Graffitis werden weltweit als männlich dominierte Art des künstlerischen Ausdrucks angesehen. Oft wird unterstellt, dass die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung einschüchternd auf die Frauen wirkt. Dass das aber nicht der Wahrheit entsprechen muss, zeigt die afghanische Graffitikünstlerin Shamsia Hassani.
Startlöcher einer Künstlerin
1988 ist die Tochter afghanischer Eltern im Iran zur Welt gekommen. Im Interview betont sie, dass sie schon als Kind angefangen hat zu malen. Für sie war es besonders wichtig, auch über ihre Kindheit hinaus Künstlerin zu bleiben.
https://www.facebook.com/252100761577381/photos/a.252101154910675.57531.252100761577381/776673869120065/?type=1&theater
Zwischen Graffiti und Ölgemälde
Weil man ihr als im Iran wohnhafte Afghanin den Zugang zum Wunschstudiengang verwehrt, zieht sie mit ihren Eltern nach Afghanistan. 2009 tritt sie ihr Studium der zeitgenössischen Kunst an der Universität Kabul an. Ein Jahr später belegt sie dort einen Workshop über die Kunst des Graffitis und findet großen Gefallen daran. Nicht nur die geringeren Kosten, sondern auch die Reichweite ihrer Arbeiten erhöhen für sie die Attraktivität gegenüber traditioneller Kunst. Werke an öffentlichen Gebäuden erreichen auch die „einfache Bevölkerung“, die keine Mittel für den Besuch eines Museums hat.
„Graffiti habe ich bei einem Workshop in Kabul für mich entdeckt. Mich hat die Kunstform fasziniert: Graffitis wurden für mich zum Werkzeug, um die vom Krieg zerrissenen Mauern meiner Stadt in farbenfrohe Gemälde zu verwandeln. Ich wollte die Kriegsgeschichten meiner Stadt mit Farben verstecken, damit Menschen anstelle von Rissen und Kugeln neue Dinge sehen“, so die junge Künstlerin im Interview mit bento.
Dazu startet sie Bilderserien wie „Birds of no nation“, die an Menschen erinnern sollen, die aus Afghanistan geflohen sind.
https://www.instagram.com/p/BJOCY2pBkgH/?taken-by=shamsiahassani
Shamsia Hassani und ihre feministische Kunst
Dennoch reagiert die Bevölkerung in Kabul oft engstirnig auf die besprühten Wände. Shamsia Hassani weiß, es liegt nicht nur an der Kunst, sondern auch an ihrem Geschlecht. Einschüchtern lässt sie sich aber trotzdem nicht. Zuhause entwirft sie entsprechende Skizzen. Aufgrund der Gefahr, die von ihren Gegner*innen auf der Straße ausgeht, soll ein Graffiti möglichst in 15 Minuten fertig sein. Als Motiv wählt sie oftmals Frauen mit Kopftuch, dynamisch und stark gezeichnet. Ihre Message: Eine verschleierte Frau verliert durch das Kopftuch nicht ihre Identität. Sie hat die gleichen Rechte wie jeder andere Mensch einer Gesellschaft.
Initiatorin von Berang Arts
Als eine von 10 Künstler*innen wurde Shamsia Hassani 2009 mit dem „Afghan Contemporary Art Prize“ ausgezeichnet. Gemeinsam mit den anderen Gewinner*innen hat sie die Organisation Berang Arts gegründet. Dort versuchen Künstler*innen Kabuls zusammen eine neue Kultur entstehen zu lassen. Außerdem arbeitet sie seit ihrem Abschluss als Dozentin für bildende Künste an der Universität Kabul.
Ohne Zweifel benötigt ein solches Hobby jede Menge Mut. Insbesondere in Ländern wie Afghanistan, droht Sprayer*innen oft mehr als eine Geldstrafe. Deshalb: Respekt und weiter so, Shamsia Hassani!
Vivien Koschig
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