Femme Invisibility, zu deutsch die Unsichtbarkeit einer Femme, einer „sich klassisch feminin gebenden“ Lesbe, ist eine besondere Art von Diskriminierung. Von Vorurteilen kann sich nämlich keine*r lösen. Wir alle haben ein bestimmtes Bild von Menschen im Kopf: Ein Franzose muss sich so verhalten, ein Schwuler muss so aussehen und eine Lesbe tritt nun mal stereotyp auf. Vorurteile sind nur so lange ein Problem, wie wir uns auch von ihnen beeinflussen lassen. Ob es mich überrascht, dass sich jemand, den ich in eine Schublade gesteckt hatte, anders verhält, ist zweitrangig, solange ich ihn oder sie trotzdem mit Respekt behandele und mich von meinen Vorurteilen nicht leiten lasse. Genau dieses geschieht aber regelmäßig bei Lesben.
Femme? Butch?
Vielleicht erst mal eine kleine Einführung in die verschiedenen Begriffe – vielleicht sind sie ja nicht jeder Leserin hier vertraut. Eine Femme ist eine lesbische Frau, die sich sehr feminin gibt, sprich Kleider trägt, Makeup mag, sich so gibt, was man von einer „typischen“ Frau erwartet – Klischees eingeschlossen. Eine Butch ist dagegen eine Lesbe, die sich „traditional männlich“ zeigt, also mit kurzen Haaren, maskuliner Kleidung – also ebenfalls innerhalb der Klischees. Butch ist ein umgangssprachliches Wort aus dem englischen für männlich. Natürlich gibt es genug Homosexuelle, die sich in keine der Kategorien einteilen lassen und lassen wollen und vor allem sind diese Kategorien schnell eine Verallgemeinerung, die ich nicht anstrebe. Für das Thema Femme Invisibility geht es aber genau um die Frauen, die aufgrund ihres sehr femininen Auftritts nicht als homosexuell wahrgenommen werden. Gerade im Rahmen der Queer-Bewegung, in der die traditionellen Geschlechter und Sexualitäten ja gerade demontiert und abgeschafft werden sollen, ist diese Nichtwahrnehmung ein großes Problem.
Das Problem der Femme Invisibility
Erfahrungsberichte zeigen ein deutliches Bild: „Du bist zu hübsch, um eine Lesbe zu sein.“ ist eine oft gehörte heteronorme Reaktion. Dass man der betroffenen Person damit fast schon ihren Anspruch auf ihre Sexualität abspricht, ist nicht unbedingt beabsichtigt oder bedacht, stellt aber das Hauptproblem da. Für viele Lesben kommt damit ein zweites Outing einher, in dem sie ihre Sexualität neu erklären und vor allem neu rechtfertigen müssen. Der Arbeitskollegin, den neuen Bekannten, allen muss erneut klar gemacht werden, wer man ist, und in den schlimmeren Fällen auch das eigene Auftreten verteidigt werden. Es ist indirekte Diskriminierung, weniger offensichtlich als direkte Konfrontation und Anfeindung. Als würde das Äußere ein automatisches Kriterium für die Sexualität sein. Aber auch innerhalb der eigenen Community zeigen sich Probleme: Viele Femme-Lesben werden von potenziellen Dating-Partner*innen nicht wahrgenommen, oder schlimmer, in Bar und Clubs für Homosexuelle angefeindet, was sie denn als Heteros hier zu suchen hätten. Sogar in der eigenen Szene sind die Erwartungen an andere Lesben immer noch so maßgebend, dass eine negative Rezeption nicht vermieden werden kann. Auch hier gilt wieder: Nicht jeder Femme passiert so etwas und keine Community ist entweder völlig tolerant oder völlig intolerant. Aber es sind eben diese oben genannten Erfahrungsberichte, die das Leben vieler Femmes so schwierig machen und neue Hindernisse bilden.
Vorurteile sind so oder so der Ursprung des Problems. Seien es die Vorurteile durch Unwissenheit, durch mangelnden Kontakt vieler Menschen mit der LGBTQIA*-Szene oder auch die mangelnde Toleranz, die Folge von Vorurteilen, innerhalb der eigenen Community. Offener Umgang, offene Augen und vor allem die Akzeptanz von noch so ungewöhnlichen Lebensstilen sind manchmal schon genug, um einem anderen Menschen zu ermöglichen, sich weniger missverstanden zu fühlen.
Kim Hofschröer
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