#4 Antifeministische Behauptung
„Gleichstellungspolitik schert alle über einen Kamm und versucht umzuerziehen“
Was wird behauptet?
Antifeminist*innen kritisieren, dass die Unterschiede zwischen den Individuen oder den Menschen einer Gruppe in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr negiert wurden. Sie behaupten, dass der aktuelle Wahnsinn des „Gender Mainstreamings“ – ein gleichstellungspolitischer Ansatz – das Streben nach Gerechtigkeit aufopfere. Dies geschehe zum Zwecke eines Strebens nach absoluter Uniformität und Gleichmacherei. Gleichstellungspolitik spräche die Individualität eines Menschen ab, da allen die gleichen Fähigkeiten und Bedürfnisse zugesprochen werden.
Wie widerlegen und decken auf!
Meiner Meinung nach zielt diese Behauptung darauf ab, gleichstellungspolitische Maßnahmen als bedrohlich wirken zu lassen, um diese damit abzuwerten. Gleichstellung ist eine politische Forderung, die zwar eine geschlechterlose Gesellschaft und eine faktische Angleichung der Geschlechter in allen Lebensbereichen anstrebt, allerdings alle Menschen ihre Unterschiedlichkeiten leben lassen will. Die wahre Gleichmacherei ist historisch begründet und soll korrigiert werden. Frauen wurden beispielsweise bis 1918 das Wahlrecht vorenthalten und bis dahin noch nicht mal unter dem Begriff des „Bürgers“ gefasst. Das männliche Familienernährermodell verweigerte Frauen, überhaupt einen vernünftig bezahlbaren Beruf ergreifen zu können. Bis 1977 musste eine Frau ihren Mann sogar um Arbeitserlaubnis bitten. Dieser konnte zudem bei einer Einwilligung den Lohn seiner Frau frei verwalten. Meiner Meinung nach stellt diese Vereinheitlichung von Männern und Frauen, die nach angeblich naturgegebenen Eigenschaften gruppiert werden, eine viel größere Gleichmacherei dar. Frauen sind viel mehr als sorgende Mütter und Männer heutzutage nicht mehr die alleinigen Bestimmenden der Familie. Männer und Frauen sind verschieden und diese Unterschiedlichkeiten sollten auch zelebriert werden. Wer Kritik an der Gleichstellungspolitik übt, verhindert dadurch ein Aufbrechen der bestehenden und eingeschriebenen Geschlechternormen. Hierzu gehört auch die Akzeptanz von Lebensformen außerhalb der (leider immer noch) herrschenden Geschlechternormen. Echte Gleichstellungspolitik bedeutet, auch diese Unterschiede zu benennen, zu begreifen und allen Menschen ein eigenes Leben fernab von Diskriminierungen zu ermöglichen.
Gleichstellungspolitik möchte niemanden von einer bestimmten Lebensweise überzeugen. Wer weiterhin zum Beispiel nach den klassischen Werten und Normen einer traditionellen Rollenverteilung leben möchte, kann dies auch tun, so lange niemand in dieses Modell gedrängt wird. Allen sollen ein und dieselben Freiheiten gegeben und das Recht der Wahlfreiheit garantieren werden. Von einer Umerziehung ist hier nicht die Rede.
Neue Erkenntnisse und Ansätze, die über das aktuell Bestehende hinausgehen, werden oft als verunsichernd erlebt. Das Schützen der eigenen, angeblich eingeschränkten, Privilegien erfolgt durch Diskriminierung anderer Lebensentwürfe. Doch der befürchtete Verlust von Privilegien ist alles andere als eine Benachteiligung, sondern dient vielmehr zur Herstellung von gerechteren Verhältnissen für alle Menschen einer Gesellschaft. Freiheitsreichte gelten immer für alle Menschen gleichermaßen!
Laura Frey
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