Zivile Seenotretterin, Aktivistin, Schriftstellerin. Das alles führt uns zu ihr: Pia Klemp.
Wo anfangen?
Eigentlich würde es so anfangen: Pia Klemp steht schon sehr lange auf unserer Liste der FLINTA* der Woche. Ganz klar, denn sie ist Kapitänin in der zivilen Seenotrettung und eine wichtige Aktivistin. Unlängst war sie Teil des anarchofeministischen Kollektivs, das das Schiff Louise Michel für die zivile Seenotrettung im zentralen Mittelmeer klarmachte, heißt es beim Ventil Verlag über die Autorin. „Wenn sie sich nicht gerade mit der Festung Europa oder verblödeter Heldenerschaffung herumschlägt, trägt sie den Kampf um Liebe und Revolution auch auf das literarische Parkett, unterbricht Männer beim Reden oder schaut Hochständen dabei zu, wie sie von ganz alleine umfallen.“, so steht es im Portrait des Ventil Verlages.
Die Seenotrettung, das ist für uns hier in Bremen, Heimathafen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (für das deutsche Seegebiet in Nord- und Ostsee), ein großes Thema. Und, wie viele Kapitäninnen kennt ihr so? Wie muss das Arbeiten als Kapitänin sein, in den maritimen, sehr männlich geprägten Machtstrukturen? Ganz ohne regelmäßige patriarchale Zwischenfälle wird das nicht ablaufen.
„Zurück auf der überfüllten Brücke geht er die Pässe durch, vergleicht sie mit der Crewliste und den Gesichtern dieser formidablen Menschen. Ich bin in Gedanken noch bei Saad und Firas. Als der Capo feststellt, dass nicht nur der Kapitän, sondern auch der Erste Maschinist penislos ist, wirkt er, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. Salma genießt, wie unangenehm es ihm ist. Ihr Antlitz ist eine herrliche Maske der Erhabenheit, aus reinem flüssigem Stickstoff gegossen. “ Pia Klemp in „Lass uns mit den Toten tanzen“ 2019
So fiebern wir mit der Heldin und Kapitänin des ersten Buches „Lass uns mit den Toten tanzen“ im unvorstellbaren Kraftakt der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer mit; erleben in den fiktiven Erzählungen einer realen Seefrau hautnah die Umstände, Probleme und Manöver einer humanitären Aktion.
„Die Crew ist seit 20 Stunden im Dauereinsatz. Und unsere Gäste? Die haben monatelange Flucht und Folter erlitten und überlebt. Wir beschweren uns nicht und sind dankbar, dass wir uns noch nicht einmal vorstellen können, was sie gesehen haben. Ich gehe meine Runde über das Deck, suche Tritt zwischen all den neuen Freunden. Irgendwer hat mitbekommen, dass ich der Kapitän bin. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Die meisten Frauen grinsen mich breit an, die Männer sind verwirrt, manche schütteln entgeistert den Kopf. Wegen zu vieler Tattoos, meiner Klamotten oder weil ich keinen Penis habe? Ich weiß es nicht. Aber es tut uns allen gut, für wenigstens einen Moment darüber zu schmunzeln. So ein Tag ist das, an dem Sexismus meine Laune hebt. “ Pia Klemp „Lass uns mit den Toten tanzen“.
Darstellung von Engagement in Büchern
Pia Klemp ist aber so viel mehr. Sie engagiert sich in so vielen Bereichen. Ist Tierschützerin und eben auch Autorin, was das Erleben jener Arbeit für uns Lesende auf besondere Art greifbar macht. Greifbarkeit über Literatur.
„Es gab so viele gute Leute da draußen, die musste man doch irgendwie zusammenkriegen. Wo blieb die Revolution? Das verdammte Networking mit all seinen unverbindlichen Klicks hatte den eigentlichen Schulterschluss nahezu unmöglich gemacht.“ Pia Klemp „Entlarvung“ 2021, Ventil Verlag.
Pia Klemp kann man über ihre Bücher erleben. Als starke Kapitänin und unbeirrbare Aktivistin gibt sie ihren Protagonistinnen viel Authentizität. Ihre Figuren stellen sich dem großen Ganzen von Klima- und Artenschutz, Menschlichkeit und Klassenkampf.
Die Dialoge spiegeln alltägliche Diskussionen mit Skeptiker*innen wider und bieten fast schon eine Argumentationshilfe für den eigenen Einstieg in aktivistische Arbeit.
„Diese Rubi hatte einfach mitgemacht. So etwas war Iana vorher noch nie passiert. Man freute sich heutzutage ja schon, wenn jemand auf einer Demo mitskandierte“. Pia Klemp „Entlarvung“ 2021, Ventil Verlag
Die umweltaktivistische Szene wird in ihrem aktuellen Werk „Entlarvung“ so detailgetreu dargestellt, dass es zwischen Ironie und pointierter Beobachtung oszilliert
Wie komme ich in den Aktivismus? Wann springt bei jeder einzelnen der Funken über, der ein konkretes Handeln nach sich zieht? Ist es eine Handlungsanleitung? Finde ich einen Lebenssinn? Wie gehe ich als engagierte Person mit dem Druck um? Entscheidungen treffen, dringlichere Dinge zu machen und doch vor einem riesigen Berg zu stehen?
Gedankliche Verdrängung im Alltag, ob der Massentierhaltung versus radikaler Veganismus.
Pia Klemp liefert Zeugnisse aktueller Fragestellungen im politischen Engagement und stellt cis Frauen in ihren Büchern in den Vordergrund. Gleichzeitig ist sie als Person lebendiges Beispiel für eine klare Haltung in ziviler Seenotrettung und Tierschutz. Das alles macht sie für uns zu einer beachtenswerten FLINTA* der Woche. Ahoi, Pia Klemp.
Renate Strümpel
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