Meine erste Begegnung mit der Australierin Hannah Gadsby war, wie für viele wohl, 2018 auf Netflix in dem herausragenden Stand-Up Stück Nanette. Mit diesem erlangte sie weltweite Bekanntheit, als es nach einer Tour durch Australien und weiteren Stationen von Netflix in Sydney aufgezeichnet wurde.
Leben
Hannah Gadsby studierte Kunstgeschichte, bevor sie anfing, als Stand-Up-Comedian auf kleineren Bühnen in Australien aufzutreten. Sie ist dabei Autorin sowie Performerin ihrer eigenen Bühnenstücke.
Ihre Stücke handelten zunächst davon, wie sie als lesbische Frau in Tasmanien aufwuchs, und von ihren persönlichen Erfahrungen mit gewaltvollen Erlebnissen in einer konservativen Gesellschaft. Diese Themen reflektierte sie in ihren frühen Stücken stets auf eine humorvolle Weise, indem sie Witze darüber machte und das Publikum zum Lachen brachte. Allerdings gelangte ihre Karriere an einen Punkt, an dem sie so nicht weitermachen wollte. Daher schrieb sie das Stück Nanette.
Nanette – ein Welterfolg und eine neue Perspektive
In Nanette, welches eher einer Performance oder einem Manifest nahe kommt, berichtet Hannah Gadsby geschickt über ihr Leben als Komikerin und wie sie ihre persönliche Geschichte und ihre Traumata jahrelang als Comedy verkauft hat. Damit wolle sie jetzt endgültig brechen, da es ihr einfach nicht mehr möglich sei, so ihr Leben zu bestreiten, ohne alte Wunden aufzureißen. Zudem sei es eine doppelte Belastung für andere LGBTQI+ Menschen, wenn es in einem Comedy Programm auf Kosten einer Gruppe geht, die sich sowieso schon in einer schwierigen Welt bewegen muss.
Es entsteht eine unglaublich intelligente und nachhaltig wirkende Erzählung, mit der das Publikum konfrontiert wird. Nanette gestaltet sich dabei zu Anfang wie ein gängiges Stand-Up Comedy-Special und mutiert dann zu einem Spiel mit dem Genre Comedy selbst. Ein gutes Beispiel aus dem Programm und dafür, warum Nanette so intelligent ist, wäre der Moment (oder Wendepunkt), in welchem Gadsby das Genre Comedy in Frage stellt und bereut, all diese Geschichten durch Witze erzählt und ihre Traumata als Endlosschleife wieder erlebt zu haben.
„..comedy has suspended me in a perpetual state of adolescence“
Sie erklärt weiter, dass es einen Unterschied zwischen Witzen und Geschichten gibt. Geschichten brauchen einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, Witze nur einen Anfang und eine Mitte. Sie habe eine Comedy Show über ihr Coming Out gemacht und dadurch eine formende Erfahrung in ein Trauma eingefroren und es in Witzen konserviert. Die Geschichte im Programm mit Witzen wurde durch die Wiederholung mit ihrer echten Erinnerung vermischt. Sie müsse ihre Geschichte ab jetzt richtig erzählen.
Douglas – Gadsbys zweiter Netflixerfolg
Douglas ist das zweite von Netflix aufgezeichnete Stück aus dem Jahr 2020 und hier nimmt Hannah Gadsby Beobachtungen und Unterschiede, die sie als Australierin zur amerikanischen Kultur gemacht hat, auseinander. Als studierte Kunsthistorikerin behandelt sie auch geschichtliche Kunstartefakte und Persönlichkeiten, welche sie aus einem feministischen und queeren Blickwinkel analysiert. Auch ihr Autismus spielt dabei eine Rolle.
Eine Anekdote aus Douglas ist die Geschichte um ihren Hund Douglas, der auch namengebend für die Show ist. Gadsby ist dabei eine Meisterin der Wortspiele und verpackt diese in Alltagsgeschichten, die auch immer wieder erkennen lassen, wie sie im autistischen Spektrum ihre Umgebung betrachtet. So erzählt sie von einer Situation in einem Hundepark mit einem nervigen Fremden. Die Unterhaltung, die ihr dabei aufgezwungen wird, endet in einer Diskussion um den Namen ihres Hundes. Gadsby erklärt (lügt) dabei „The Pouch of Douglas“ sei namengebend, inklusive expliziter und detaillierter Beschreibung. Wem das jetzt alles zu verwirrend erscheint, sollte unbedingt ein medizinisches Lexikon benutzen, Douglas schauen und herzhaft darüber lachen.
Warum FLINTA* der Woche?
Hannah Gadsby zeigt, dass Humor zwar wichtig ist im Leben, aber gewisse Dinge wie Traumata nicht in diese Kategorie gehören. Sie ist ein Vorbild in Sachen Achtsamkeit und zeigt, dass jede Person lernen kann, Dinge in Frage zu stellen, die ihr nicht gut tun. Außerdem ist sie auch eine Person, die immer weiter an sich arbeitet und zeigt, dass Veränderungen, egal in welchem Alter, immer möglich sind. Hannah Gadsby steht zudem als öffentlich queere Person für andere Menschen ein, die einen ähnlichen Hintergrund wie sie haben, aber keine Bühne um gehört zu werden.
Wo ist Hannah Gadsby überall zu sehen?
Nanette und Douglas befinden sich im Programm von Netflix. Beide Stücke sind absolut empfehlenswert. Weitere Informationen zu Hannah Gadsby und ihrem neuesten Stand-Up-Projekt befinden sich auf ihrem Instagram Account oder ihrer Webseite
Marike Meyer
Meryl meint
Gadsby ist mir so ein Vorbild. Toller Artikel!