Setzt die Politik auf freiwilliges Engagement und Ehrenamt? Inwiefern spielen politische Beschlüsse eine Rolle dabei, dass im freiwilligen Engagement sowohl eine Geschlechterdifferenz als auch Geschlechterungleichheiten existieren? Wir haben bei Bremer Politiker*innen für euch nachgefragt!
In der mehrteiligen Reihe Frauen und Engagement gehe ich den Fragen nach: Wie und wo kann ich mich in Bremen engagieren? Hängt es mit dem Geschlecht zusammen, wer sich engagiert? Wie engagieren sich junge Leute? Und nun die Frage: Welche Rolle spielt dabei die Politik? Dazu nehmen Bremens Politiker*innen Stellung: Sozialsenatorin Anja Stahmann von den Grünen und die beiden Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft und des Ausschusses für Bürgerbeteiligung, bürgerschaftliches Engagement und Beiräte, Birgitt Pfeiffer (SPD) und Hartmut Bodeit (CDU).
Inwiefern setzt die Politik (auf Bundesebene und in Bremen) auf freiwilliges/bürgerschaftliches Engagement & Ehrenamt?
Anja Stahmann (Bündnis 90/Die Grünen): Bremen unterstützt das freiwillige Engagement ideell sowie mit einer guten Infrastruktur. Dazu gehörten etwa der Versicherungsschutz für Personen im Ehrenamt, der sie während ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit vor Schadensersatzansprüchen schützt. Und Fortbildungsangebote durch den Bremer Qualifizierungsfonds bei der Freiwilligenagentur, die Freiwilligenmesse Aktivoli für Vereine und Initiativen im Bremer Rathaus, die länderübergreifende Ehrenamtskarte zusammen mit Niedersachsen sowie persönliche Ehrungen bei Senatsempfängen.
Ehrenamtliches Engagement ist für die Gesellschaft unverzichtbar, und für die Ehrenamtlichen ist es sinnstiftend. Eines der Hauptmotive für ehrenamtliches Engagement ist, dass die Menschen das soziale Leben in ihrer Stadt mitgestalten wollten. Das ist ein sehr ermutigender Ausdruck für den sozialen Zusammenhalt in Bremen.
Birgitt Pfeiffer (SPD): Politik sollte meiner Auffassung nach nicht versuchen, freiwilliges/bürgerschaftliches Engagement zu lenken. Denn: Vereine, Verbände und Initiativen als Ausgangspunkte freiwilligen Engagements sind Teil der selbstorganisierten Zivilgesellschaft. Sie und die mit ihnen engagierten Menschen entscheiden selbst, zu welcher Zeit, an welchem Ort und auf welche Art und Weise sie sich engagieren. Für die Politik zeugt es natürlich von einer guten demokratischen Teilhabe, wenn Menschen sich gesellschaftlich einbringen und daher ist freiwilliges Engagement sehr erwünscht. Aber selbstverständlich braucht Politik auch den kritischen Dialog mit einer wachen Zivilgesellschaft.
Hartmut Bodeit (CDU): Deutschland ist das DAS Land des ehrenamtlichen Engagements. Viele Bereiche im öffentlichen Leben sind ohne ehrenamtliches Engagement nicht denkbar und wären nicht funktionsfähig. Das fängt bei der Freiwilligen Feuerwehr an, geht über den Umwelt- und Naturschutz bis hin zur Interessenvertretung für ganz verschiedene Bereiche. Auch Teile des Sozial- und Gesundheitssystems verlassen sich auf das Ehrenamt, was wir durch die Corona-Pandemie besonders spüren. Deshalb beschäftigen wir uns auf politischer Ebene auch immer wieder mit dem Ehrenamt, seinen Rahmenbedingungen und möglichen Verbesserungen. Als CDU-Bürgerschaftsfraktion haben wir den Schwerpunkt darauf gelegt, dass sich mehr junge Menschen engagieren und dafür – zum Beispiel über die Ehrenamtskarte- eine Anerkennung erfahren. Auch ein „Studienbonus“ bei zulassungsbeschränkten Studiengängen wäre für uns denkbar, wenn sich jemand ehrenamtlich in seiner Schulzeit engagiert hat.
Inwiefern spielen politische Beschlüsse eine Rolle dabei, dass im freiwilligen Engagement sowohl eine Geschlechterdifferenz, als auch Geschlechterungleichheiten existieren? Laut Freiwilligensurvey 2014 lag der Frauenanteil nämlich bei 41,5% und der Männeranteil bei 45,7%. Zudem ergab die Untersuchung, dass im Engagement „Muster einer traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung“ bestehen.
Anja Stahmann (Bündnis 90/Die Grünen): Der Einfluss von politischen Beschlüssen auf die ehrenamtliche Tätigkeit von Frauen und Männern ist schwer zu beschreiben, zumal es sich ja in der Regel um „Fernwirkungen“ von Beschlüssen aus Politikfeldern handeln dürfte, die nicht im eigentlichen Bereich der Ehrenamtsarbeit liegen. So dürfte z.B. das Pflegegeld dazu beigetragen haben, dass Frauen stärker im privaten Sektor in der Pflege von Angehörigen aktiv sind und so aus der Wahrnehmung von ehrenamtlicher Tätigkeit eher „herausfallen“. Der Freiwilligensurvey beleuchtet den Genderaspekt für sehr viele Einzelfragen und bleibt bei seinen Analysen trotzdem etwas vage. Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen unserem Ressort leider auch nicht vor.
Birgitt Pfeiffer (SPD): Die Zivilgesellschaft und ihre Organisationen, in denen freiwilliges Engagement ja stattfindet, sind ein Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Verhältnisse. Insofern verwundert es nicht, dass sich Geschlechterungleichheiten hier abbilden. So beeinflusst die immer noch stark geschlechtsspezifisch geprägte Aufgabenteilung natürlich auch das Geschehen im freiwilligen Engagement. Die Politik ist daher gefordert, Rahmenbedingungen zu setzen und z.B. auf eine umfassende Arbeitsteilung von Frauen und Männern hinzuwirken. Gefordert sind aber auch die zivilgesellschaftlichen Organisationen selbst. Auch hier braucht es ein stärkeres Engagement für Frauen in Führungspositionen von Vereinen und Verbänden.
Hartmut Bodeit (CDU): Als Politik setzen wir vor allem Rahmenbedingungen des Ehrenamts, zum Beispiel hinsichtlich der notwendigen Qualifikationen, Nachweise und möglichen Entlastungen. Außerdem ist es natürlich Aufgabe der Politik für eine gute Ausrüstung zu sorgen, wenn hoheitliche Aufgaben direkt an Ehrenamtliche übertragen werden – zum Beispiel bei der Feuerwehr, dem THW, der DLRG, den Rettungsdiensten und vielen anderen. Bei all diesen Dingen müssen wir die Regeln so gestalten, dass sie nicht diskriminierend sind und für Frauen und Männer gleichermaßen gelten. Einen lenkenden Einfluss darauf, wer sich als Mann oder Frau wo engagiert, kann die Politik aber nicht nehmen. Das Ehrenamt beruht in großen Teilen auf der eigenen, persönlichen Motivation und einer Affinität zu bestimmten Themenbereichen. Da kann es – wie der Freiwilligen-Survey zeigt (wobei die Zahlen bereits 2014 sehr nah beieinander lagen) – auch zu einem unterschiedlichen Engagement kommen. Hier erleben wir, dass sich die Anteile von Frauen und Männern je nach Engagement unterscheiden. Ich sehe es als Aufgabe der Politik die Verantwortlichen bei der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit zu unterstützen. Zum Beispiel durch Werbe- und Infokampagnen und die Ausstattung, wenn es zum Beispiel um getrennte Umkleidekabinen geht. Durch Gesetz, Verordnung oder Regelung können wir die gleiche Beteiligung allerdings nicht erzwingen.
Hannah Lüdert
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