Habt ihr schon mal versucht, kreativ zu sein, wenn einer eigentlich alles nur Kopfschmerzen bereitet? Das ist gar nicht so einfach. Da helfen bei Überstunden auch drei Espresso nicht mehr. Nicht, wenn einer dabei die ganze Zeit durch den Kopf geht “wie finanziere ich das bloß?”
Tatsächlich müssen auch Frauen in den Naturwissenschaften teils härter arbeiten, weil sie im Durchschnitt 17 Prozent weniger Fördermittel erhalten als ihre männlichen Kollegen. Und leider sind Fördermittel in den Naturwissenschaften das sine qua non – ohne sie gibt es keine Forschung, kein Equipment, keine Mitarbeiter*innen.
Let Them Eat Cake
Wo Männer im Durchschnitt zwischen 2006 und 2017 eine Fördersumme von $165,721 ausgezahlt bekamen, waren es bei Frauen nur $126,615. Das belegt eine Studie von NIH Fördermitteln, die somit Frauen fast $40.000 weniger pro Projekt zuschreibt.
Das könnte einerseits daran liegen, dass kein männlicher Name vorne auf der Titelseite steht. Es könnte allerdings auch daran liegen, dass Frauen allgemein schlechter bezahlt werden und daher auch nur kleinere Teams und Projekte beantragen können. Für Kaffeepausen bleibt da keine Zeit. Und Kuchen gibt es auch keinen, wenn man sich die Graphik mit dem Titel “Ein kleineres Stück vom Kuchen” einmal anschaut:
Die einzige Disziplin, in der Frauen laut Studie mehr metaphorischen Kuchen essen dürfen als die Männer, sind sogenannte “R01 Grants” – und die beziehen sich ausgerechnet auf das eher weiblich konnotierte Feld der gesundheitsbezogenen Forschung.
Dass Frauen in MINT-Berufen in fast allen Bereichen benachteiligt werden, ist spätestens nach dieser Artikelreihe (die hiermit übrigens ihr trauriges Ende findet) nichts Neues mehr. Auch wird die Situation nicht besser, indem man meint, Frauen bräuchten einfach mehr Initiative. Wie Emma Chapman korrekt formuliert:
„Es überrascht nicht, dass die Auswirkungen dieser Ungleichheit bis hin zu Panelpositionen und erfolgreichen Forschungsförderungsanträgen für jeden Forschungsrat anhalten können. Wir alle sind dafür verantwortlich, zuzuhören, zu verstehen und zu reformieren, und wir sind weit davon entfernt, so zu tun, als ob, wenn sich Frauen nur mehr einbringen würden, die Ungleichheit sich von selbst auflösen würde.“
(Übersetzung d.A.)
Vielleicht ist es daher wirklich Zeit, diesen Ansatz der Guillotine zuzuführen.
Maschinenbau(er) sucht Frau?
Gerade in den Disziplinen, die am meisten Gehalt einbringen, sind Frauen am wenigsten repräsentiert. Das betrifft vor allem den Maschinenbau und die Informatik. Wie Sterling et al. beschreiben, herrscht vor allem in den Computer-Wissenschaften die Kultur der sogenannten „brogrammers“ – und eine Frau ist schließlich kein „bro“ (zu deutsch: Bruder), und somit auch nicht zum Programmieren geeignet.
Die Studie von Sterling et al. verdient zudem weitere Beachtung, da sie nicht, wie üblich, die Karriereschwierigkeiten von Wissenschaftlerinnen mitten im Berufsleben und der Familiengründungsphase analysiert, sondern direkt beim Berufseinstieg ansetzt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Qualifikationen von Absolvent*innen schließlich gleich – jedoch sind sie unterschiedlichen kulturellen Erwartungen ausgesetzt. Dadurch traut man Frauen weniger zu – und sie sich selbst leider auch, wie Sterling et al. beschreiben:
„Frauen, die trotz eines [wissenschaftlichen] Abschlusses weniger Vertrauen in ihre technischen Fähigkeiten haben, gehen möglicherweise weniger wettbewerbsfähigen und schlechter bezahlten Jobs nach als Männer, die kürzlich dieselben Abschlüsse erworben haben.“ (Übersetzung d.A.)
Dr. Emma Chapman stellt zudem fest, dass Frauen zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere in den Naturwissenschaften diskriminiert werden. Das kann bedeuten, dass sie mehr veröffentlichte Artikel vorweisen müssen, um befördert zu werden, oder dass sie ihre Karriere häufiger beenden, da selbst ihre E-Mails öfter ignoriert werden (vgl. Chapman). Doch gerade die geringeren Fördersummen haben weitreichende Konsequenzen.
Schneeball und Schlacht
Zunächst einmal sind da die offensichtlichen Nebenwirkungen. Wie Sterling et al. erläutern, führt geringe Finanzierung zu verminderter Arbeitszufriedenheit, und somit zu einem stärkeren Ausstieg aus MINT-Berufen. Die Vergütung beeinflusst auch, welche Personen zum Beispiel nach der Elternzeit oder anderen Entscheidungsmomenten wieder in das Berufsleben zurückkehren.
Doch schon bevor Nebenwirkungen auftreten kommt es zu Karrierebeginn zu ersten Symptomen: mit geringeren Fördermitteln können, wie oben beschrieben, Wissenschaftlerinnen weniger Mitarbeitende einstellen und weniger Equipment anschaffen. Wie Teresa Woodruff erklärt, führt das später zu einem Schneeballeffekt, wenn sich die entstandenen Nachteile bedingen und vermehren.
Teils sind Wissenschaftlerinnen daher gezwungen, finanzielle Nachteile durch einen größeren Anteil an Lehre auszugleichen, wie Prof. Carole Mundell beschreibt:
„Die Folgewirkung des Nichtgewinnens von Fördermitteln kann auch zu einer erhöhten Lehrbelastung von Frauen in männerdominierten Abteilungen führen, in denen Männer Stipendien erhalten und sich von Lehr- und/oder Verwaltungsaufgaben freikaufen, wodurch das Problem weiter verschärft wird.“ (Übersetzung d.A.)
Wortwörtlich frau erfunden
Doch es gibt nicht nur Folgewirkungen für die Wissenschaftlerinnen selbst – sondern zum Beispiel auch für Patientinnen. Da vor allem Frauen Forschung betreiben, die die Gesundheit von Frauen betrifft, erhalten bei geringer finanzieller Förderung von Wissenschaftlerinnen auch diese Themen weniger Beachtung.
Die Wissenschaft selbst gerät dabei aus dem Gleichgewicht. Sie wird nicht rational, sondern eher persönlich betrieben, aufgrund der kulturellen Prägung aller Beteiligten. Gerade Wissenschaftler*innen sollten doch wissen, wie man über so etwas hinwegkommt, oder? Stattdessen beschreibt Prof. Carole Mundell die allgemein schädliche Voreingenommenheit gegenüber Frauen in MINT-Berufen:
„Abgesehen von dem bekannten Problem der sexuellen Belästigung höre ich immer noch Beispiele von kritischen Kommentaren zum Aussehen, zur Stimme von Frauen, sogar zur Wahl der Schriftfarbe bei einer wissenschaftlichen Präsentation. Die Förderstatistiken sind dann eine Manifestation eines tieferen Problems in diesen Bereichen.“ (Übersetzung d.A.)
Nach dieser Artikelreihe denke ich, dass sich das Problem nicht lösen lässt, wenn nur die Manifestationen durch verschiedene Initiativen angegangen werden. Eher braucht es die kritische Reflektion jedes*r Einzelnen, ob in den Naturwissenschaften oder außerhalb, um gesellschaftliche Vorurteile zu überwinden. Eine größere Repräsentation von Frauen in MINT-Berufen wäre hierbei ein toller Anfang. Und davon gibt es bereits einige, auch nach Marie Curie.
Insgesamt hoffe ich, dass Frauen in den Naturwissenschaften bald weniger geschlechtsspezifische Karriereschwierigkeiten überwinden müssen, in allen deren Ausprägungen. Ich wünsche diesen Frauen, dass sie ernst genommen werden, selbst wenn ihre Präsentation pink und ihre Stimme ein Sopran ist. Und ich wünsche Ihnen ein größeres Stück Kuchen. Mit Sahne.
Cora Övermann
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