Vor 102 Jahren hatten Frauen noch kein Stimmrecht. Die erste Wahl in Bremen, bei der auch Frauen abstimmen durften, fand am 9.März 1919 statt. Doch wer hat eigentlich für das Frauenwahlrecht gekämpft? Welche feministischen Bewegungen gab es damals? Wie sah die Situation in Bremen aus? Lasst uns in die Zeit zurückreisen und einen Blick auf die mutigen Frauen werfen, die die ersten Schritte gegangen sind.
Frauen kämpfen für das Wahlrecht
Es gab viele Frauen, die sich für das Frauenwahlrecht einsetzten. Bezogen auf das Wahlrecht in Bremen stechen besonders vier Frauen heraus: Die Autorin Hedwig Dohm veröffentlichte 1876 zu der Zeit des Deutschen Kaiserreiches ein Buch das „Der Frau Natur und Recht“ hieß. Sie betonte, dass das Wahlrecht auch ein Recht für Frauen ist und wurde somit zur Vorkämpferin der Bewegung, denn dank des Buches kam die Stimmrechtsdebatte ins rollen. Hedwig Dohm bekam viel Kritik und wurde mit Hassrede konfrontiert, aber sie ließ sich nie unterkriegen. Für sie war diese Reaktion ein Zeichen dafür, dass man über das Thema Frauenwahlrecht endlich reden müsse.
„Ich bin ein Mensch, ich denke, fühle, ich bin Bürgerin des Staats (…) Die Gesellschaft hat keine Befugnis, mich meines natürlichen Rechtes zu berauben. Ihr Frauen … Erhebt Euch und fordert das Stimmrecht!“ – Hedwig Dohm (Zitat nach Romina Schmitter. In: Bremer Frauenmuseum e.V. (Hrsg.): Mit den Stimmen der Frauen. 100 Jahre Frauenwahlrecht und Engagement für Gleichberechtigung in Bremen. S. 16)
Frauen bekommen Gegenwind
Die Bremerin Luise Koch war Vorsitzende der bremischen Ortsgruppe des „Deutschen Stimmrechtsvereins“.
Sie hatte die Ortsgruppe 1904 selber gegründet. Die Lehrerin war die geborene Organisatorin und unter ihrer Koordination wurden auch noch weitere Gruppen in Bremerhaven und Vegesack initiiert. Sie lud auch Referentinnen ein, die z.B. Vorträge über die politische Arbeit der deutschen und internationalen Frauenbewegung hielten. Die Mitgliederzahl ihrer Ortsgruppe stieg innerhalb von 5 Jahren von 42 auf sage und schreibe 396 Personen an. Natürlich gab es auch gegenüber von Luise Koch Gegenwind. Beispielsweise wurde von „Antifeminist*innen“ eine Ortsgruppe in Bremen gegründet, die gegen die Frauenemanzipation war. Die „Antifeminist*innen“ waren der Meinung, dass Frauen nicht politisch aktiv sein sollten, da sonst die Familienstruktur aufgelöst werde.
Die Wahlbremerinnen Minna Bahnson und Auguste Kirchhoff gaben bei der Stimmrechtsdebatte, die seit 1909 immer mehr zum Thema wurde, den Ton an. Sie setzten sich aber nicht nur für das Frauenwahlrecht ein, sondern auch für das Recht auf Erwerbstätigkeit der Frau und für die Aufhebung der patriarchalen Sexualmoral. Die pragmatische Minna Bahnson wollte erst einmal kleine Schritte wagen und hielt eine Rede darüber, dass es zunächst wichtig sei, dass Bremerinnen auch die Bürgerschaftsmitglieder wählen können und Sitze und Stimmenrecht in der Bürgerschaft erhalten. Auguste Krichhoff hingegen sprach sich in ihrer Rede direkt für ein allgemeines Frauenwahlrecht aus. Doch Bürgerschaft und Senat leisteten gegen beide Forderungen Widerstand.
„(…) Allen diesen Frauen ist doch wahrlich nicht damit gedient, am Wahltag einen Stimmzettel ohne praktische Bedeutung abzugeben! Es gibt aber keinen andren Weg, als die Ausdehnung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts auch auf die Frauen.“ – Auguste Kirchhoff (Aus Dokumentation 1994, S. 18 – 21. Zitat nach Bremer Frauenmuseum e.V. (Hrsg.): Mit den Stimmen der Frauen. 100 Jahre Frauenwahlrecht und Engagement für Gleichberechtigung in Bremen. S. 22)
Frauen an die Wahlurne
Der Wendepunkt kam, nach dem Wilhelm der II. am 9. November 1918 auf den Thron verzichtete und somit der sogenannte „Rat der Volksversammlung“ die Regierung übernahm. Schon drei Tage später entschied dieser Rat, dass allgemeine Wahlrecht für Männer und Frauen anzuerkennen. Aber bei der Wahl des „Bremer Arbeitsrates“ durften zuerst nicht alle Frauen wählen gehen, sondern nur Arbeiterinnen, die in sozialistischen Parteien organisiert waren.
Als es am 19. Januar 1919 zu der Wahl für die verfassunggebenden Weimarer Nationalversammlung kam, durften auch endlich alle Frauen wählen gehen. Die erste bremische Wahl, bei der auch alle Bremerinnen wählen durften, fand am 9. März 1919 statt. Interessanterweise wurden die Stimmen der Frauen wirklich wichtig für den Wahlkampf, da 54,5 Prozent der Wahlberechtigten weiblich waren. Während des Wahlkampfes wollten die Parteien daher zeigen, dass sie auch die Interesse der Frauen vertreten und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Überall gab es Wahlplakate und Flugblätter, die besonders die Frauen ansprechen sollten.
Frauen in die Parlamente
Nach dem das allgemeine Wahlrecht verkündet wurde, lehnten sich die Frauenrechtlerinnen natürlich nicht zurück. Die Aktivistinnen hielten viele Reden, um andere Frauen zu motivieren wählen zu gehen und ihr Stimmenrecht wahrzunehmen.
„Frauen, geht wählen!“, lauteten die Parolen. Die Aktivistinnen traten in zahlreichen Versammlungen auf, wobei sie besonders auf die aktuellen Frauenfragen eingingen (…)“ (Regina Contzen (2019): Es ist geschafft: das Frauenwahlrecht. In: Mit den Stimmen der Frauen. 100 Jahre Frauenwahlrecht und Engagement für Gleichberechtigung in Bremen. S.26)
Letztendlich gab es sogar die ersten Frauen, die bei den Parteien auf der Wahlliste standen. Ab dem 4. April 1919 saßen 18 Parlamentarierinnen in der bremischen Bürgerschaft und die Anliegen der Bremerinnen konnten direkt von ihnen vorgetragen werden. In der Bürgerschaft gab es durchaus auch eine Art Frauensolidarität, denn im Parlament setzten sich die Parlamentarierinnen – über die Fraktionsgrenzen hinaus – gemeinsam dafür ein, dass sozial benachteiligten Frauen mehr Unterstützung bekommen.
Frauen kämpfen weiter
Die Frauen von damals waren mutig und sprachen öffentlich die Doppelmoral der Gesellschaft an. Sie waren empathisch und kämpften für mehr Rechte von sozial benachteiligten Frauen. Natürlich war damals, so wie auch heute, noch immer viel zu tun. Den Frauenrechtler*innen war bestimmt auch stets bewusst, dass das Wahlrecht allein nicht ausreichte, um Gleichberechtigung zu erlangen. Doch sie hatten einen Schritt gemacht, der den Weg für ihre Nachfolger*innen ebnete, ein Stück mehr Emanzipation brachte und wirklich Respekt verdient.
Ein weiterer großer Schritt wurde später in 1970er Jahren mit der Neuen Frauenbewegung gemacht und wenn wir uns heute umschauen, müssen wir als Feminist*innen auch noch immer feststellen, dass wir noch ein langer Weg bis zum unserem Ziel „Gleichberechtigung für alle Menschen“ gehen müssen. Doch wir werden auch die nächsten feministischen Schritte gehen.
Dana Nguyen
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