Im Jahr 2017 waren 3,9% der Frauen in Deutschland Gründerinnen. Der Anteil der Gründer dagegen lag bei 6,6%. Das geht aus dem Länderbericht Deutschland 2017/18 des RKW Kompetenzzentrums hervor. Und nicht nur in der Anzahl an Gründungen unterscheiden sich die Geschlechter. Auch die Einstellungen zum Gründen sind unterschiedlich. „Männer nehmen in Deutschland die Gründungschancen statistisch signifikant positiver wahr als Frauen (48% vs. 35% positive Wahrnehmung bei Männern bzw. Frauen)“, so der Länderbericht. Dementsprechend wirkt sich die Angst zu scheitern aus: Denn die Angst vor dem Scheitern hielt 47% der Frauen vom Gründen ab – dagegen nur 37% der Männer. Und dieser Unterschied vergrößert sich weiter. Woran liegt es, dass im Vergleich so wenige Frauen in Deutschland gründen? Was sind Schwierigkeiten, die Frauen in der Gründung erfahren und wie können wir diese abbauen?
Bestandsaufnahme: Woran liegt´s?
„Frauen werden nicht mitgedacht.“
Viele von uns kennen die klassischen Vorurteile gegen Frauen in führenden Positionen: Sie seien weniger dominant und könnten sich im Geschäftsalltag nicht so gut durchsetzen wie ihre männlichen Kollegen. Ursache für diese Geschlechterzuschreibungen sind mehrere Aspekte.
Maren Bock, Geschäftsführerin des Vereins belladonna Bremen, sieht hier die Sozialisation als einen wichtigen Punkt. In Ausbildung und Studium werden Frauen nicht so zum Einnehmen von Führungspositionen und zur Selbstständigkeit motiviert wie Männer. Generell werde im Studium wenig an die Selbstständigkeit herangeführt und wenn doch, dann eher die Männer. „Frauen werden nicht von Anfang an mitgedacht“.
Unbezahlte Care-Arbeit
Ein weiterer wichtiger Punkt, der zu dem geringen Frauenanteil in der Gründung beiträgt, ist die unbezahlte Sorgearbeit. Denn die wird zum großen Teil immer noch von Frauen erbracht. Laut dem deutschen Frauenrat verbringen Frauen, im Vergleich zu Männern, im Schnitt 1,5 Stunden pro Tag mehr mit Kindererziehung, der Pflege von Angehörigen, dem Haushalt und sonstiger unbezahlter Sorgearbeit. Das ist ein Unterschied von über 50%– und das jeden Tag. Dadurch bleibt oft schlichtweg wenig Zeit für eine Selbstständigkeit. Außerdem fällt es Frauen oft schwer, nach der „Familienphase“ wieder beruflich Fuß zu fassen – vor allem dann, wenn die Kinder noch klein sind. Das erklären Kerstin Vogelsang und Susanne Bukta vom Verein Frauen in Arbeit und Wirtschaft Bremen.
Fehlende Finanzmittel
Und nicht nur in der Sorgearbeit sind deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu sehen. Auch die Finanzierung und finanzielle Unterstützung von Gründerinnen lässt zu wünschen übrig. Laut der Boston Consulting Group (BCG) werden Frauen weniger von Investoren gefördert. Das sei „ein zentraler Grund, warum so wenige Frauen ein Unternehmen gründen“. So ist für Gründerinnen die Suche nach einem Hauptinvestor im Schnitt zu 25% weniger erfolgreich als für Männer. Sieht man sich Start-ups an, so erhalten rein weibliche Start-ups nach der Gründung 18% weniger Investorengelder als rein männliche. Zudem erhalten Gründerinnen bei Kreditanfragen oft wenig Unterstützung von den Banken. Ohne eigene Rücklagen „tut sich die Bank schwer zu finanzieren, wenn kein gutverdienender Ehemann im Hintergrund ist“, so Kerstin Vogelsang. Maren Bock fordert hier: „Das Denken in den Köpfen der Wirtschaftsförderer muss sich ändern.“
Was ist möglich, was ist nötig?
Gründen in Teilzeit
Durch die oftmals schwere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit ist für viele Frauen nur die Teilzeitgründung eine Option. Das Problem dabei: „Eine Teilzeitselbstständige kann oft nicht davon leben“, so Maren Bock. Entweder die Gründerin hat also eine*n verdienende*n Partner*in oder ist parallel zusätzlich erwerbstätig. Vor diesem Problem stehen männliche Gründer oftmals nicht.
Kerstin Vogelsang und Susanne Bukta beschreiben eine weitere Schwierigkeit der Teilzeitgründung. Oft sind Frauen bei ihrem*ihrer Partner*in mit familienversichert. Hierfür dürfen sie nicht mehr als 450€ bzw. 455€ im Monat verdienen. Es ist also eine Frage des Abwägens: (Ab wann) Ist es sinnvoll, diese Freigrenze im Rahmen einer Vollzeitgründung zu überschreiten, wenn dann die Krankenkassenbeiträge anfallen? Die Existenzgründungsberaterinnen sehen das Ziel einer Gründung darin, „irgendwann auf eigenen Beinen und unabhängig vom Mann arbeiten zu können“. Gleichzeitig findet aber ein finanzielles Abwägen statt mit der Frage: „Ab wann macht eine Vollzeitgründung Sinn?“
Die Digitalisierung bringt neue Möglichkeiten
Neue Chancen für Frauen in der Arbeitswelt und Gründung können durch die Digitalisierung entstehen. Die Sozialwissenschaftlerin Dr. Kira Marrs beschäftigt sich mit den Auswirkungen des digitalen Umbruchs auf Wirtschaft und Arbeit. Vor allem für Frauen sieht sie in der Digitalisierung neue Potenziale. So berichtet sie in ihrem Artikel „Frauen in der digitalen Arbeitswelt von morgen“ zusammen mit Anja Bultemeier über die Veränderung der Führungskultur. Durch die wachsende Bedeutung von Vernetzung, Teamarbeit, Austausch und Kommunikation werden Frauen in der Führung immer mehr gefragt sein. Bultemeier berichtet: „Die neue Arbeitswelt braucht vor allem kommunikative und soziale Kompetenzen und Teamgeist“. In einem Vortrag erklärt Marrs: „Es sind gerade diese Kompetenzen, die bei Frauen in der Vergangenheit stärker adressiert wurden als bei Männern. Diese können nun zum Türöffner für Frauen in hochqualifizierte Bereiche der Technik [werden]“. Und gerade in diesen beiden Bereichen, der Führung und der Technikbranche, sind Frauen bisher nur wenig vertreten.
Die Möglichkeiten für Arbeit und Gründung in Teilzeit können durch den digitalen Wandel ebenfalls ausgebaut werden. Denn durch die Digitalisierung wird die Produktivität gesteigert. Dadurch können Arbeitszeitmodelle neu strukturiert werden. Der Trend geht hin zu flexibleren Modellen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern sollen. Teilzeit und Home-Office sind hier die Schlüsselbegriffe. Dadurch können Fürsorgepflichten und Erwerbsarbeit besser miteinander vereint werden. Was jedoch nicht außer Acht gelassen werden darf, ist die sogenannte „Teilzeitfalle“, wie Marrs beschreibt. Denn mit der Digitalisierung steigt auch die Gefahr der „permanenten Verfügbarkeit“. Die Erwartung ständiger Erreichbarkeit macht es immer schwieriger, die Arbeit vom Privatleben zu trennen.
Die Bedeutung von Rollenvorbildern
Man ist sich einig: Um Gründerinnen zu stärken, braucht es vor allem eins: Vorbilder. Schaut man sich jedoch die gängigen Wirtschaftsmagazine an, so „strahlen einem die Männer entgegen“, so Maren Bock. Die Repräsentation von Frauen und Minderheiten lassen in den Medien auch beim Thema Wirtschaft und Gründung zu wünschen übrig. „Die Machtmenschen in Deutschland sind weiß und grauhaarig, fast immer kommen sie aus der Mittel- oder Oberschicht. Sie haben einfach viele Privilegien auf den Weg bekommen, die die wenigsten Frauen haben – es gibt einige, aber wenige.“ Hier muss sich also einiges ändern.
Und nicht nur die Sichtbarkeit von Vorbildern in den Medien ist wichtig. Es braucht auch die Vernetzung von Gründerinnen und denen, die es werden wollen. Hierfür gibt es in Bremen einige Angebote.
Die Vernetzung von Gründerinnen in Bremen
Eine gute Möglichkeit für Gründerinnen, sich zu informieren, auszutauschen und untereinander zu vernetzen, ist die Gründungswoche in Bremen und Bremerhaven. Hier werden auch Veranstaltungen speziell für Frauen in der Gründung angeboten. Besonders belladonna bietet Coachingreihen und verschiedene spezialisierte Veranstaltungen aus dem Bereich Wirtschaft an. Zur Gründung in Teilzeit bieten Frauen in Arbeit und Wirtschaft in Kooperation mit dem Evangelischen Bildungswerk Bremen hier das Seminar „Teilzeitgründungen als Chance für Frauen“ an. Das Ziel solcher Veranstaltungen ist es, „Frauen sichtbarer zu machen, ihnen eine Plattform zu geben und spezielle Themen für Frauen anzusprechen“, so Susanne Bukta. Auch belladonna bietet Gründerinnen die Möglichkeit, sich zu vernetzen. So bietet beispielsweise die Veranstaltung „Netze knüpfen plus“ einen Wissens- und Erfahrungsaustausch unter Unternehmerinnen. Zudem werden erfolgreiche Frauen bei belladonna im Frauenarchiv und Dokumentationszentrum sichtbar gemacht.
Wer sich näher über die Veranstaltungen und Angebote von belladonna und die Einzelberatungen von Frauen in Arbeit und Wirtschaft informieren möchte, kann sich die hier verlinkten Webseiten anschauen.
Sarah-Lisa Walz
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