Wenn man, so wie ich, fast alles zunächst einmal auf Englisch googelt und sich fragt “what does a lab look like today?” (womit ich meinte, wie sieht so ein Labor eigentlich heutzutage aus), präsentiert Google einem das folgende Ergebnis:
Wenn man nun etwas spezifiert und das lab zu laboratory erweitert, damit klar ist, dass keine niedlichen Labradorbilder gemeint sind, dann sehen die Bilder schon anders aus:
Ohne zu scrollen sind auf den ersten Bildern von Google auch viele Frauen im Labor zu sehen. Das ist toll. Die Tatsache, dass alle Bilder mehr oder weniger blau sind, soll vermutlich besonders die klinische und rationale Atmosphäre eines wissenschaftlichen Labors vermitteln. Fakt ist allerdings, dass die Bedingungen von Wissenschaftlerinnen am Arbeitsplatz immer noch nicht ganz rational zu erklären sind.
In den vorherigen Artikeln dieser Reihe ging es bereits um viele Aspekte, die mit dem Arbeitsplatz verbunden sind – von der Geschichte Jane Willenbrings und sexueller Belästigung in der Antarktis und auf Firmenfeiern, über das Gefühl, nicht ins Labor oder in die Naturwissenschaften zu gehören, bis hin zum Homeoffice und den Problemen der parallelen Kinderbetreuung. Mit die Erste, die darauf aufmerksam machte, dass ihr Labor auf mysteriöse Art und Weise kleiner ist als das ihrer männlichen Kollegen, war Nancy Hopkins in den Neunziger Jahren. Doch auch heute noch gibt es durchaus Unterschiede.
Nicht gerade die beste Lage
Wenn es um das erste eigene Labor geht (und wir den weihnachtlichen Chemiebaukasten nicht mitzählen), dann bekommen Frauen in den Naturwissenschaften ein geringeres Gehalt, weniger Personal, und weniger Laborfläche als männliche Kollegen. Eine Studie analysierte von 2012 bis 2018 die Karrieren von 365 jungen sogenannten „principal investigators“ (zu deutsch Projektleiter*innen) in Großbritannien und befand, dass in den ersten Jahren im eigenen Labor nicht jede*r den gleichen Zugang zu Anlagen, Betreuung, und Personal hat. Das fällt auf und macht vor allem Wissenschaftlerinnen zu Pessimistinnen, die ihre Karriere eher und öfter aufgeben, weil sie weniger unterstützt werden und oft mit ihrer Institution und dem Klima dort unzufrieden sind.
Wie Holly Else beschreibt, gaben
„etwa ein Viertel der befragten Forscher*innen an, keine wissenschaftliche Betreuung erhalten zu haben, und Frauen ohne Mentoren gaben den geringsten Optimismus hinsichtlich ihrer zukünftigen Karriere an. Etwa 20 % der Befragten sagten aus, mit ihrer Umgebung unzufrieden zu sein, einschließlich Faktoren wie Abteilung, Gasteinrichtung, Räumlichkeiten und Einrichtungen.“ (Übersetzung d.A.)
Diese und ähnliche Ergebnisse unter zum Beispiel Physiker*innen finden sich auch in anderen Studien wieder. Auf den ausschlaggebenden Aspekt der Finanzierung möchte ich jedoch erst im nächsten Artikel eingehen. Hier geht es erstmal um den Raum – inklusive Weltraum.
Von Illinois bis Washington
An der Universität in Illinois sind Studiengänge im Bereich Raumfahrttechnik nach wie vor mit am wenigsten divers. Im Jahr 2017, als das letzte Mal relevante Daten erhoben wurden, lag die Quote der weiblich identifizierten Studierenden bei circa fünfzehn Prozent. Als Lexi English anfing, dort zu studieren, war die Damentoilette im Talbot Labor – dem Hauptgebäude für Raumfahrttechnik – nur mit einem Pappschild ausgeschildert. Wer bisher also dachte, dass Toilettenszenen à la Hidden Figures nur in Filmen vorkommen, kann nun nocheinmal darüber nachdenken.
Als English sich um einen Platz im Labor bewerben wollte, wurde sie vom Projektleiter mit den Worten begrüßt, „you’re in the wrong building, honey“ (dt.: du bist im falschen Gebäude, Schätzchen). Seitdem arbeitet Lexi English daran, sowohl sich als auch anderen Studierenden und der Fakultät zu beweisen, dass sie sehr wohl im richtigen Gebäude ist.
Was nun folgte war meine zweite nicht genug spezifizierte Google Suche des Tages (man könnte meinen, ich hätte aus den Labradoren etwas gelernt). Ich wollte wissen, ob NASA (die Inspiration für Hidden Figures mit Hauptsitz in Washington) ähnliche Fortschritte gemacht hatte wie Lexi English. Wenn man „women at NASA“ googelt, so ist der zweite Eintrag die NASA Website selbst, mit einer Anzahl von wundervoll diversen Profilreihen von ihren Wissenschaftlerinnen, aufgeteilt nach Disziplinen. Das schien mir etwas zu schön, um wahr zu sein, daher suchte ich noch einmal nach „gender equality at NASA“ – und da sieht das Ergebnis schon ganz anders aus.
Wie die UN berichtet, liegt
„die Zahl der in der internationalen Raumfahrtindustrie beschäftigten Frauen nach Angaben der Vereinten Nationen bei nur 20 bis 22 Prozent der Belegschaft; ungefähr der gleiche Anteil wie vor 30 Jahren.“
Ähnliches trifft nicht nur auf die Raumfahrt allgemein sondern auch auf die NASA selbst zu, wo Frauen laut einer Umfrage „nur 28 Prozent der leitenden Führungspositionen und nur 16 Prozent der leitenden wissenschaftlichen Mitarbeiter“ ausmachen. Die kurze Antwort auf die Frage, ob schon Fortschritte erzielt wurden, lautet also – nein. Stattdessen scheint es so, dass die Atmosphäre insgesamt noch um einiges inklusiver werden könnte. Auch lässt sich zusätzlich darüber nachdenken, wie viel Zeit Frauen eigentlich im Labor verbringen, wenn sie sich aufgrund von geschlechterbedingten Vorurteilen mehr im Fachbereich engagieren und unterrichten sollen.
Wie ein Labor von innen heutzutage aussieht, und vor allem wie es sich für Frauen in den Naturwissenschaften von innen anfühlt, kann ich einige Google-Suchen später immer noch nicht genau sagen. Aber zum Glück gibt es ja genug Wissenschaftlerinnen wie Nancy Hopkins, die uns davon berichten.
Cora Övermann
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