Wer sich regelmäßig im Fitnessstudio aufhält weiß, nichts ist so wichtig wie der optimale Auftritt. Wie ich diese Performance wahrnehme und wie Medien Stereotype bedienen, darum soll es in diesem Artikel gehen.
Stereotype in den Medien
Gibt man „Frauen im Fitnessstudio“ bei Google ein, werden einer*m Studios vorgeschlagen, in denen FLINTA* ganz ungestört und ohne die Anwesenheit von Männern trainieren können, Yogakurse besuchen können und ihren Körper „straffen“ und „definieren“ können.
Googelt man „Männer im Fitnessstudio“, soll der erste Link beantworten, was ein Mann im Fitnessstudio wirklich über FLINTA* denke und wie er vor Ort am besten flirten könne. Irgendwann weiter unten, geht es dann um den optimalen Kraft- und Muskelaufbau, aber niemals um die perfekte Po-Form, oder den entspannenden Pilateskurs.
Die positiven Effekte von Krafttraining für FLINTA* Personen sind laut Internet die Reduzierung von Cellulite und die Verlangsamung des Alterungsprozesses. Es wird von einer echten „Angst“ gesprochen, an Gewicht zuzunehmen, zu viel Muskeln aufzubauen und sich die Size Zero regelrecht abzutrainieren. Krafttraining sei ideal, um „die weibliche Silhouette gekonnt in Form zu bringen“. So wirke Frau auch nicht zu „mager“.
Sie tue es nur für Ihn
FLINTA* wird beigebracht, sich fit und vor allem schlank zu halten, um Männern zu gefallen, dabei aber bloß nicht zu muskulös zu werden. Im Gegensatz dazu ist die Unterstellung trainierten Männern gegenüber, dass diese ein zu geringes Selbstbewusstsein hätten, welches durch Muskeln kompensiert werden müsse. Dass Fitnesstraining das Selbstvertrauen tatsächlich stärken kann, scheint dabei nicht der Punkt zu sein. Vielmehr gehe es um die Wirkung, die sie bei anderen erzeugen soll.
Selbstoptimierung als einziges Ziel
Das Bild verhärtet sich durch soziale Medien und Fitnessinfluencer*innen immer weiter. In kurzen Beiträgen kriegen wir Übungen für einen besonders runden Po gezeigt, der sich vorzugsweise an schlanken Beinen befände, während Fitnessaccounts mit Männern als Zielgruppe den richtigen Proteingehalt einer Mahlzeit zum optimalen Muskelaufbau thematisieren.
Ganz schlicht wird sich unter Männern gezeigt, wie viel Gewicht wer bewegen kann. Eine FLINTA* Person, die sich dafür interessiert, muss mit Vorurteilen wie angeblich zu viel Maskulinität kämpfen, oder es wird ihr unterstellt, sie tue das nur, um bei sportlichen Männern gut anzukommen.
Geht man nicht in ein explizit für FLINTA* gedachtes Studio, die oft stereotypisch mit rosafarbenen Geräten versehen sind, findet man auch in den klassischen Fitnesscentern meist Frauenbereiche. Die Annahme, dass FLINTA* sich in Freihantelbreichen nicht wohl fühlen oder gar unsicher vor Blicken und Anmachen sind, bestätigt sich leider häufig. Rund 76 Prozent der Frauen geben an, dass sie sich beim Sport in der Öffentlichkeit unwohl fühlen. Außerdem geben 63 Prozent der Befragten an, dass sie ihr Verhalten im Fitnessstudio an die anwesenden Personen anpassen.
Auch das eigentliche Training unterscheidet sich meiner Erfahrung nach oft. FLINTA* haben Trainingspläne, die hauptsächlich Bauch, Beine und Po in den Fokus nehmen sollen. Männer hingegen legen meist mehr Wert auf eine ausgeprägte Rücken-, Arm- und Brustmuskulatur. Das mag unbedeutend klingen, verstärkt aber Stereotype des „starken Mannes“ und einer „gut proportionierten Frau“, die wir überall wiederfinden. Von Modezeitschrift bis Kinofilm, nirgendwo wird eine Möglichkeit ausgelassen zu mehr Selbstoptimierung anzustiften. Je unwohler sich eine Frau in ihrem Körper fühlt, desto größer ist die Chance, dass sie Geld für Dinge ausgibt, die ihr potenziell diese Gefühle nehmen können. Dazu gehören auch Fitnessstudioverträge, was jedoch nicht bedeuten soll, dass jede FLINTA* Person, die Kraftsport betreibt, automatisch einem Schönheitsideal verfallen ist.
Die Performance
So kommt es, dass der Aufenthalt im Fitnessstudio zu einer echten Performance wird. Im Hantelbereich wird gestöhnt – hauptsächlich Männer tun das. Wer am lautesten ist, kann auch am meisten Gewicht stemmen und Beine werden selten trainiert, weil ein Mann vor allem starke Arme brauche, um als solcher anerkannt zu werden. Als FLINTA* Person kommt man vorzugsweise bestens gekleidet – möglichst körperbetont – und sieht tunlichst wenig angestrengt aus, auch wenn sie das vielleicht ist. Ihr Training richtet sich nicht nach Kraft aus, sondern nach Schönheit und optischen Erfolgen.
Der Sexismus hört in den privaten Studios jedoch nicht auf. In einer Umfrage unter Spitzensportlerinnen, gibt jede dritte Befragte an, schon Sexismus im Sport erlebt zu haben.
Das Problem ist vielseitig
Nicht nur beim Sport und in den Medien werden FLINTA* vernachlässigt, unterschätzt und nicht erst genommen. Auch in der sportwissenschaftlichen Forschung kam Gesundheit von FLINTA* lange zu kurz Erst in den 1980er Jahren gründete sich die Initiative „Frauenforschung in Sport und Sportwissenschaft“. Dass im Sport auch der Menstruationszyklus eine ausschlaggebende Rolle spielt und dieser Leistungen deutlich beeinflusst, ist noch heute ein zu wenig besprochenes Thema. Einen Text dazu findet ihr hier.
Fazit
Die Perspektive, aus der wir auf (kraft-) sportlich aktive FLINTA* blicken, muss sich ändern. Darin liegt vor allem bei den Medien die Verantwortung und auch die Chance. Solange sich Menschen in öffentlichen Fitnessstudios unwohl und beobachtet fühlen – oder denken müssen, ihr Körper sei nicht ausreichend straff – ist Krafttraining kein gleichberechtigter Sport.
Philomena
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