Als zu marxismusfreundlich galt sie für die Bundesregierung der frühen 60er Jahre. Die angebliche Demokratiefeindlichkeit verschaffte ihr ein Berufsverbot. Als Pionierin der Informatik verfolgte sie das Ziel Frauen für die MINT-Fächer zu begeistern. Die Fachgruppe Frauen und Informatik (FRAUINFORM), die Fachgruppe Be-greifbare Interaktion (BGI), sowie das FabLab Bremen verdanken ihr die Gründung.
Wir erinnern an Heidi Schelhowe
Prof. Dr. Heidi Schelhowe wird als Menschenfreundin, willensstark und motiviert, mit guten Beziehungen in alle Universitätsstrukturen beschrieben. Ihre Lebensleistung ist beeindruckend, nie hat sie sich bremsen lassen – nicht von der Bundesregierung, nicht von ihrem Status als Mutter, nicht von den Steinen die Frauen immer schon, vor allem in technischen Bereichen, in den Weg gelegt wurden. Immer mit dem Ziel anderen Frauen den Weg in die Bildung und die digitalen Medien einfacher zu gestalten. Trotz allem wissen nur wenige um die ehemalige Konrektorin der Universität Bremen. Unsere FLINTA* der Woche ist sie daher gerade jetzt eher aus traurigem Anlass: Heidi Schelhowe ist im Sommer 2021 im Alter von 72 Jahren in Bremen gestorben.
Über Heidi wurde schon vieles gesagt, ergreifende Nachrufe skizzieren ihr Lebenswerk und erzählen von ihren persönlichen Errungenschaften. Wir wollen Menschen sprechen lassen, die Heidi gut kannten. Dazu haben wir mit der Leiterin Fachthemen der ZGF und Unterstützerin unseres Blogs seit der ersten Stunde, Bärbel Reimann gesprochen. Auch haben wir Prof. Dr. –Ing. Bernd Scholz-Reiter interviewt, er ist Rektor der Universität Bremen und hat über Jahre eng mit Heidi zusammengearbeitet:
Bärbel Reimann über Heidi Schelhowe:
„Heidi Schelhowe war mit ihrer Informatikprofessur in Bremen schon in den 90er Jahren eine Pionierin für die Digitalisierung in der Bildung. Mit ihrem Lebenswerk hat sie dafür gesorgt, dass es genderkompetente Programmierkurse für Kinder gab, die vor allem auch Mädchen begeisterten („Roberta“), sie hat internationale Konferenzen über Gender und ICT (Information and Communication Technology) nach Bremen geholt und nicht zuletzt hat sie dafür gesorgt, dass der genderkompetenten Informatik laufend neue Talente nachwuchsen. Ihren Wirkungsbereich hat sie mit ihrer herzlichen und fördernden Art geprägt, viel Kreativität bei den Doktorand*innen hervorgekitzelt und viele auf einen vielversprechenden Weg gebracht. Auch in der Gründungszeit der frauenseiten.bremen war sie eine wunderbare Begleiterin, die uns mit ihrem Fachwissen auf einen guten Weg gebracht hat, unser Projekt gut aufzustellen. Es ist so traurig, dass diese tolle Frau so früh gehen musste.“
Bernd Scholz-Reiter über Heidi Schelhowe:
„Ich kenne Heidi immer so als Mensch, der ein Menschenfreund war und andere Menschen sehr geliebt hat und erstmal das positive in allen Menschen gesehen hat. Sie hatte keinerlei Hierarchiedenken, egal ob Kolleg*in, Schüler*in, Student*in oder Professor*in. Sie ist allen gegenüber immer gleich offen und sehr zugewandt aufgetreten. Wenn man das kann, dann lacht man auch viel – das war auch eine ihrer großen Stärken.“ Weiter erzählt er: „Sie hat sich stark für die Belange für die Universität und damit für die Mehrheit der Universität nämlich für die Studierenden engagiert. Heidi hatte auch immer einen wahnsinnig guten Draht zum AstA, auch über den informellen, direkten Weg. Eine gute Konfliktlösung zwischen Studierenden und anderen Mitgliedern der Universität waren ihr wichtig.“
Heidi sei Revoluzzerin der 1968er Jahre gewesen. Als sie vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, konnte Heidi nicht mehr in den öffentlichen Dienst übernommen werden. „Weil Angst bestand, das Schüler*innen demokratiefeindlich und marxismusfreundlich unterrichtet werden könnten. Sie hat in der falschen Zeit, das falsche gemacht. Ironischerweise hat Heidi dann aber ja als Hochschullehrerin gearbeitet, da gab es das Berufsverbot nicht mehr“. Aufgrund des Berufsverbots musste Heidi sich neu orientieren. Dies ebnete den Weg zur Informatik. „Informatik, Computerisierung und Schule haben Heidi didaktisch immer beschäftigt. Du willst Lehrerin werden, darfst aber nicht. Hast schon Kinder und fängst dann nochmal ein neues Studium an. Lässt dich nicht demotivieren und machst das was möglich ist und verknüpfst dein Neues mit dem Alten – Das muss man erstmal hinbekommen, da zeigt sich wie willensstark und motiviert sie war. Das ist eine großartige Lebensleistung. In den 70er Jahren war Informatik an vielen Universitäten noch gar nicht vertreten – zudem war es überwiegend ein männerdominiertes Gebiet“
Danke!
Wir danken Heidi Schelhowe für ihren stetigen Einsatz für FLINTA* auf dem Weg in die Informatik, ihre Forschungsleistungen unter anderem in den Schwerpunkten Gender und Digitale Medien und ihre immerwährende Begeisterungsfähigkeit für Technik und die Rolle der Frau.
Lest hier die für Heidi verfassten Nachrufe um mehr über ihr Lebenswerk zu erfahren:
Zum Tod von Heidi Schelhowe | Digitales Deutsches Frauenarchiv (digitales-deutsches-frauenarchiv.de)
Wir trauern um Prof. Dr. Heidi Schelhowe – Universität Bremen (uni-bremen.de)
Nachruf für Frau Prof. Dr. Heidi Schelhowe – Sektion Medienpädagogik (medienpaed.com)
Detail – FG Frauen und Informatik – Gesellschaft für Informatik e.V. (gi.de)
Die Fachgruppe Be-greifbare Interaktion trauert um Prof. Dr. Heidi Schelhowe
Liselotte Groß
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