Die Ausstellung Geschlechterkampf – von Franz von Stuck bis Frida Kahlo im Frankfurter Städel Museum zeigt anhand von Gemälden, Skulpturen, Fotografien und Filmen wie in den letzten 200 Jahren Rollenbilder und Stereotype von Mann und Frau in der Kunst verhandelt wurden.
Die Ausstellung beginnt mit einem Raum voll von geschriebenen Zitaten, News-Headlines und Hashtags der letzten Jahre. Sie zeigen exemplarisch den aktuellen medial ausgetragenen „Geschlechterkampf“. Wir fangen also im Heute an, um dann im nächsten Raum, Ölgemälde des 19. Jahrhunderts zu sehen und somit zumindest zeitlich, einige Schritte zurückgehen. Ein spannender Einstieg, denn so werden die Besucher*innen zunächst irritiert, um sich dann der langen Zeitspanne bewusst zu werden, in der das Thema schon verhandelt wird. Außerdem wird so der Blick auf Wandel und Kontinuitäten geschärft.
Der Anfang
Die Ausstellung führt uns zu den Wurzeln des modernen „Geschlechterkampfs“. Die Kunstwerke, ob Bilder, Skulpturen, Fotografien oder Filmausschnitte werden in ihren jeweiligen Entstehungskontexten und in gesellschaftspolitischen Debatten und Entwicklungen verortet. Die Motive der Maler des 19. Jahrhunderts der ersten Sektion beginnen dann auch gleich ganz „am Anfang: Sie stellen biblische oder aus antiken Sagen entnommene Szenen in ihren Werken dar.
Der zeithistorische Kontext hier ist der Kampf um (Menschen-)Rechte, politische Freiheiten und Verfassungen. Frauenbewegungen streben nach Emanzipation und gleichen Rechten und stellen die bürgerliche Rollenverteilung in Frage. Im Zentrum des aufkeimenden Geschlechterkampfs steht die Rolle der Frau und das spiegelt sich in den Bildern (und der Literatur, wie beispielsweise Oscar Wildes Stück zu Salome) wider. Es manifestiert sich hier vor allem die Angst der Männer vor den Frauen. Es werden gefährliche Evas, angsteinflößende Medusen, Pandoras, Sirenen und mordende Salomes gemalt. Das altbekannte Motiv des Mannes, der der Verführung der Frau erliegt, wird wiederbelebt. Dabei sind die Frauenfiguren zumeist nackt und/oder mit Tieren an ihrer Seite, dies sollte den vermeintlich animalischen, unberechenbaren Charakter der Frau symbolisieren, erklärt der Text zu den Bildern. Gleichzeitig nehmen aber auch progressivere Maler*innen diese Themen auf und deuten sie um, schaffen so positive antike Heldinnen und weibliche Identifikationsfiguren.
Adam und Eva
Ein Motiv ist besonders interessant und wird hier beispielhaft besprochen: das Motiv der verführenden Eva. Der „Sündenfall“ und die Vertreibung aus dem Paradies wurden je nach Zeit anders gedeutet. Für einige vielleicht überraschend: Nicht immer wurde Eva als die Alleinschuldige gesehen. Nun wird mit Darwins Evolutionstheorie die biblische Schöpfungsgeschichte in Frage gestellt. Warum hält sich aber das Motiv der schuldigen Eva trotzdem so hartnäckig? Die Ausstellung erklärt es so: „In einer zunehmend von der Wissenschaft bestimmten Welt entsteht ein Bedürfnis nach Gegenentwürfen, die das Rätselhafte, Unerklärliche zum Thema machen.“ Dabei verhandeln die Künstler*innen das Motiv jeweils nach ihrer Faҫon und nutzen es als Projektionsfläche der (eigenen) Geschlechterverhältnisse. So malte Franz von Stuck um 1920 eine schuldhafte, verführerische Eva. Ganz im Gegensatz zu Suzanne Valadon, die 1909 ein ebenbürtiges Paar, das gemeinsam nach dem Apfel im Paradies greift, gemalt hat.
Gegenwart und Sexualität
Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts rückt die Gegenwart immer mehr in den Fokus und die Künstler*innen stellen nun eigene Erfahrungen und Szenen ihrer Umgebung dar. Gemalt, und nun auch fotografiert und gefilmt, werden Nachtlokale, Szenen der Prostitution, des Rollentauschs und der ehelichen Rollenverteilungen. Die Sexualforschung entsteht, Freud analysiert und auch in der Öffentlichkeit werden Sexualitäts- und Rollenmodelle weiter hinterfragt. So sehen wir jetzt auch geschminkte Männer, nach dem Ersten Weltkrieg viele selbstbewusste und sportliche Frauen mit Kurzhaarschnitten. Symbol für die neue Selbständigkeit und Rechte der Frauen: 1918 wird den Frauen das Wahlrecht anerkannt. Durch die Kriegs- und Nachkriegserfahrungen verändern sich die Geschlechterverhältnisse weiterhin und Frauen dringen in Männerdomänen vor, beispielsweise den Sport.
Die Ausstellung endet mit den Werken Frida Kahlos, der immerhin wohl bekanntesten Malerin, die sich in ihrem Schaffen mit Geschlecht, Weiblichkeit und Rollen offensiv auseinandersetzte.
Resümée
Die Ausstellung versucht Künstlern und Künstlerinnen ungefähr gleich viel Platz einzuräumen und eine 50:50 Verteilung einzuhalten, auch wenn dies nicht der historischen Realität entsprach. Einziges Manko der Ausstellung: Mit der Ausnahme Frida Kahlos werden keine Werke und Darstellungen von nicht-europäischen Künstler*innen gezeigt. Dabei haben auch Vorstellungen und Fantasien von Sexualität und besonders Weiblichkeit in den damaligen Kolonien europäische Sichtweisen beeinflusst.
Die Ausstellung ist noch bis zum 19.03.2017 zu besichtigen. Für alle, die das nicht mehr schaffen, gibt es trotzdem ein paar Bilder zu sehen.
Rieke Bubert
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