Schwule und Lesben stehen dem Mittelpunkt der Gesellschaft näher als früher. Schwule und Lesben in der Politik sind kein Tabu mehr. Das Outing von Prominenten und Charakteren in Filmen und Serien ist nicht mehr so ein großer Schock. Aber das Interesse von Heteros ist nicht immer ganz harmlos. Denn oft kleidet sich die Aufmerksamkeit, die Heteros Schwulen und Lesben schenken, im Gewand des Fetischismus.
Fetischisiere ich gerade?
Fetischismus ist ein Wort, das eine Begriffserklärung erfordert. Es geht dabei nicht nur um Sex. Denn damit meine ich nicht bloß den Umstand, dass hetero Frauen und Männer von den Sexleben von Schwulen und Lesben fantasieren. Mit der Fetischisierung von Schwulen und Lesben meine ich auch die vereinnahmende Neugier von Heteros an die Leben und Liebesleben von queeren Menschen, sowie die Verbreitung von und Belustigung an Stereotypen. Ohne großartig Marx oder Freud zu Zitieren: die Fetischisierung von Schwulen und Lesben ist die Betrachtung von queeren Menschen, die sie auf Queersein reduziert und sie als etwas behandelt, das den Interessen von Menschen dient, die nicht queer sind.
Um ganz ehrlich zu sein, ist dies ein Thema, das ich nur bedingt nachvollziehen kann. Denn ich bin nicht hetero. Fetischisierung von queeren Menschen ist ein Phänomen, das ich beobachten und beschreiben kann. Aber die Gedankengänge, die davon ausgehen, finden nicht alle in meinem Kopf statt — nicht, dass alle queeren Menschen selbst von fetischisierendem Verhalten ausgeschlossen sind. Ich habe aber kein Heterogehirn, das hetero denkt. Viele Leser*innen dieses Artikels schon. Es ist die Aufmerksamkeit aller bei diesem Thema gefragt, aber vor allem Heterosexuelle bitte ich, sich selbst zu Fragen, ob ihr Interesse an queeren Menschen wirklich immer nur gut gemeint ist.
“Lesbische” Pornographie und männliche Konsumenten
Fangen wir bei dem am schlechtesten gehüteten Geheimnis an: hetero Männer finden Lesben geil. Tatsächlich hat ein sehr großer Teil der Pornographie, die für Männeraugen gemacht ist, eine lesbische Thematik. Auch ich habe ein Paar dieser Filmchen gesehen. Denn als ich meine Pubertät durchlitt, hatte auch ich einen unüberwachten Internetanschluss. Natürlich vermissen solche Darstellungen weiblicher Sexualität echte emotionale Intimität. Ziel der Filme und Bilder ist es auch nicht, lesbische Sexualpraktiken lebensecht darzustellen. Ich weiß, jede hat anders Sex. Aber das exzessive Stöhnen und Fisten in “lesbischen” Pornos ist nicht gerade repräsentativ.
Nun kann ein junger Mann den ganzen Tag lesbische Pornographie konsumieren und trotzdem Lesbenfeindlich sein. Das ist überhaupt kein Widerspruch. Denn wenn ein junger Mann den ganzen Tag Lesbenpornos guckt, die für ihn gemacht sind, warum sollte er dann nicht glauben, dass Lesben im Allgemeinen für seine Zwecke existieren? Einige Männer kapieren dann nicht, dass mit der Aussage “ich bin lesbisch” gemeint ist, dass ihre Flirtversuche unerwünscht sind.
Der pornographische Fetischismus von Lesben verbleibt dabei nicht nur in Pornos. Denn auch Werbung und Darstellungen von Sex oder Liebe zwischen Frauen in Filmen und Serien hat selten die Zielgruppe von frauenliebenden Frauen im Blick und bedienen sich der Pornos für Männer als Vorbild. In der Werbung dient Zärtlichkeit zwischen Frauen vor allem als Eye Candy für Männer. Allerdings mögen auch Lesben sich von solchen Darstellungen angesprochen fühlen, weil es sonst nichts für sie gibt. Hier mag es nicht immer leicht sein einzuschätzen: Ist das jetzt für Lesben oder Männer? Als Merkmal von Medien, die eigentlich für Männer sind, findet sich oft in solchen Darstellungen die Film- und Photographiesprache der Male Gaze wieder. Das heißt: Frauen werden voyeuristisch als Objekte, statt als Subjekte abgelichtet. Zärtlichkeit und Emotionalität sind solchen Darstellungen oft fremd.
Lieb gemeint, aber trotzdem nicht nett: Schwulenklischees
Die Fetischisierung von schwulen Männern ist weniger auf ihre Sexualität beschränkt. Der Schwulenfetisch richtet sich viel mehr auf Stereotype. So werden schwule Männer gern als humorvoll, kosmopolitisch, tuntig, zickig, modebewusst, und tratschig dargestellt. Das sind nicht alles negative Eigenschaften, weshalb sich manche Schwule gerne in die Fetischnische quetschen. Als Abklatsch angenommen zu werden, ist für viele angenehmer, als der Ausschluss aus sozialen Kreisen. Aber nicht alle sind froh darüber, von allen hetero Frauen als potenzieller “schwuler bester Freund” angesehen zu werden.
An der Fetischisierung von schwulen Männern sind sowohl Männer als auch Frauen beteiligt. Immerhin basiert ein Großteil von Michael “Bully” Herbigs Karriere auf überdrehten Karikaturen von schwulen Männern. Welche voll lustig sind, denn, Hihi! Schwul! Wenn auf die Schwulenfeindlichkeit hingewiesen wird, die von solcher Unterhaltung ausgeht, entgegnen einige, dass das ja überhaupt nicht böse gemeint ist: “Nein, ich find es ja nur lustig weil es bescheuert ist, nicht weil jemand Schwul ist! Und überhaupt finde ich Schwule voll süß und harmlos!” Aber Karikaturen von Schwulen sind eben nicht bloß Karikaturen, sondern Karikaturen von Schwulen. Und egal wie gut gemeint man Stereotype findet, sie führen immer dazu, dass jemand in Schachteln gezwängt wird und als Mensch übersehen wird.
Schwule Männer sind keine Accessoires
Kommen wir also zu dem vorhin erwähnten schwulen besten Freund zurück. Den wünschen sich viele hetero Frauen. Sie stellen sich vor, ein schwuler Mann wäre eine Bereicherung für ihr Leben. Er geht mit ihnen shoppen, redet mit ihnen über Männer, gibt Modetipps und ist dabei völlig ungefährlich, weil er weder ihren Freund wegschnappen kann, noch auf sie stehen könnte. In einigen Medien wird dieses Klischee immer noch ohne Selbstkritik angepriesen. Aber viele schwule Männer finden diese Form von Vergötterung gar nicht toll. Denn durch das Ideal des schwulen besten Freundes, werden schwule Männer zu Anhängseln gemacht, die das Leben von Heteros bereichern sollen. Der Mensch wird zum Fetisch reduziert.
Natürlich dürfen Heteros sich für Schwule und Lesben interessieren. Es ist ja auch nichts grundlegend schlimmes daran, eine Vorliebe für Filme oder Bücher über queere Menschen zu haben. Am Ende des Tages muss man aber trotzdem die eigenen Gefühle einmal unter die Lupe zu nehmen. Denn auch ein scheinbar positives Interesse ist nicht zwangsläufig der Beweis, dass man nicht homophob ist. Ein Interesse mit Fetischcharakter zählt nämlich selbst zu den Auswüchsen von Homophobie. Das zu erkennen, bedeutet zu versuchen, nicht nur durch die eigenen Augen zu gucken. Zumindest merke ich, dass meine Welt oft noch durch Heteroaugen definiert wird. Dann verdrehe ich meine Lesbenaugen.
Kathy Hemken
Laura meint
Sowas gibt es leider auch bei bisexuellen Menschen, denen oft ein Dreier vorgeschlagen wird, weil der Gegenüber leider immer noch oft davon ausgeht, dass dies deren Neigungen entsprechen würde, weil sie sich ja zu Mann und Frau hingezogen fühlen. Viele glauben auch noch dem Vorurteil, dass Bisexuelle nicht in der Lage sind monogame Beziehungen zu führen, weil sie erst glücklich sein können, wenn sie zu mindestens einem Mann und einer Frau gleichzeitig sexuellen Kontakt haben.
Ich will nicht ausschließen, dass dies gar nicht existiert, aber ich habe von vielen Bisexuellen gehört, dass es sie nervt, wenn ihnen so ein Angebot unterbreitet wird.
Edda meint
Ich kenne es auch umgekehrt, nämlich dass schwule Männer sich einen regelrechten Harem aus Frauen halten und sich als Star in deren Mitte geben. Vielleicht ist das eine ungesunde selbst -Fetischsierung.
und in einem anderen Fall war es so, dass der schwule Mann die beste Freundin nicht ‘freigegeben’ hat für andere Männer. er war zwar ausdrücklich schwul, hat aber trotzdem gemischte Signale geschickt, quasi geflirtet und eine beziehungsaehnliiiche Struktur gepflegt, so dass die Frau immer in einem emotionalen Schwebezustand war,. weil sie eigentlich verliebt war. das ist. für Frauen gefährlich,. weil viele auch sexlos klarkommen, sie aber dennoch Sehnsucht nach mehr haben, dazu aber emotional zu gebunden an den schwulen Mann sind, dem sie sich ja sehr nahe fühlen. das ist sicher eine insgesamt ungute Dynamik, aber. vielleicht haben schwule auch selbst eine Verantwortung an dieser Stelle.
Ruth meint
Immerhin gelten viele Schwule immer noch als “beste Freunde” der Heteras. Aber was ist mit den Lesben? Meiner Erfahrung nach ziehen sich die meisten Heteras zurück, wenn sie erkennen, dass die beste Freundin eine Lesbe ist… Ich habe oft für die Liebeskummer-Männer-Geschichten als Kummerkastentante herhalten müssen, nach dem Outing, dann aber nie wieder was von den Heteras gehört…