Der Arbeitsmarkt Usbekistans ist ein Spiegel der Geschlechterwidersprüche im Land. Auf die Struktur des Marktes haben sowohl das sowjetische Erbe der Geschlechterbeziehungen einen Einfluss als auch traditionelle muslimische Familienstrukturen. Das heißt, Frauen in Usbekistan sind zwar ein aktiver Teil des öffentlichen Lebens und haben eine beachtliche Rolle in der Arbeitswelt, aber dennoch dominieren die Männer in Familienverbänden und Frauen haben eine ausgeprägte Rolle in der Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Erziehung. Dies führt nicht selten zum Ausschluss vom Arbeitsmarkt. Die letztgenannten Zuschreibungen wurden seit 1991 von den Islamisten reaktiviert.
Für die weitere wirtschaftliche und demokratische Entwicklung Usbekistans hätte die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben einen zentralen Stellenwert. Eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben entspräche den ökonomischen Notwendigkeiten im Haushalt, aber auch den Wünschen von Frauen. Zu den großen Risiken der Frauen gehört das Armutsrisiko bei niedrigen Einkommen und Arbeitslosigkeit, die das traditionelle Familienernährermodell verfestigen. Durch die muslimischen „Freiheiten“ (darunter Vielweiberei) und den Will der Männer, ihre herrschenden Positionen sogar bei ökonomischem Unvermögen nicht zu verlieren, entstehen sehr oft Familienkonflikte. Obwohl sich die Zahl der jährlichen Eheschließungen von 1991 bis 2014 um 32 Prozent verringert hat, zerbricht weiterhin jede zehnte Ehe. Durch diese sich ändernde Situation waren die Frauen gezwungen, sich zur Selbständigkeit durch Geburtenkontrolle und Erwerbstätigkeit zu entwickeln.
Die Erwerbstätigkeit der Frauen in Usbekistan
Teilzeitbeschäftigung stellt eine von Frauen, besonders von verheirateten Frauen, gewünschte Brücke zwischen Familie und Beruf dar. Sie wird in der Hoffnung auf einen möglichen Übergang zu späterer Vollzeitarbeit und Selbständigkeit ausgeübt. Tatsächlich bietet Teilzeitarbeit jedoch zumeist nur einen Einstieg in ein tendenziell unsicheres und schlechter bezahltes Beschäftigungsfeld. Die Existenz über Teilzeitarbeit zu sichern, ist beinahe unmöglich. Maßnahmen zum Erhalt der Familienstrukturen einerseits und die gleichzeitige Verringerung der Eheschließungen sowie die Steigerung der Scheidungen andererseits zeugen von einer Entwicklung der Widersprüche in den Lebenswelten von Frauen und können als dynamische Prozesse der Gesellschaftsentwicklung interpretiert werden.
Unabhängig davon, in welcher beruflichen Situation sich die Frau befindet, liegt die Hauptlast der Familienarbeit auf ihren Schultern. Aufgrund einer unzureichenden Infrastruktur in der Kinderbetreuung und der oben genannten ökonomischen Probleme tritt die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege als eine ausschließliche Frauenangelegenheit auf. Das führt die Frau nicht an Gleichstellung heran, sondern macht sie stattdessen zur „Sklavin“ der Rahmenbedingungen.
Eine schwierige Lage in der Erwerbstätigkeit haben auch die über 55jährigen Frauen in Usbekistan. Die gesetzlichen Verordnungen bezüglich des Rentenzugangsalters schreiben als Rentenalter für Frauen 55 Jahre und für Männer 60 Jahre vor. Dies lässt sich faktisch als Diskriminierung von Frauen interpretieren, da sie dadurch in die Armutsfalle geraten, denn nur durch Erwerbsarbeit ist i.d.R. eine Existenzsicherung möglich. Aktuell beträgt in Usbekistan die Grundrente 55 Prozent des durchschnittlichen Monatslohns der letzten fünf Erwerbsjahre. Bei der höheren durchschnittlichen weiblichen Lebenserwartung (Frauen 74,4 Jahre/Männer 70,5 Jahre) bedeutet dies konkret, dass Frauen im Ruhestand mit ihrer Rente, die kaum mehr als die Hälfte des vorherigen Erwerbseinkommens beträgt, durchschnittlich noch 20 Jahre leben müssen. Der Ausschluss vom Arbeitsmarkt der über 55jährigen Frauen setzt jedoch die Arbeitsplätze für die jüngeren weiblichen Alterskohorten frei. Junge Frauen in Usbekistan bekommen aufgrund ihres Alters und ihres Familienstandes bevorzugt Teilzeitarbeit angeboten, wodurch ebenfalls die offizielle Arbeitslosigkeit niedriger erscheint, als wenn Vollzeitäquivalente im Zeitverlauf verglichen würden.
Lola Sabirova
Marie meint
Ein sehr interessantes Thema, über die beruflcihe Lage in Usbekistan kenne ich mich nicht so aus, aber interessant mal zwei Seiten darüber zu sehen und lesen zu können.