2019 ist nun mehr als einen Monat alt. Feministisch sind wir wieder dank wiederholender Fragestellungen zu 219a, Ausschluss von Frauen bei Traditionsveranstaltungen, Aufräumwahn im Namen der Überflussgesellschaft à la Marie Kondo und vielen anderen Dingen warm gelaufen.
Der #januhairy gehörte auch dazu. Einen Monat lang, den Januar nämlich, ließen Frauen rund um den Globus ihre Haare wachsen und dokumentierten das unter dem Hashtag #januhairy. Was steckt dahinter?
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Ursprünglich war es eine Kunstperformance, ausgehend vom Instagram-Account @januhairy, der Mitstreiterinnen aufrief, es ihr gleich zu tun und alle Körperhaare wachsen zu lassen. Einfach einen Monat lang seinen Körper kennen lernen und mehr Sichtbarkeit für Körperbehaarung im Internet erzeugen. Die Gretchenfrage zu Achselhaaren ist nicht neu und bleibt nicht einfach zu beantworten. Schließlich wird manchen feministischen Kreisen häufig genug zugeschrieben, dass Körperhaare und Feminismus ein sich bedingender Zustand sind. Hier wird deutlich gesagt, zugeschrieben, denn dieser sich bedingende Zuschreibung ist keineswegs plausibel. Generell und überhaupt ist der persönliche Umgang mit Körperbehaarung schlichtweg Privatsache.
Der Januhairy soll uns trotzdem innehalten lassen und über unser Verhältnis zum eigenen Körper nachdenken lassen. Der Winter, die kalte Jahreszeit, ist kleidungsmäßig eher ein privater Monat. Viel zu sehen ist nicht. So ließen also viele Frauen ihr Haar wachsen und dokumentierten den Fortschritt auf Instagram. Manch ein Mann war auch dazwischen. Was wird also nach dem Januar passieren? Jetzt im Februar geht es bei manchen weiter mit dem #februhairy, der Fortsetzung.
Gleichzeitig machte im Januar der Gillette Werbespot eine Empörungstour durch die Twitterwelt und andere Netzwerke. Der ungewöhnliche Spot ruft zu mehr Solidarität zwischen Männern und gegenüber Frauen auf. Kritisiert das als „toxische Männlichkeit“ eingeordnete Verhalten. Der Spot provozierte viele empörte Reaktion von Männern. Und wieder sind wir im Kontext der Haare, wenn auch eher männliches Gesichtshaar.
Party Nonconformiste
Das öffentliche Feiern von selbstbestimmter Körperbehaarung bleibt eine einsame Insel. Jede*r kann selbstbestimmt über den eigenen Körper entscheiden. Aber solange die Mehrheit weiterhin in Sachen Körperbehaarung allgemeine Empörung beim nonkonformistischen Zurschau-Tragen schürt, bleibt das Körperhaar politisch.
„Und das Problem stellt sich, wenn eine solche Pop-Kontroverse als Vorwand genutzt wird, um uns von strukturellen Überlegungen zu Klasse, Macht und Privilegien abzulenken. Besonders Körperhaar hat sich im Lauf der feministischen Geschichte zu einem kontraproduktiven Stereotyp entwickelt: Sexisten sprechen gern von „Feministinnen mit haarigen Beinen“, wenn sie in Wahrheit meinen, dass Frauen, die sich nicht anpassen, Frauen, die sich den Ritualen guten femininen Verhaltens verweigern, eine echte Gefahr darstellen.“ Laurie Penny in Bitch Doktrin.
Der #januhairy hat mit seiner Aktion einen Monat lang Raum im Sozialen Netzwerk Instagram eingenommen, und so auf seine Art Diversität von Körperbildern gezeigt. Gerade an dieser Stelle kann die Selbstinszenierung dann wieder einen gesellschaftspolitischen Aspekt bekommen und wird im Bilderstream neben vielen anderen, dem Konsens mehr oder minder folgenden Bildern, ausgespielt. Egal, was frau mit ihren Körperhaaren anstellt, der #januhairy hat in gewisser Hinsicht Denkanstöße gegeben. Charmehaar, sagten wir hier mal an anderer Stelle.
Renate Strümpel
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