Queenwho alias Whoopi Jessica Kusi ist Bremerin, Schwarze Rapperin, Aktivistin, und Lehramtsstudentin. Mit nur 23 Jahren mischt sie bereits die männerdominierte Rapszene auf, gibt der Schwarzen Community eine klare, deutliche Stimme, und unterstützt Bremer Künstler*innen in deren eigener musikalischen Karriere.
Who is Queenwho?
Es ist Donnerstag, der 25. Mai, und ich treffe Queenwho im Kulturzentrum Schlachthof in Bremen. Vor zehn Jahren war die Bremerin noch als Zuschauerin im Schlachthof, heute tritt sie selbst als Support-Act der brasilianischen Sängerin Bia Ferreira auf. Das Konzert ist Teil der Reihe „Femme Art Club“, die verschiedenen Flinta*-Künstlerinnen eine Bühne bietet und eine klare Kampfansage gegen die Männerdominanz in der Musikbranche ist. Vor dem Konzert spreche ich mit Queenwho über ihre eigene musikalische Karriere, über Sexismus und Rassismus in der (Bremer) Musikszene, ihre Zukunftswünsche und den perfekten Ort für ein erstes Date. Die junge Frau, die mir gegenüber sitzt, strahlt eine positive Energie aus, ist inspirierend, und blickt optimistisch in die Zukunft.
Queenwho’s musikalische Anfänge – von ‚Boyfriend‘ zu ‚Melaninlicious‘
Die Musik spielt schon von klein auf eine große Rolle in Queenwho’s Leben. Ihr Vater besitzt eine große Plattensammlung, sie geht von Britney Spears bis 2Pac. Ihre ältere Schwester und Vorbild hört viel Destinys Child und ihre Mutter singt bereits zu ihr als sie noch mit ihr schwanger ist. Eigentlich möchte Queenwho zuerst Sängerin werden, sie merkt aber schnell, ihre Stärke liegt beim Rappen. Als sie sich mit dreizehn das erste Mal an einem Rap-Cover probiert – der Song ihrer Wahl ist ausgerechnet „Boyfriend“ von Justin Bieber – sind Familie und Freunde begeistert. Darauf folgen Cover von anderen Künstler*innen, darunter vor allem Nicki Minaj, die sie auf Youtube hochlädt. Eigene Texte beginnt Queenwho erst zu schreiben, als sie während ihrer Abiturzeit das Schülerstipendium ‚grips gewinnt‘ erhält. Plötzlich kann sie sich einen eigenen Laptop kaufen, Beats herunterladen, sich selbst aufnehmen und, für sie am Wichtigsten: sie ist nicht mehr abhängig von anderen. Ihren ersten Song ‚Melaninlicious‘, ein echter Zungenbrecher, veröffentlicht sie 2018. Darin erzählt sie ihre Lebensgeschichte: wie es ist, als Schwarzes Mädchen in dieser Gesellschaft aufzuwachsen.:“If I was a kid/ Ain’t white enough./ Didn’t touch my skin./ Too black in the class“.
„Musik war im ersten Sinne etwas für mich, ich habe mir jetzt nicht gedacht, dass ich berühmt werde. Musik war eine Möglichkeit, meine Geschichte zu erzählen, was ich erlebt habe. Gerade wenn man Rassismus erfährt, gerade in dem Moment, kann man nicht direkt kontern. Man ist erstmal in einer Starre und muss realisieren, was passiert ist, und dann ist es zu spät. Es verfolgt einen immer im Kopf, am schlimmsten, wenn man in der Dusche ist und man sich denkt, das hätte ich mal sagen können. Aber durch Musik habe ich ein Medium gefunden, dass ich einfach Sachen hochladen kann und die Möglichkeit besteht, dass jeder auf der Welt es hören kann, der Internetzugang hat. Das ist schon krass. Ich hatte immer eine Stimme, aber man hat mir nie zu gehört, bzw. ich hatte nicht die Möglichkeit zu sagen, was ich zu sagen habe. Durch die Musik habe ich die Möglichkeit, dass Leute mir zuhören oder sie gezwungen sind, mir zu zuhören.“
Ich frage sie, wie sie ihre Musikrichtung in drei Worten beschreiben würde:
„Meine Musik ist schwarz, weil sie aus mir rauskommt und sie wird auch immer schwarz bleiben. Sie ist empowernd, weil ich als junge Schwarze Frau einfach gemacht habe und jetzt da stehe, wo ich stehe, und da gibt’s bestimmt noch viel weiteres, was auf mich zukommt. Sie ist auch stark, weil ich meine Verwundbarkeit zeige. Denn es ist auch schwierig zu sagen, hey, das tut weh als Schwarze Frau in dieser Gesellschaft zu leben.“
Queenwho’s Arbeit im Pop Office – Sexismus und Rassismus in der (Bremer) Musikszene
Seit fast einem Jahr ist Queenwho die erste Vorsitzende des Pop Office Bremen. Seit der Eröffnung im Herbst 2022 unterstützt der Verein die popkulturelle Musikszene mit diversen Förderprogrammen und dient als Anlauf-und Beratungsstelle für Künstler*innen. Sie selbst sagt, sie sei direkt begeistert von dem Projekt gewesen, habe sie sich schließlich selbst in ihrer Anfangszeit deutlich mehr Unterstützung gewünscht. Wieso braucht es aber gerade in Bremen so dringend eine solche Anlaufstelle?
„In Bremen gibt es ja einige Künstlerinnen, aber eigentlich eher Künstler, die relativ bekannt sind. Aber für mich war es immer sehr schwierig hier anzudocken. Alle sind sehr einzeln und nicht sehr gemeinschaftlich. Support gibt’s da nicht wirklich viel. Ich als Bremerin werde hier so selten gebucht, ich werde eher außerhalb gebucht. Aber es gibt die Möglichkeiten in Bremen, Stichwort Breminale. Aber wenn man zum Beispiel schaut, wer auf den Bühnen spielt, auf der Newcomer*innen-Bühne, muss man ja eigentlich sagen Newcomer Bühne, weil die meisten männlich sind. Man spricht immer über Diversity, man möchte Diversität haben, aber im Endeffekt I dont see any changes. Ich glaube, das Pop Office Bremen kann da wirklich sehr sehr viel verändern, dass man weiß, wo kann ich überhaupt anfangen, wo kann ich überhaupt hingehen.“
Anderen Newcomer*innen rät sie:
„Glaub an dich. Hör niemals auf die Menschen, die sagen, du wärst nicht gut genug. Wenn man nicht an sich selbst glaubt, wird auch kein anderer an dich glauben. Erstens sind Menschen sehr neidisch, wenn du dich traust. Dazu gehört ja auch viel Mut, auf der Bühne zu stehen oder anzufangen. Menschen sehen das nicht gerne, gerade wenn man eine Frau ist. Du bist nicht feminin genug, du bist ja eher maskulin, was weiß ich. Einfach nicht zuhören, einfach machen.“
Dass Sexismus in der Musikbranche noch immer deutlich präsent ist, kann Queenwho aus eigener Erfahrung bestätigen:
„Ich frage mich immer, wenn ich gebucht werde: werde ich gebucht, weil ich eine Frau bin, werde ich gebucht, weil ich schwarz bin, oder werde ich gebucht, weil ich gut bin. Gerade zum Beispiel, wenn Feministischer Kampftag ist, dann kommen die ganzen Leute und fragen: könntest du etwas dazu sagen. Einen Tag danach ist es vorbei, was super traurig ist. Die Leute sagen: wieso muss man das immer thematisieren, wieso muss man das immer hervorheben. Es ist wichtig darüber zu sprechen, es hervorzuheben, weil Leute davon betroffen sind. Wie ich, wie andere Flinta* Personen, und es ist und bleibt mein Struggle. Ich möchte mich ja nicht dadurch verkaufen, dass ich immer in diese Nische passe: Schwarze Frau, Rapperin, voll exotisch. Aber andererseits wird man auch immer so abgestempelt. Du bist voll cool. Immer diese großen Labels, die sagen, sie brauchen jetzt eine neue Idee, eine Rapperin, die muss schwarz sein und eine Frau.[…]
Man wird immer verglichen mit anderen Frauen, weil es angeblich nicht so viele Frauen gibt, die rappen. Aber es gibt genug produzierende Frauen, Rapperinnen, Musikerinnen. Sie werden nur nicht gesehen. Sie werden nicht eingeladen, und wenn, dann nur eine, um die Quote zu erhöhen. Wenn man das dann anspricht, bekommt du zurück: warum übertreibst du so, wieso musst du das jetzt ansprechen und immer diese Sexismuskarte ziehen.“
Queenwho’s Zukunftsvisionen – Freak de l’Afrique oder doch der Lehrerinnenberuf
Queenwho möchte in den nächsten Jahren gerne auf größeren Festivals spielen, vor allem auf Festivals, auf denen mehr Mitglieder*innen der Schwarzen Community vertreten sind. Dabei denkt sie zum Beispiel an das Freak de l’ Afrique, ein Afrobeats Festival in Berlin. Ansonsten möchte sie in Zukunft mehr Reichweite generieren, um ihrer Community zu zeigen: „Schwarze Menschen haben eine Stimme, man muss ihnen nur zuhören“. Die oberste Priorität in Queenwho’s Leben bleibt aber ihr Studium, Spanisch und Religion auf Lehramt, erst dann folgt die Musik.
„Musik kommt und geht. Zum Beispiel im Winter war ja gar nichts. Ich brauche die Struktur, dass ich auch was mache und auch was Sicheres habe. Gerade mit Corona hatte ich echt Glück, dass ich Studentin war, ich habe ja noch zu Hause gewohnt, Hotel Mama. Wäre ich Musikerin als Haupteinahmequelle gewesen, dann Ciao, ich hätte kein Geld gehabt. Deswegen mache ich das zweigleisig, Musik und Studium.“
Queenwho ganz privat – Dating-Tipps und der beste Feel-Good-Song
Für Dates empfiehlt die Bremerin den Bürgerpark, vor allem die Kulisse des Parkhotels mit dem Marcus-Brunnen ist ein schöner Ort für das erste Kennenlernen. Für den produktivsten ‚Workflow’ geht sie gerne in das Weserstrand Café unweit vom Marktplatz. Das Lied, das sie hört um sich gut zu fühlen, obwohl sie kein Wort versteht, ist Katchua von Ya Levis. Wenn sie entspannen möchte, schaut sie Modern Family, denn diese Serie bringt sie zum Lachen, und sie liebt es zu lachen. Schlussendlich: empfehlen kann sie natürlich auch ihre neues und erstes Album ‚Seven Stages of a Black Queen‘. Es geht um Black Empowerment, intersektionalen Feminismus, Liebeskummer, Selbstzweifel und Selbstliebe. In sieben Songs, die unterschiedliche emotionale ‚Stages‘ widerspiegeln, rappt Queenwho mal auf Deutsch, Englisch oder Spanisch über ihre eigene Selbstfindungsreise. Eine Reise, an der man unbedingt live teilhaben sollte. Queenwho gibt einer*m das Gefühl, man würde mit einer guten Freundin sprechen, die über ihr Liebesleben erzählt, Ratschläge gibt und sagt: ‚Du bist eine Queen‘, wenn man es am meisten braucht. Dazu noch hinterlegt mit Beats, zu denen man gut tanzen kann. Queenwho ist eine ‚One-woman show‘ oder eher eine ‚ One-queen show‘.
Queenwho’s nächste Auftritte:
16.06.2023 Hannover – Inidiego Glocksee
01.07.2023 Bremen – Black Art and Fashion Festival
25 – 26.08.2023 Pretzier (Altmark) – Forest Jump Festival
Marit Hertrampf
chris meint
habe jetzt eine neue lieblingskünstlerin, danke dafür!