Wer die Schwankhalle in Bremen nicht kennt, outet sich damit entweder offensichtlich als Kulturbanause oder Neuankömmling in der Stadt. Denn das Gebäude auf dem Areal der ehemaligen Remmer-Brauerei in der Bremer Neustadt ist zu einem unerlässlichen Teil der freien Kunst- und Kulturszene vor Ort geworden. Seit 2003 ist die Schwankhalle eine Spiel- und Produktionsstätte mit Schwerpunkt auf den freien darstellenden Künsten. Selbstverständlich bedarf es hinter den Kulissen dafür ein Team, das ein solches Projekt auf die Beine stellt und auf den Beinen hält.
Mit an der Spitze stand für die letzten sieben Jahre Marta Hewelt, die einen Platz bei uns als FLINTA* der Woche mehr als verdient hat. Bis Juli 2022 hat sie – zunächst zusammen mit Pirkko Husemann, die letzten zwei Jahre als Doppelspitze mit Florian Ackermann – die Schwankhalle geleitet, Energie und Herzblut in ihre Arbeit gesteckt. Nun ist es für sie an der Zeit sich zu verabschieden, von der Schwankhalle und damit auch von Bremen. Aber: „Wir hinterlassen hier etwas Gutes.“, erklärt mir Marta Hewelt in einem Interview. Sie erzählt:
„Ich glaube, wir haben hier in sieben Jahren wirklich gut was geschaffen, auf das wir stolz sein können. Und das ist mittlerweile ja ein Haus für viele freie Künstler*innen und Gruppen, wo sie proben und produzieren können, mit überregionaler Strahlkraft.“
Dass die Schwankhalle in den letzten Jahren bewiesen hat, dass sie nicht nur lokal nach dem Prinzip „Von Bremen für Bremen“ funktioniert, hat sie mitunter Marta Hewelt zu verdanken. Gemeinsam mit ihrem Team setzte sie in den letzten sieben Jahren auf das Konzept, neben lokalen Produktionen auch überregionale und internationale Gastspiele nach Bremen einzuladen. Zuletzt waren beispielsweise das Syndikat Gefährliche Liebschaften (Quakenbrück/Leipzig) im Rahmen von freischwimmen, Yolanda Morales (Hamburg), Mobile Albania (Gießen/Frankfurt) und Rosana Cade und Ivor MacAskill (Glasgow) zu Gast.
Schon früh fiel die Entscheidung auf den Theaterbereich
Marta Hewelt ist in Berlin aufgewachsen. Mit 20 Jahren startete sie ihre Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau und beendete diese nach drei Jahren. Als freie Produktionsleiterin arbeitete sie dann sieben Jahre bei „Hebbel am Ufer“ (HAU). Das HAU steht an der Schnittstelle von Theater, Tanz und Performance, mit einem Programm unter anderem aus Musik und Bildender Kunst. Koproduktionen und Gastspiele renommierter Künstler*innen und Gruppen aus aller Welt als auch Projekte der deutschen und lokalen freien Theater- und Tanzszene werden hier produziert und gezeigt.
Nach ihrer Zeit am HAU war Marta Hewelt über zehn Jahre lang als freie Produktionsleiterin tätig. Sie leitete unter anderem das von Matthias Lilienthal entwickelte Format „X Wohnungen“ in der Kulturhauptstadt 2013 Kosice (Slowakei) und „Hotel Shabbyshabby“ von raumlabor berlin, im Rahmen von „Theater der Welt“ in Mannheim 2014.
Eine weitere Station, bevor Pirkko Husemann auf sie aufmerksam wurde und für die gemeinsame Leitung der Schwankhalle nach Bremen rief, war die Neuköllner Oper in Berlin, in der sie ein Jahr lang als stellvertretende Geschäftsführung die Finanzen regelte. Mit dem Umzug nach Bremen in 2015 begann dann ihre Zeit in der Schwankhalle.
Von Berlin nach Bremen und wieder zurück
Marta Hewelt kommt aus Berlin. Dass man dort im künstlerisch-kulturellen Bereich ein Überangebot hat, ist kein Geheimnis. Warum dann der Wechsel nach Bremen? Sie begründet das mit der Lust auf einen Ortswechsel: „Ich hatte tatsächlich auch einfach mal Lust auf ‘nen Wechsel. Und Bremen ist sehr viel kleiner aber hat ja durchaus auch viel zu bieten. Und das unterscheidet sich auch schon mal massiv. Auch unter den Zuschauer*innen, die teilweise sehr viel aufgeschlossener sind gegenüber unserem Programm und nicht so, sagen wir mal, abgebrüht wie der oder die Berliner Zuschauer*in. Also das war auf jeden Fall interessant.“
Die Corona Pandemie hat einiges verändert im beruflichen Alltag unser FLINTA* der Woche. Sie selber sagt, dass es eine große Herausforderung war, die sie und Florian Ackermann zu bewältigen hatten. Das Theater lebt natürlich von seinem Publikum, das während der Lockdowns natürlich nicht mehr kommen durfte. „Schließen, Online-Programm entwickeln, dann schrittweise wieder öffnen… das waren schon sehr erschwerte Bedingungen“, so Marta Hewelt.
Ab September geht es dann für sie zurück nach Berlin für einen neuen Job. Damit bewegt sich Marta Hewelt wieder zurück zu den Wurzeln. Bremen verlässt sie mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Auf die Frage, was ihr aus der Zeit in Bremen am meisten in Erinnerung bleibt: „Unser Team, alle Mitarbeiter*innen, die das Haus mitgeprägt haben. Die werde ich auf jeden Fall schmerzlich vermissen und in sehr guter Erinnerung behalten. Aber natürlich auch alle Künstler*innen, die hier am Hause waren. Und ja, das Bremer Publikum mit seiner großen Offenheit – auch wenn es in mal mehr und mal weniger großer Zahl in die Schwankhalle kam… insgesamt kann man wirklich sehr zufrieden sein.“
Was sie sonst noch so vermisst hat in der Zeit an der Schwankhalle? „Kontinuität an Zuschauerfluss“ lacht Marta Hewelt. Sie fügt aber hinzu, dass sie die Offenheit der Zuschauer*innen gegenüber verschiedenen Produktionen und Themengebieten sehr genossen hat und dass vielseitige Produktionen im Laufe der Jahre entstanden sind.
Ungleichheit? Nicht mit Marta Hewelt!
Die Schwankhalle hat sich in den Jahren in ihrem Programm viel mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, Geschlechterverhältnissen und kritischen Sichtweisen auf den gesellschaftlichen Status Quo beschäftigt. Zum Beispiel in zahlreichen Produktionen von FLINTA*-Künstler*innen und regelmäßigen Kooperationen mit (queer-) feministischen Initiativen aus Bremen. Auch hinter den Kulissen wurde viel Wert auf faire Arbeitsbedingungen und einen kritischen Umgang mit Rollenbildern gelegt.
Auch in Zukunft wird die Schwankhalle wieder von Frauen geleitet. Anna K. Becker, Katrin Hylla (beide künstlerische Leitung) und Rahel Häseler (Geschäftsleitung) übernehmen ab August 2022 die Leitung des Hauses. Das findet die bisherige Geschäftsführerin in vielerlei Hinsicht sehr gut:
„Grundsätzlich finde ich das super, dass das hier wieder in Frauenhand bleibt, weil die Leitung von Theatern immer noch recht männlich dominiert ist. Das wird langsam aufgebrochen. Es ist einfach nur gut, wenn mehr Frauen in solchen Leitungs- und Führungspositionen sind. Und gerade aber auch, dass es ein Team ist.“
Marta Hewelt selber hat auch mit Florian Ackermann im Team zusammengearbeitet und findet, dass Produktionsstätten viel öfter von Teams geleitet werden sollten. Dadurch ergeben sich vielfältigere Perspektiven und mehr Diskurs zu verschiedenen Themen.
Wünsche für die Schwankhalle und Theaterwelt
Unsere FLINTA* der Woche wünscht sich im Theaterbereich eine stärkere Offenheit gegenüber den vielen unterschiedlichen Themen, die uns im Alltag beschäftigen. Auch die immer währende Diskussion um Förderbedingungen und bessere Bezahlung für Künstler*innen muss ihrer Ansicht Fahrt aufnehmen. Zu der Schwankhalle sagt sie uns:
„Der Schwankhalle kann ich nur viel Erfolg wünschen. Und hoffen, dass einige Verbindungen, die wir zu Künstler*innen aufgebaut haben weiter erhalten bleiben. Einfach das fortführen, was wir aufgebaut haben“.
Eine große Leistung für die Schwankhalle und die Bremer Kulturszene
Marta Hewelt hat sehr viel für die Schwankhalle und die Theaterszene in Bremen geleistet. Feministische und queere Produktionen sollten immer mehr Raum im gesellschaftlichen und künstlerischen Diskurs finden und auch dazu hat unsere FLINTA* der Woche beigetragen. Die überregionale Stahlkraft und die Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Künstler*innen aus Deutschland und der Welt macht die Schwankhalle und ihre Produktionen zu einem besonderen, kulturellen Ort hier in Bremen. Wir als Redaktion wünschen Marta Hewelt alles Gute und viel Erfolg auf ihrem weiteren Weg und danken ihr von Herzen für ihren positiven Einfluss auf die Bremer Kunst- und Kulturszene.
Imke & Larissa
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