Transparenz im (Freizeit-) Journalismus. Eigentlich wollte ich diesen nächsten Artikel über etwas ganz anderes schreiben. Und zwar über das noch relativ neue „Don’t Say Gay“-Gesetz in Florida, und dessen potenzielle Nebenwirkungen (Informationen findet ihr hier). Kinderbücher ohne LGBT-Inhalte in der Ukraine wären hierzu eine passende Ergänzung gewesen (LGBTQ-Gesetz: Viktor Orbán schränkt Verkauf von Kinderbüchern ein). Aber leider kann ich mich gerade nicht ausreichend mit diesen Themen beschäftigen, da ich am ersten freien Tag nach einer langen Arbeitsphase am Schreibtisch sitze, mit dem Kopf schon beim nächsten Training bin, und mein Magen knurrt.
Es gibt aber erst in 10 Minuten etwas zu essen. Intervallfasten, von 18 Uhr abends bis 10 Uhr früh. Seit zwei, drei Wochen. Läuft ganz okay. Wenn man mich im echten Leben danach fragt gebe ich die gleiche Antwort, mit etwa der gleichen nicht vorhandenen Begeisterung. Ja, ich faste. Nein, war keine große Umstellung. Nein danke, du musst mir nicht gratulieren, dass ich es bisher durchgehalten habe. Ist keine große Sache und mir selbst auch gar nicht so unendlich wichtig. Ehrlich gesagt irritiert es mich eher, wenn ich dafür Komplimente bekomme. Das war in einer früheren Sportphase schon ähnlich, so als ob ich nun endlich die Lösung für ein nicht-existierendes Problem gefunden hätte. Das hat, denke ich, irgendwas mit heteronormativen Schönheitsstandards zu tun, zu denen sich Frauen* gegenseitig ermuntern. Die von der Art, wo die eine Freundin sagt, dass sie die eine Körperstelle nicht mag, und die andere erwidert, das sei doch gar nicht so schlimm, man müsste nur mal eben…
It’s Raining Grams – Halleluja
Als es mit dem Fasten anfing, habe ich mich im Internet umgeschaut, ob andere Menschen wohl gerade ähnliche Erfahrungen machen wie ich. Das Ergebnis auf Social Media-Plattformen war, milde gesagt, besorgniserregend. Es fing an, Zahlen und Bilder zu regnen. Vorher und nachher. Fünf Kilo weniger. Zehn Kilo. Muss abnehmen. Muss, will, schaut mich an. Ich habe diese Seiten dann ziemlich schnell wieder verlassen. Das ist kein Denkmuster, welches ich übernehmen möchte, egal ob bewusst oder unterbewusst.
Überhaupt bin ich nicht hier, um abzunehmen. „Ja ja“, denkt man jetzt vermutlich, „das sagt sie so, aber am Ende ist sie vermutlich doch froh, ein paar Kilos los zu sein“. Das mag natürlich stimmen. Aber es würde mich, ehrlich gesagt, nicht ausreichend motivieren, irgendetwas zu tun. Dafür liege, sitze, und esse ich einfach viel zu gerne. (Und schwupps, die 10 Minuten sind um, ich hole dann mal Frühstück).
(Mist, das Nutella ist leer, aber ich werde es überleben).
Stattdessen faste ich, und mache Sport, weil es dafür sorgt, dass ich mich in meiner Haut wohler fühle. Abends nicht so vollgestopft. Morgens unbeschwert und bereit für den Tag. Durchgängig ein leichter, angenehmer Muskelkater, der mich an das letzte Training erinnert. Dieses leise, ah ja. Ich bin eine totale Draufgängerin. Ich komme just vom Boxen wieder.
Äußerlich sieht man davon, denke ich, absolut gar nichts. Weder vom Fasten, noch vom Sport, den ich nun auch schon seit einem halben Jahr betreibe. Aber innerlich macht es einen großen Unterschied, vor allem wenn der Arbeitsalltag stressig ist. Boxen an, Welt aus. Und weil es völlig okay ist, dass man die Welt und all ihre Schwierigkeiten manchmal ausschalten muss, möchte ich lieber weiter über Boxen philosophieren. Das stand eh auch mal auf meiner Artikelliste.
Eine Recherche ins Nichts
Leider wollen mir die deutschsprachigen Boulevardartikel, die ich hier gerade zur Recherche heranziehe, nur wieder vermitteln, wie toll Fitnessboxen doch zum Abnehmen sei. Wenn mir als nächstes jemand erzählt, dass es Zeit wird, an den Sommerkörper zu denken, ist es ganz vorbei. Ich habe keinen Sommerkörper. Das ist ein Ganzjahresmodell. Zum Glück finde ich nach vier oder fünf Fehlanzeigen doch einen Bericht, der in etwa beschreibt, was ich vermitteln möchte:
„Nach einem Arbeitstag, alles hinter sich zu lassen und auf den Sandsack eindreschen, das macht den Kopf frei und killt den Stress. Boxtraining ist effektiv, weil es auf einen ganzheitlichen Mix setzt. Die Basis ist dabei das Ausdauertraining. Dazu kommen Übungen, die die Reaktionsgeschwindigkeit, Spannkraft, Körperbeherrschung, Schnellkraft und Konzentration verbessern.“
Mentale Stärke. Genau darauf will ich hinaus. Auf dieses Lebensgefühl, nicht auf den Taillenumfang. Wie der Artikel weiter informiert, ist gerade für Frauen Fitnessboxen besonders attraktiv, da Frust in „Empowerment und positive Energie umgewandelt“ wird. Das gilt auch für Frauen, die „man eher in der Yoga- und Pilatesecke verorten“ würde. Aus meiner bisherigen Erfahrung heraus kann ich das durchaus bestätigen. Viele junge Frauen sind in dem Kurs, aber nicht ausschließlich. Das Training vermittelt allen einen achtsamen, respektvollen Umgang miteinander. Schließlich beruht die Schlägerei (kleiner Scherz) auf Gegenseitigkeit.
Eine Freundin von mir beobachtete kürzlich, dass die anwesenden Frauen vielleicht schon ein wenig abenteuerlustiger sind als der Durchschnitt, die Männer hingegen entspannter als die, die zum „echten“ Boxen gehen. An der Theorie mag durchaus etwas dran sein. Zudem stimmt vermutlich, dass das gesteigerte Selbstbewusstsein auch etwas mit Selbstverteidigung zu tun hat. Die dunkle Straßenecke scheint nicht mehr ganz so gefährlich, wenn man weiß, wie hart man zuschlagen kann.
Eine MMA- (Mixed Martial Arts) Website beschreibt außerdem, dass zwar alle Sportarten irgendwo den Körper dazu bringen, Endorphine auszuschütten und uns glücklich zu machen, aber gerade beim (Fitness-) Boxen große und langfristige Mengen dieses Hormons erzeugt werden. Gesteigerte Hand-Augen-Koordination vervollständigt das Gesamtpaket.
Na also. Das sind doch Gründe genug, sich schon mal auf das nächste Training zu freuen.
Famous Last Words
Dieser Artikel ist nun weder politisch, noch sonderlich queer-orientiert, und vielleicht nicht einmal aktuell. Aber er entspricht der Lebenserfahrung einer jungen queeren Frau in Bremen, die anscheinend doch nicht immer ganz Gentle-Woman ist. Ladies können ja so vieles sein.
In diesem Sinne grüßt euch alle
Jack
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