grundstein für die Annahme, Frau müsse sich um gewisse Care-Arbeit in Beziehung und Elternschaft kümmern, während es total normal ist, wenn Mann sich nicht gleichermaßen einbringt? Diese Logik prägt leider zu oft Denken und Handeln in heterosexuellen Paarbeziehungen.
Oft gipfelt sie darin, wenn besonders hervorgehoben wird, dass er so schön „mithilft“ und man deshalb ja großes „Glück habe“. bell hooks sagt diesbezüglich ganz klar, man würde nicht “fürsorglich geboren” sondern bekomme diese Fähigkeit anerzogen. Außerdem sei diese “sexistischen Konditionierung” auch der Grundstein für die Annahme, Liebe sei “Frauenthema” (136). Dass Frau von Natur aus eher in der Lage ist zu lieben widerlegt sie:
,,Wenn es um Liebe geht, versagen wir ebenso wie die Männer, weil wir einfach nicht wissen, was zu tun ist.” (123)
Deswegen (und auch um sich der Rollenklischees zu entledigen) sei es Zeit, das wahrhaftige Lieben zu lernen, statt sich Macht, Anerkennung oder Unterstützung zu sichern. Denn das stelle die “tatsächlich größere Gefahr für den patriarchalen Status quo dar” (125).
,,Der eine Mensch, der uns nie verlassen wird, (…) sind wir selbst.”
Wenn es nun also darum geht, das Lieben lernen zu wollen, meint die Autorin, müsse man bei der Selbstliebe beginnen (142). Sie erkannt, dass Liebe nicht zwingend als Ursprung in der Beziehung mit einer anderen Person zu finden ist, sondern bereits beim Bemühen um Selbstverwirklichung beginnt:,,Zu lernen frei zu sein, war der erste Schritt hin zur Liebe” (58).
Als zentrale Hürde den Platz der Liebe im Leben einer Frau dementsprechend zu interpretieren sieht sie die (Selbst-) Akzeptanz des weiblichen Körpers. Grund dafür seien die Auswirkungen von Schönheitsidealen bei jungen Frauen und deren “gravierendere Auswirkungen auf die Selbstakzeptanz” (143).
Der moderne Feminismus trage diesbezüglich zwar zu einem gewissen Fortschritt bei, indem es zwar ein erhöhtes Bewusstsein bezüglich Themen wie Körper, Genitalien, Scham, Hass und Wut gibt. hooks meint aber, dass das allein nicht ausreiche, um dieses “Problem” tatsächlich anzugehen. “Body Positivity” würde zwar überall gepredigt, was dies aber tatsächlich bedeute und wie eine jede Person es für sich lernen und leben könne, bleibe unklar.
Feindbild Mann?
Um nun die verschiedenen Akteur*innen der aktuellen Situation des Liebens sortiert zu bekommen, reiche es laut hooks nicht aus, jene auf ihr Gender zu beschränken. Denn entscheidender als ein vermeintliches Geschlecht sei ,,das tatsächliche Handeln der Personen in unserer immer noch stark patriarchal geprägten Gesellschaft”. Doch was ist damit gemeint? Es meint, dass “Schuld” an den vorherrschenden Gesellschaftsstrukturen nicht per se “der Mann” ist, sondern das Patriachat und all jene, die es unterstützen:
,,Ich gebe individuellen Männern nicht die Schuld an diesem System. Sie setzen es größtenteils fort, ohne es zu wissen. Und Frauen tun das auch.” (225)
Betrachten wir dafür einmal die vermeintlich feministische Selbstbezeichnung vieler junger Frauen als „Bitch“ oder „Karrierezicke“. Diese sei nicht rebellisch oder revolutionär, sondern die “Kapitulation vor der Auffassung, mächtige Frauen seien zickig und bräuchten keine Liebe in ihrem Leben”. Diese Begrenztheit im Bezug auf Identität, Sehnsüchte und Lebensgestaltung gelte es zu entkräften, anstatt tief sexistische Bilder unreflektiert zu reproduzieren.
Die Autorin ist der Meinung, dass es hingegen genügend Männer gebe, die die aktuelle Situation nicht unterstützen wollen und mehr als bereit wären, etwas zu verändern. Wichtig dafür sei es, Geschlechterrollen nicht als biologisch determiniert und deshalb als hinnehmbar anzunehmen. Vielmehr solle begriffen werden, dass jene Rollen von der Gesellschaft auferlegt sind und sich Menschen aller Geschlechter diesen Bildern widersetzen müssen, um etwas zu bewegen. Ein Feindbild zu kreieren und Männer im Allgemeinen abzulehnen sei also wenig zielführend!
“Frauen, die sich für die Liebe entscheiden, müssen klug, waghalsig und mutig sein”
Ein empowerndes Statement zum Abschluss dieses Werkes, was nochmal verdeutlicht, dass junge Frauen ihre Denkweise zu mehr Selbstwertgefühl und -liebe verändern müssen und sich trauen sollen, auch andere Person ernst und aufrichtig zu lieben. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen Akt der Schwäche oder der Unterordnung patriarchaler Strukturen, sofern man den schwierigen, langen sowie zeitintensiven Weg geht, sich Gegenseitigkeit zu erarbeiten. Denn einfach Rollen zu tauschen, Männern die Schuld am Unerfüllten zu geben und immer mehr Macht über jene zu erlangen dreht Rollenklischees lediglich um, statt sie aufzubrechen und ein für alle mal zu begraben.
Für bell steht fest: FLINTA können so viel mehr sein als eine „harte Bitch“ oder ein „braves Mädchen“. Sie sollten danach streben, vermeintliche Widersprüche in ihrer Identität zu verinnerlichen. Ich kann für mich festhalten, dass eine cis-Frau sowohl ein Kind wollen darf, als auch erfolgreich im Beruf zu sein. Gleichzeitig muss es möglich sein, eine liebevolle Beziehung (zu einem cis-Mann) zu führen, der genauso wie ich das Patriachat auflösen möchte und den Frauenkampftag in der eigenen Stadt zu organisieren.
Gibt es auch Kritik?
Trotz der vielen Aha-Momente beim Lesen dieses Buches, hinsichtlich meiner persönlichen Fragestellung nach Feministischer Mutterschaft gibt es für mich ein paar kleine Kritikpunkte.
So empfand ich das binäre Geschlechtsprinzip in diesem Buch sehr betont. Es ging fast ausschließlich um cis-Mann und cis-Frau sowie deren heterosexuelle Liebe. Das mag daraus resultieren, dass die Autorin sehr persönliche Bezüge herstellt und diese nun mal aus den Erfahrungen einer cis-Frau mit einem (oder mehreren) cis-Männern stammen. Trotzdem fehlt mir diesbezüglich ein kleiner Disclaimer zu Beginn des Buches oder der Versuch das Ganze neutraler zu formulieren und alle Identitäten miteinzubeziehen.
Trotz der Entkräftigung des Feindbild Mann, finde ich, wird im Hinblick auf das männliche Geschlecht sehr verallgemeinert und teils veraltet geurteilt. So lebe ich persönlich mit einem Mann zusammen, der all diesen Klischees so gar nicht entspricht und das Buch wahrscheinlich nach ein paar Seiten aus der Hand legen würde.
Deshalb hoffe ich, dass Männer oder Personen anderer Geschlechts- oder Liebeskonzepte es schaffen, die teils verallgemeinernden Aussagen nicht zu sehr zu gewichten. Schließlich hält das Buch vielerlei Erkenntnis bereit!
Lain
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